Verachtet mir die Stadt- und Landestheater nicht, und ehrt mir ihre Kunst (1): Das Tiroler Landestheater

Verachtet mir die Stadt- und Landestheater nicht, und ehrt mir ihre Kunst (1): Das Tiroler Landestheater

Foto: Tiroler Landestheater © Belinda Prantl

Analog zu Hans Sachs aus Richard Wagners „Meistersingern von Nürnberg“ propagiert das Ehepaar Schweitzer in dieser fünfteiligen Serie: „Verachtet mir die Stadt- und Landestheater nicht, und ehrt mir ihre Kunst.“ Das ist auch ihre Schlusspointe und war von Anfang an die Idee der Sache. Der erste Untertitel „Das Tiroler Landestheater“ gibt zu verstehen, dass hier für die – unschöner Name – „Provinztheater“, die Mehrspartentheater sind, eine Lanze gebrochen wird.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Meiner Frau habe ich mit der Zeit Innsbruck nahebringen können. Zwischen 1975 und 1980 war ich jährlich etwas mehr als einhundert Tage in der mir ans Herz gewachsenen Stadt als Gast. Nein, nicht als Gast, ich war schon integriert. In den sogenannten akademischen Kreisen Innsbrucks wurde das Kulturleben ihrer eigenen Stadt geringgeschätzt, womit ich mich nicht abfand, und Augen und Ohren aufmachte, um das Kulturleben verteidigen zu können. Dabei musste Innsbruck mit seiner älteren Schwester Hall, das durch die Ortschaften Rum und Thaur mit der Landeshauptstadt fast schon verbunden ist, in Konkurrenz treten. Hall in Tirol bot eine ansehnliche Auswahl an Kammerkonzerten, Lesungen und Ausstellungen. Der stolze Gang der Hallerinnen war in Innsbruck legendär.

Am 2. Oktober 1972 vom Tannheimer Tal kommend hielt ich in Innsbruck vor dem Theatergebäude, einem Mehrspartentheater, kurz an, um zu schauen, ob heute Oper gespielt würde. Am Anschlag las ich „Der Besuch der alten Dame“. Ich kannte die Gottfried von Einem-Oper nicht und entschied mich erst mit der Eintrittskarte in der Hand in Innsbruck ein Hotel für eine Übernachtung zu suchen. Es wurde meine erste Erfahrung mit dem Tiroler Landestheater. Die Haus-Mezzosopranistin Gertraud Eckert gab beeindruckend die „Alte Dame“. In anderen Rollen (Mrs. Quickly, Ulrika, Bersi, die Schauspielerin Clairon) fiel mir später ihre erotische Ausstrahlung auf. Bei den anderen Damen und Herren spürte ich damals schon noch einen deutlichen Abstand zu Wien, sei es Staats- oder Volksoper.

In der Tiroler Tageszeitung wurde der Intendant Helmut Wlasak in einer Überschrift folgendermaßen kritisiert: „Oper ahoi, Theater ade.“ Der Schauspieler und Sprecher mit markanter Stimme Helmut Wlasak förderte mit besonderer Liebe Opernaufführungen. Als Regisseur bildete er mit Edgar Seipenbusch, dem GMD der Stadt Innsbruck und dem Chefdirigenten des Tiroler Symphonieorchesters, welches im Tiroler Landestheater eingesetzt war, in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts das erfolgreiche Zweigespann zahlreicher Inszenierungen.

Szenenbild „Wozzek“, von links nach rechts: Hauptmann Wolfgang Mayr, Wozzek Gotthardt Schubert, Doktor Hermann Vogl; Bühne: Peter Mühler. © Tiroler Landestheater

In Gotthardt Schubert hatte er eine feste Säule im Bassfach. Als Sir Morosus in der „Schweigsamen Frau“ sang er sichere große DES bei „Habe Dank“. Laut Tiroler Tageszeitung stand ihm das große C „nicht voll zu Gebot“. Da war der Kulturredakteur aber sehr streng. Sein Bauer aus der „Klugen“, sein Wozzek, der Tommaso in „Tiefland“, die Wagnerpartien (Gurnemanz, König Marke, Veit Pogner, Daland), die Sprechgesangspartie von Schönbergs Moses und allgemein die Partien, wo eine verlässliche Tiefe erforderlich ist, lagen bei ihm in guter Kehle. Etwas enttäuscht hat er mich als Fürst Gremin, weil er zu eitel und irgendwie hastig seine einzige Arie ins Publikum schmetterte. Der Bassist war auch als Regisseur im Haus tätig. („Der fliegende Holländer“, „Die Zauberflöte“ u.a.m.)

