Foto: Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor © Christian Perl
Triumph! Mit einem glorreichen Paradegesang feiert der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor sein fünfundzwanzigstes Jubiläum… und erhebt die Musik seines Namensgebers hoch aus dem Schatten der Werke seines Vaters. Der Hamburger Bach wäre begeistert gewesen!
Elbphilharmonie Hamburg, 25. April 2023
Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg
Thüringer Bach Collegium
Elise van Es, Sopran
Chen Reiss, Sopran
Olivia Vermeulen, Alt
Patrick Grahl, Tenor
Michael Volle, Bass
Hansjörg Albrecht, Leitung und Cembalo
Werke von Carl Philipp Emanuel Bach und Fredrik Schwenk
von Johannes Karl Fischer
Die etwa 60 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stimmen in die feierliche Musik der Frühklassik ein, und schon fegt eine beispiellose Jubelstimmung durch die Elbphilharmonie! Als würde sich der Saal in das prächtige Michel-Domschiff verwandeln. Magnificat Dominum – lobet den Herrn. Es könnte genauso gut „magnificat musicum“ heißen!
Mit sanfter Stärke leuchtet die Stimmkraft des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chores Hamburg in alle Ecken des Hauses, glorreicher könnte das Bach-Fest kaum gelingen. Ob geistliche Oratorien des Spätbarocks oder ein Auftragswerk des zeitgenössischen Komponisten Fredrik Schwenk: Dieser Klangkörper feiert die heilige Musik mit tönenden Pauken und schallenden Trompeten. Carl Philipp Emanuel Bach wäre begeistert gewesen. Kirchenmusik ist keinesfalls antiquiert, vielmehr genauso feurig wie fetzige Opernchöre!
Doch die gesangliche Goldmedaille des Abends geht unangefochten an Michael Volle. Wie ein allmächtiger Göttervater donnern seine makellosen Monologe durch die Ränge. Seine Stimmkraft brilliert scheinbar völlig unbeeindruckt durch 250 Jahre Musikgeschichte, die lateinischen Pflichtgesänge gelingen ihm ebenso triumphal wie die fast schon Wagner’schen Monologe der zeitgenössischen Bach-Hommage.
Diese Stimme hält das Publikum fest im Atem. Man fühlt sich wie am Fuße eines musikalischen Sinaibergs, auf dem ein Gesangsgott die Predigt an sein Volk verkündet. Seine Schlussarie wirkt wie eine Siegerehrung nahezu olympischer Dimension. Das Bach-Fest wird zum Volle-Fest!
Auch der Tenor Patrick Grahl meistert seine Rolle mit Bravour, segelt mühelos die strömenden Koloraturen auf und ab wie auf einem flotten Segelschiff. Ob in schwindelerregenden Höhen oder fast baritonalen Tiefen am anderen Ende dieser Partie: In allen Registern seiner Stimme malt er mit farbenfrohem Gesang nahezu endlose melodische Linien. Und die Altistin Olivia Vermeulen kann mit äußerst sanfter Stimme die Ohren des Publikums streicheln. Man spürt die mütterliche Wärme der heiligen Maria im Gehör…
Im Schatten dieser vier seidensanften Stimmen wirkt einzig Chen Reiss’ Sopran etwas schrill. Vielleicht passend für Richard Strauss, für eine sonst sinnlich-selige Bach-Akustik ein wenig zu rau. Doch dann strahlt nach der Pause die engelsgleiche Stimme der Sopranistin Elise van Es in alle Ecken des Saals, macht Lust auf viel, viel mehr… wie ausgetauscht. Ist sie ja auch. Schade, dass sie nicht auch die Bach-Partien singt.
Das Thüringer Bach-Collegium erweist sich als mehr denn würdige Begleitung für dieses Gesangsspektakel. Unter der Leitung von Hansjörg Albrechts heiterem Dirigat schmücken die Instrumentalistinnen die Gesangsstimmen mit viel Eleganz und feinem Gespür für die zarte Musik. Im Schlusschor des Oratoriums explodiert die Stimmung nahezu, fast wie im Finale der neunten Sinfonie von Beethovens. Als würden Chor und Orchester hier nochmal ein musikalisches Feuerwerk zur Feier des Tages auf die Bühne bringen!
Fast drei Stunden dauert das Bach-Fest in der Elbphilharmonie. Fast schon wie zu alten Zeiten… So wird man wohl auch die Oratorien und Kantaten Carl Philipp Emanuel Bachs aus dem Schatten des Weihnachtsoratoriums herausholen können.
Michael Volle scheint verstanden zu haben: Was toll und echt, wüsst’ keiner mehr, lebts nicht in Bach’scher Meister Ehr’. Das gilt auch für Carl Philipp Emanuel!
Johannes Karl Fischer, 26. April 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Danke für diese schöne Würdigung dieses Konzerts, das ich – wie Sie – vor Ort genießen durfte. Eine Musik von CPEB, die sehr “sonnig” daherkam; ein Füllhorn herrlicher Melodien und Gesänge – beeindruckend dargeboten. Ich fand aber beide Sopranistinnen ausgezeichnet – ist bei Sängern sicher ein Stück weit eine Frage des persönlichen Geschmacks sowie –gerade auch in disem Saal – abhängig davon, auf welchem Platz man sitzt. Ein Saal mit etwas Nachhall hätte die Musik im Übrigen womöglich noch festlicher präsentiert; andererseits erlaubte diese Akustik, die von CPEB abwechslungsreich komponierte, virtuose Orchestermusik in all ihren Feinheiten wahrzunehmen und somit ebenfalls zu genießen.
Uwe Lützelberger