Rolando Villazón © Concerts Pamplona & Jakob Tillmann
Dresdner Musikfestspiele
„Viaggio dell’anima“. Eine Seelenreise mit Musik von Claudio Monteverdi und seinen Zeitgenossen
Rolando Villazón, Tenor
lautten compagney BERLIN
Wolfgang Katschner, Laute und Musikalische Leitung
Frauenkirche Dresden, 31. Mai 2025
von Pauline Lehmann
In ihrem neuen Konzertprojekt widmen sich Rolando Villazón und die lautten compagney BERLIN unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner den Gefühlen des modernen Menschen mit allen Höhen und Tiefen.
Im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele nehmen sie das Publikum im barocken Ambiente der Frauenkirche mit auf eine wunderbare „Seelenreise“, die von der Süße und Bitternis der Liebe erzählt. Mit dem Programm setzen sie zugleich ein Zeichen für Zusammenhalt – in der Musik wie in der Gesellschaft gleichermaßen. „Und ich hoffe für unsere Welt, dass wir weiter zusammengehen“, sagt Rolando Villazón.

Offen gestanden kann ich mich für die überschwengliche Euphorie, mit welcher der Tausendsassa mit dem rollenden „r“, Rolando Villazón, unter der Woche die Sendung Klassik Radio Furrrioso! moderiert, nur schwer begeistern. Und auch seine Inszenierung von Jean-Philippe Rameaus Platée an der Semperoper Dresden bot reichlich Klamauk. In Dresden sind Rolando Villazón, Wolfgang Katschner und die lautten compagney BERLIN durch die gelungene Neuproduktion von Claudio Monteverdis L’Orfeo bekannt, die vor zwei Jahren ebenfalls an der Semperoper Premiere feierte und zugleich die erste Zusammenarbeit zwischen dem in Mexiko geborenen Startenor und dem Berliner „Alte Musik“-Ensemble bildet.

Gemeinsam mit Hans-Werner Apel gründete der Lautenist Wolfgang Katschner, geb. 1961, die lautten compagney BERLIN, die im vergangenen Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feierte. Als „vielsaitig“ und vielseitig tritt das Berliner „Alte Musik“-Ensemble hervor, wenn es in seinen Programmen einen Bogen zur Gegenwart schlägt. Im Herbst 2019 wurde die lautten compagney BERLIN mit dem OPUS Klassik als Ensemble des Jahres ausgezeichnet.
„Neue Musik“ für eine neue Zeit
Fündig werden Rolando Villazón und Wolfgang Katschner in der italienischen Musik um 1600. Das neue Denken und Selbstverständnis des Menschen kam auch in den Künsten zum Ausdruck. Mit der Idee, die antike Musik wiederzubeleben, entstand im humanistisch gesinnten Künstler- und Gelehrtenkreis der Florentiner Camerata die Monodie als ein instrumental begleiteter Sologesang. Selbstbewusst formuliert der Titel von Giulio Caccinis Monodie-Sammlung Le nuove musiche von 1601 den Anspruch, etwas Neues und Modernes zu schaffen.
In einer Melange aus geistlichen und weltlichen Musiken stehen neben dem Großmeister Claudio Monteverdi auch Stücke von Lodovico Grossi da Viadana, Giulio Caccini, Andrea Gabrieli, Luigi Rossi, Domenico Obizzi und Vincenzo Calestani auf dem Programm. Mit Heinrich Schütz, ab 1614 Organist und ab 1621 Kapellmeister am Dresdner Hof unter Kurfürst Johann Georg I., und dem Hallenser Samuel Scheidt kommen darüber hinaus die musikalischen Beziehungen zwischen Italien und dem mitteldeutschen Raum zu Gehör.

Ein Wechselbad der Gefühle
In einer blumigen und mit Metaphern reich verzierten Sprache berichten die Lieder von Labsal und Schmerz im „Reich der Liebe“. Sie sind durchtränkt von Leidenschaft und Sehnsucht und erzählen von der Treue und Hingabe des Mannes wie von der Anmut und dem unbändigen Stolz der „grausamen Schönen“ („cruda beltà“), wie es in Carlo Milanuzzis Text zu Claudio Monteverdis „Sì dolce è ’l tormento“ („So süß ist die Marter“) heißt. Das Liebesabenteuer bewegt sich zwischen der Glut des Vulkans und bitterer Verzweiflung, die nur den Tod als Ausweg kennt. Nichts ist verletzender als Amors giftiger Pfeil.
Die musikalische „Seelenreise“ führt hinauf in himmlische Sphären und paradiesische Gefilde und lässt Orpheus im zweiten Teil des Konzerts in Claudio Monteverdis „favola in musica“ von 1607 hinab in die Unterwelt steigen. Mit der Macht seiner Musik – oder ist es menschliche Hybris, wie Wolfgang Katschner fragt – versucht Orpheus den Fährmann Charon milde zu stimmen, denn nur mit ihm kann er über den Styx ins Totenreich gelangen.
Sprudelnd lebendig und voller Dramatik
Allein das einzigartige historische Instrumentarium ist eine Augenweide. Im Orchesterpart blitzen perkussiver Witz (Perkussion: Peter Bauer) und schelmische Tanzlied-Manier ebenso wie die lichten Girlanden der Violinen (Micaela Storch-Sieben und Andreas Pfaff) und der Harfe (Katerina Ghannudi) und die klagenden Gesten der Posaune (Alexander Brungert).
Während Rolando Villazón in den ersten beiden Stücken – Claudio Monteverdis „Con che soavità“ („Welch ein Genuss“) und „Armato il cor d’adamantina fede“ („Das Herz gewappnet mit diamantener Treue“) – zu dominant ist, stellt sich im süßen Verlangen an die Geliebte „Amarilli, mia bella“ („Amarilli, meine Schöne“) ein harmonisches Ganzes ein. Mit kühnen Raffinessen in Melodik und Harmonik, dem sog. „espressivo“-Stil, weiß er in Giulio Caccinis „Amarilli, mia bella“, der wohl bekanntesten Monodie, Amors Pfeil seiner Geliebten entgegenzuschleudern und steigert sich in Claudio Monteverdis und Vincenzo Calestanis „Damigella tutta bella“ („Allerschönstes Fräulein“) in liebestolle Trunkenheit und feurigen Eifer.
Pauline Lehmann, 2. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Dresdner Musikfestspiele 17. Mai bis 14. Juni 2025 Dresden, 17. Mai 2025
Dresden/Martina Gedeck, Rezitation / Schumann Quartett Stadtkirche St. Marien zu Pirna, 20. Mai 2025