Die Zauberflöte: Bühne Hansjörg Stock, in der Mitte Gotthardt Schubert als Sarastro. © Tiroler Landestheater

Aus dem Ensemble des Tiroler Landestheaters wählte ich auch meine langjährige Lieblingssängerin, den lyrischen Sopran Annelies Hückl, von der ich einen sehr herzlichen, handschriftlichen Brief aufbewahre. Sie ist dem Landestheater aus ehelicher Rücksicht treu geblieben, obwohl sie sicher eine Weltkarriere hätte starten können. Gegenüber Helmut Wlasak bedauerte ich, dass mein Traum, sie als Orffs kluge Bauerntochter zu erleben, nicht in Erfüllung ging. Er verteidigte sich mir gegenüber, sie wegen ihrer Überbeschäftigung nicht eingesetzt zu haben. Ihre Pamina, der Cherubino im „Figaro“, Micaëla, die Nuri („Tiefland“) und die Esther in Bresgens „Der Engel von Prag“ möchte ich hervorheben. Im Konzertsaal des Städtischen Konservatoriums Innsbruck hörte ich sie in Georg Philipp Telemanns „Kleiner Kantate von Wald und Au für Sopran, Flöte und Continuo“ und in Albert Roussels „Deux poèmes de Ronsard“ mit Flötenbegleitung aus dem Jahr 1924.

Leonie Rysanek hier als Kaiserin in „Frau ohne Schatten“ – Autogrammkarte von Kirsten Liese

Wie bei Landestheatern so üblich ist das Tiroler Landestheater ein Sprungbrett für viele Karrieren. Bekannt ist das von früheren Zeiten her bei Leonie Rysanek. Nicht zu glauben, man erlebte hier in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre Peter Seiffert als Hoffmann. Anne Gjewang, die Erda in Bayreuth und an der Met, Gast am ROH und an der Scala, sang hier die Carmen und Rossinis Rosina. Die Violetta Valéry der knapp dreißigjährigen Barbara Daniels war einige Jahre später an der Wiener Staatsoper zu hören. Am Innsbrucker Abend klang sie mir zu „gaumig“. Sie blieb Innsbruck als Lehrerin treu verbunden.

Apropos „La Traviata“. Der siebenundzwanzigjährige Bühnenbildner Peter Rieder fiel nicht durch seine Bühnengestaltung auf, sondern durch seine gleichzeitige, erste Ausstellung als Maler eines fantastischen Surrealimus.

„Ohne Titel“ von Peter Rieder. Eine rote bedrohliche Sonne geht auf. Amphibienartiges Getier aus der frühen Erdgeschichte bewegt sich auf dem Boden. Eine Pflanze hält stand. Foto: Lothar Schweitzer

Die Hausbaritone, Paul Neuner (vom Grafen Almaviva bis zum Kurwenal) und der Lokalmatador Max Hechenleitner (Gérard, Escamillo, Amfortas u.a.m.) hinterließen keinen nachhaltigen Eindruck. Hechenleitner wirkte überhaupt zu hausbacken. Die Welt ist klein. Jahrelang ging in unsrem Wiener Wohnhaus der Bassbariton Hermann Vogl als Schüler der berühmten Gesangspädagogin Elisabeth Radó aus und ein. Er blieb im Schatten des stimmmächtigeren Gotthardt Schubert. Dann gab es noch einen anderen Bassbariton der zweiten Reihe, der brav das gute Ensemble ergänzte, ohne dass „die Nachwelt [in Wikipedia] ihm Kränze flicht“ (Schiller, Wallenstein): Otto Lagler. Fast in jeder Oper hatte er seine Partie. Vom Antonio, Pistola, Mann mit dem Maulesel, vom öffentlichen Ankläger Fouquier Tinville wachsend zum Klingsor. Man könnte Sparafucile zitieren: „Hier, jeden Abend“ (auch Titel der Biografie über Ljubomir Pantscheff, ehemaliger Bassist der Wiener Staatsoper).

