Wir erinnern uns an längst vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 3

Vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 3  klassik-begeistert.de, 12. November 2024

Kammeroper Wien © Peter M. Mayr

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Wir wurden immer weniger Gast in der Kammeroper. Das lag an unsren anderen Vorlieben bei Opern, aber auch an unsrer Skepsis gegenüber Kammerfassungen. Klassik-begeistert-Kollegin Mirjana Plath betitelte im Februar 2018 ihre „Pelléas et Mélisande“-Rezension: „Minimalistischer Debussy an der Wiener Kammeroper“. Mit der Streichung der Zwischenspiele kommt man näher an Debussys ursprüngliche Vorstellungen heran, räumt zwar die Verfasserin ein. Aber muss, was heute gern gesehen wird, eine Urfassung die beste Variante sein?

Einige Wochen später lockte uns Bernsteins „A Quiet Place“ wieder einmal ins Haus. Es gab seit 2012 einige Veränderungen. Das Theater an der Wien hatte unter der Gesamtleitung von Roland Geyer den „Verein Wiener Kammeroper“ übernommen. Roland Geyer (* 1952) war eine organisatorische Persönlichkeit.

An der Technischen Universität hatte er Technische Mathematik & Wirtschaftsmathematik mit dem Diplomingenieur abgeschlossen und Sportwissenschaften & Sportmanagement an der Universität Wien studiert. Er lehrte an der Höheren Technischen Lehranstalt Mathematik und Angewandte Mathematik. Geyer ist Autor von vier Lehrbüchern über Software-Design. Er nahm am Studiengang Musikmanagement an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien teil und wurde anschließend Leiter des Städtischen Kultur- und Sportwesens im niederösterreichischen Amstetten.

Er reorganisierte das Abonnementsystem von Jeunesse Musicale Österreich, einer Konzertorganisation für die Jugend, und verdichtete die Besucherstruktur. Vor seiner Berufung an das Theater an der Wien 2004 leitete er das Festivalmanagement der Stadt Wien. Nach seiner Berufung zum Intendanten des Theaters an der Wien und zwei Vertragsverlängerungen plant er zur Zeit für die Stadt Wien einen musikalischen Festreigen zum 200. Geburtstag von Johann Strauß (Sohn).

Kommen wir auf das Jahr 2018 zurück. Anlässlich des 100. Geburtstags von Gottfried von Einem spielte man im großen Operntheater an der Wien „Der Besuch der alten Dame“. Im selben Jahr hatte Leonard Bernstein ebenfalls sein 100. Jubiläum. Ganz klein nur war auf den Wochenplakaten der Wiener Theater unter „Theater an der Wien – Kammeroper“ „A Quiet Place“ zu lesen. Ursprünglich dachte Bernstein bei dieser Oper. wie in der Filmbranche üblich, an eine Fortsetzung seiner Kurzoper „Trouble in Tahiti“ über eine kriselnde Ehe. Im Programmheft war von einer österreichischen Erstaufführung zu lesen.

Wir erlebten 1986 bereits „A Quiet Place“ an der Wiener Staatsoper mit Rückblendungen aus der einstündigen Kurzoper. Die Inszenierung stammte vom Librettisten Stephen Wadsworth. Also eine authentische Lösung.

Die sogenannte Fortsetzungsoper allein auf die Bühne gebracht gewinnt an Dichtheit und versetzte uns im Vergleich zur Staatsopernversion in eine beklemmende Spannung. Intendant Walter Kobéra suchte sich diesmal für seine „Neue Oper Wien“ als Spielstätte die Kammeroper aus.

Die gesanglichen Leistungen waren durchwachsen. Höhepunkt unter den Darstellern war der ungarische Bariton Dániel Foki in der intensiven Rolle des psychisch gestörten Sohns, im Stück „Junior“ genannt. Ein Jahr später schreibt  Ursula Wiegand im „neuen Merker“ über eine „La Bohème“ in der Komischen Oper Berlin: „Ein junger ungarischer, in Wien ausgebildeter Bariton ist als Schaunard die Überraschung des Abends. Ein Supertalent als Sänger und Schauspieler gleichermaßen.“

Dániel Foki © Marlies Kross

Aber gerade der „Junior“ wurde in der Staatsoper zum Anstoß der Versöhnung. Wadsworth ließ alle vier hinterbliebenen Familienangehörigen die Hände einander entgegen strecken, es kommt zu keiner Berührung, aber sie sind voll Hoffnung dies zu erreichen. Es siegte der amerikanische Optimismus in einem Werk, welches das Genre der amerikanischen Oper aus der Taufe heben sollte. Hier erhebt zum Schluss der Junior die Pistole gegen seinen Vater. Aber die Pointe ist auch bei den Produktionen in Dresden, Aachen und Lübeck verloren gegangen.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 12. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 1 klassik-begeistert.de, 29. Oktober 2024

Vergangene Erlebnisse in der Wiener Kammeroper, Teil 2 klassik-begeistert.de, 5. November 2024

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