Weitere KünstlerInnen des TLT sind mir ohne nachschlagen zu müssen im Gedächtnis geblieben. Doris Linser mit ihrem leicht herben Sopran als Mélisande und als Octavian. Im ORF Landesstudio Tirol trat sie mit Drei Liedern auf Gedichte von Paul Celan von Günther Andergassen auf. In „Tiefland“ ließ Manfred Schmidt-Maillé als Pedro heldische eingestrichene g und a erstrahlen. Eine in Innsbruck sehr beliebte und sehr oft aufgetretene Künstlerin war Linda Trotter. In sieben der besuchten 35 Vorstellungen sang sie die Hauptrolle, von der Capriccio-Gräfin über die Amelia Grimaldi bis zur Madeleine von Coigny, ja sogar die Kundry. Trotzdem ist sie mir im Ohr nicht so präsent geblieben.

Viele weitere verdiente SängerInnen gaben den Opernabenden Profil und ich wartete schon auf ihre Auftritte in weniger umfangreichen Rollen. Es schmerzt mich, aus Platzgründen sie nicht anführen zu können.

Besondere Führungen: Die Magie der Wiener Staatsoper

Als Gast aus Wien sang Oskar Czerwenka auf den Brettern des Landestheaters den Tevje in „Anatevka“. Ein zweiter Gast war der Bariton Edward Crafts. In der Wiener Staatsoper brillierte er in der österreichischen Uraufführung von Bernsteins „A Quiet Place“ als junger Sam. Er soll in den USA einschließlich der MET in Wagner-Partien Erfolge erzielt haben. Neugierig reiste ich ihm nach Innsbruck nach, wo er als Holländer eingesetzt wurde. So lebendig sein Sam in Wien war, so steif und stimmlich verhalten erlebte ich ihn hier.

Einige Opern hörte ich nicht in Wien, sondern in der Tiroler Landeshauptstadt zum ersten Mal. Gängige wie „Simon Boccanegra“ (in deutscher Übersetzung) und „Andrea Chénier“ (in Originalsprache), nicht so oft aufgeführte wie „Die schweigsame Frau“ oder „Albert Herring“. Im Weiteren Opern mit Seltenheitswert wie „Chérubin“ von Jules Massenet mit der heute international gefragten Mezzosopranistin Michaela Selinger in der Titelpartie, „Die Trojaner“ von Hector Berlioz, „Der Engel von Prag“ des Wahlsalzburgers Cesar Bresgen nach Motiven eines Romans von Leo Perutz als Uraufführung der Neufassung und „Schlafes Bruder“ von dem Vorarlberger Herbert Willi.

Ein sehr stimmungsvolles Bühnenbild von Hansjörg Stock für „Il tabarro“. © Tiroler Landestheater

Pagliacci“ wurde mit Puccinis „Il tabarro“ kombiniert. Gerade bei diesen beiden Inszenierungen fiel mir die Regiekunst Helmut Wlasaks auf. Es gab noch keine Übertitel, die beiden Kurzopern wurden in Originalsprache gebracht, aber allein aus der Gestik der Personen war die Handlung leicht mitzuverfolgen.

Selten erlebte ich Enttäuschungen. Während die Strauss-Werke „Die schweigsame Frau“ und „Der Rosenkavalier“ einen achtbaren Erfolg buchen konnten, schien das Landestheater bei der Innsbrucker Erstaufführung des „Capriccio“ am 27. Januar 1979 (!) desselben Komponisten überfordert. Die russischen Opern schienen den Tirolern nicht zu liegen. Weder „Eugen Onegin“ noch „Fürst Igor“ beeindruckten. Selbst die dramatische „Pique Dame“ erzeugte keine Spannung. Man muss diese Oper nicht so opulent und ungekürzt auf die Bühne bringen, wie das Gastspiel des Bolschoi-Theaters es an der Wiener Staatsoper 1971 getan hat. Da blieb die Frankfurter „Pique Dame“ 1965 in gestraffter Form weiter das Vorbild.

Gemischte Gefühle kamen beim Gastspiel des Staatlichen Ballett-Ensembles der Volksrepublik China 4., 5. Oktober 1976 auf. Nicht die altchinesische Tradition war zu sehen, sondern in Anlehnung an die Sowjetunion die russische Balletttradition. Inhalt der Stücke die brutale Unterdrückung seitens der Grundherren und die Rache (!) dafür. Am Schluss wurde ein Transparent enthüllt: Es lebe die Tiroler-chinesische Freundschaft und es gab ein Händeschütteln mit dem konservativen Landeshauptmann Eduard Wallnöfer.

Programmheft anlässlich der Innsbrucker Erstaufführung

Ein besonderes Ereignis war die Premiere von „Parsifal“ am 4. März 1978. Theaterpersonal und Publikum waren in höchste Spannung versetzt. Die Bayreuther Glocken waren ausgeliehen worden. Helmut Wlasak erwähnte, dass er für den gesamten „Parsifal“ ein Budget zur Verfügung hatte, das in Bayreuth für einen Hauptrollensänger vorgesehen war. Man wagte sich kurz darauf auch an den „Tristan“. Zwei Jahre später an die „Meistersinger“. Entgegen der Skepsis von einflussreichen Stellen den „Wozzek“ ins Programm zu nehmen, äußerte sich Intendant Wlasak dahingehend, nicht warum überhaupt, vielmehr wieso so spät (am 26.9.1981) die Erstaufführung in diesem Haus geschehe.

Nach einem Vierteljahrhundert Intendanz Helmut Wlasak übernahm 1992 der von seiner Persönlichkeit vom Vorgänger grundverschiedene Dominique Mentha die Leitung. Unter seiner Führung stieg Frau Doktorin med. Birgit Meyer zur leitenden Dramaturgin auf. Er nahm sie dann als Chefdramaturgin an die Wiener Volksoper mit. Heute steuert sie als Intendantin der Kölner Oper diese souverän durch die Ausweichquartiere. Es zahlte sich weiterhin aus, nach Innsbruck zu pilgern. In seiner Ära wagte sich das Landestheater an Schönbergs „Moses und Aron“. Bereits ein halbes Jahr nach der Uraufführung in Zürich inszenierte 1996 Mentha die Oper „Schlafes Bruder“ des Vorarlberger Komponisten Herbert Willi nach dem gleichnamigen Erfolgsroman seines Landsmanns Robert Schneider. Uns, meiner Frau und mir, hat die Innsbrucker Produktion dieses dunkel-verworrenen Stücks besser gefallen als die Zürcher, die wir als Gastspiel zu den Wiener Festwochen 1996 im Theater an der Wien miterlebten.

Sieben Saisonen später wurde Kammersängerin Brigitte Fassbaender ans Tiroler Landestheater berufen. Da waren wir 2005 und 2009 noch zweimal im Tiroler Landestheater. „Chérubin“ von Jules Massenet, wie es mit Cherubino weiter ging, und „Les Troyens“ von Hector Berlioz. Beide Male, wie die Titel verraten, in Originalsprache. Eine neue Generation steht auf der Bühne. Neue, uns noch unbekannte Namen. Auffallend und im Gedächtnis bleibend Jennifer Chamandy (verehel. Maines) mit ihren Kassandra-Rufen. Neben der uns schon bekannten Michelle Breedt als Didon konnte die Direktion dem Publikum eine zweite ebenbürtige dunkle Frauenstimme als Didons Schwester Anna bieten: Lysianne Tremblay. Überrascht waren wir, den Tenor Dan Chamandy in „Die Tote Stadt“ in der New York City Opera als Paul wieder zu begegnen.

Johannes Reitmeier, Geschäftsführender Intendant
© Emanuel Kaser

Johannes Reitmeier trägt seit der Saison 2012/13 die Verantwortung. Bedauerlicherweise ergab sich in dieser Ära für uns nicht mehr die Möglichkeit, das künstlerische Leben vor Ort mit zu verfolgen. Vor allem der „Tannhäuser“ hätte uns interessiert, weil wir der Ansicht sind, diese Oper sei schwer zu inszenieren.

Eine nette Begebenheit zum Schluss. Als ich einmal in meiner Apotheke ein Rezept überreicht bekam, ich den Patientenname Ladurner las und weil die Dame mit Tiroler Akzent sprach, fragte ich sie, ob sie früher einen der Drei Knaben der Zauberflöte im Tiroler Landestheater gesungen hatte. Sie antwortete: „Nein, das war meine Schwester.“ Sie war gewiss sehr erstaunt, dass sich ein Wiener nach etlichen Jahren an eine „Zauberflöte“ mit ihrer Schwester als Zweiten Knaben erinnert.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 10. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

5 Gedanken zu „Verachtet mir die Stadt- und Landestheater nicht, und ehrt mir ihre Kunst (1): Das Tiroler Landestheater“

  1. Danke für den wunderbaren und kompetenten Bericht über die Ära Wlasak! Ich war von 1970 bis 1998 an seiner Seite, zuerst als Regieassistent, dann als Leiter des Betriebsbüros.

    Diethmar Straßer

  2. Ich kann Didi Straßer nur beipflichten. Unter Helmut Wlasak waren alle im Haus eine Familie. In allen nachfolgenden Jahren zerbröckelte dieses Wir-Gefühl und irgendwie wurde es zur Bürokratie. Schade, aber dafür denke ich gerne an die frühere Zeit.

    Gerhard Georgi

  3. Ich war zur Ära Wlasak Kind bis Jugendliche und wurde eine Opernbegeisterte, was bis heute so geblieben ist. Viele Aufführungen unter seiner Ära bin ich mehrmals gegangen, begeistert von den Opern, Sängern und vor allem den Inszenierungen. Die Meistersinger war ich allein 15 x, Troubadour 9 x, Mefistofele und viele mehr. Man kannte die Sänger, es war eine Familie für uns – es waren „unsere“ Sänger, auch wenn sie nicht immer ideal besetzt waren, und sie bildeten in Spiel und Zusammenspiel immer eine Einheit. Ich erinnere mich an Max Hechenleitner, unglaublich einprägsamer Graf Luna, an Paul Neuner, Gotthard Schubert und viele andere. Mit der Ära Wlasak ging auch dieses Familiengefühl verloren, die Sänger wechselten, viele Gäste kamen, die Stimmen waren oft super, aber man lernte sie nie wirklich kennen und lieben, das Wir-Gefühl ging verloren und die Inszenierungen wurden immer moderner, nichtssagender, grottiger, bis ich mittlerweile nur noch ganz seltene Opern-Besucherin bin und mittlerweile ausgewichen bin nach Prag – wo es immer noch passende Inszenierungen gibt, und auf die Live-Übertragungen der Met Opera im Metropol – offensichtlich weiß man zumindest in Amerika noch, wie man passend inszeniert, schon mit neuen Einfällen, aber eben passend, und ohne dass sich der Regisseur in den Vordergrund spielt und man das Gefühl hat, dass er die Oper an sich hasst und eigentlich zerstören möchte.
    Das klingt jetzt vielleicht bitter, aber für mich gehören in einer Oper die Stimmen, das Spiel und auch die Inszenierung, das Bühnenbild und die Kostüme zusammen. ich kann nicht zufrieden sein, wenn die Stimmen schön waren, dann könnte ich mir auch ein Konzert anhören. Das wäre ja das Wesen der Oper.
    Wo immer ich schöne Inszenierungen finde, bin ich begeistert in der Oper, Prag, Budapest, London, und eben Met durch Übertragung.
    Ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir irgendwann wieder einen Intendanten bekommen (oder Intendantin), die die Oper liebt und nicht meint, sich und die Regisseure in den Vordergrund spielen zu müssen. Denn ganz vorne sollte immer noch die Oper und der Wille des Komponisten und Librettisten stehen. Und wenn ein Regisseur mit den Aussagen dieser Leute nichts anfangen kann, dann sollte er selbst ein Werk verfassen. Dann kann er all seine Phantasien und Aussagen hineinlegen.

    Daniela Laube

    1. „… dann sollte er selbst ein Werk verfassen.“ Das ist das Problem, es gibt zu wenige zeitgenössische Werke. Richard Strauss und andere Komponisten gaben ihren Schöpfungen eine Lebensdauer von fünfzig Jahren, also von knapp zwei Generationen. In einem Salon von Opernfreunden kam einmal die Frage auf, welche modernen Inszenierungen eigentlich wirklich gefallen. Ich konnte einige nennen, aber es waren meistens Produktionen modernerer Opern. Auf der anderen Seite wäre Mozart auf verrückte Ideen eingehend bereit gewesen, seine Kompositionen teilweise zu ändern. Ich erinnere mich an das letzte Bild einer „Manon Lescaut“ in der Wiener Staatsoper. Keine Wüste, dafür jedoch ein leeres Einkaufszentrum mit hell erleuchtenden Schaufenstern. Ein Gefühl der Verlassenheit!

      Lothar Schweitzer

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