Was bewegt Klassikliebhaber angesichts von Krankheit und Tod? Teil 2: Die Oper nach Corona

Was bewegt Klassikliebhaber angesichts von Krankheit und Tod? Teil 2  klassik-begeistert.de

Wiener Staatsoper, (c) M. Pöhn

Klassik und Kultur in Zeiten der Krise: Was bewegt Musikliebhaber angesichts von Krankheit und Tod?
Lesen Sie bitte, was die Wiener Opernenthusiasten Lothar und Sylvia Schweitzer bewegt – beide sind Autoren für klassik-begeistert.de .

von Lothar Schweitzer

Wir opfern keine Menschen. Wir werden hingegen aufgerufen Opfer zu bringen, Verzicht zu üben. Die Milliarden, die unserem (Staats)Haushalt fehlen, können nur mit Sparsamkeit und Zurückstecken liebgewordener Gewohnheiten hereingebracht werden. Jedes Ministerium muss seinen Beitrag leisten und jeder Minister („Diener“) läuft Gefahr, dass ihm vom Volk keine Kränze geflochten werden. Vielleicht von der Nachwelt. Das betrifft allerdings auch die nächstuntere Etage. Die neuen Direktoren der österreichischen Bundestheater, seien sie bereits im Amt oder knapp vor ihrem Antritt, stehen vor einer schweren Aufgabe. Was an Einsparungen biete ich als meinen sozialen Beitrag? Welche Einschränkungen muss ich als Opernliebhaber mittragen?

Erschwert wird dieses Problem noch dadurch, dass es in Wien, und wir glauben, nur in Wien, zigtausende Operndirektoren gibt, die es alle besser wissen als der wirklich bestellte Verantwortliche. Eine neue, vielleicht auch nur kurze Ära der Oper beginnt. Die als Konkurrenten auftretenden Sprechtheater leben von einem ständigen Wandel des Repertoires. Welche neuen Denkweisen müssen wir bei einem reduzierten Budget entwickeln? Große Stars werden mehr als die anderen Ensemblemitglieder ihren „Sozialbeitrag“ in Form von auf ein Maß herabgesetzte Gagen zu leisten haben.

Das moderne Regietheater zum Beispiel hatte seinen Sinn. Seit dem Zeitalter der Schallplatten, der CDs und noch modernerer medialer Einrichtungen hatte es ein kleines Landes- oder Stadttheater schwer mit der gesanglichen Potenz der Tonträgerunternehmen mitzuhalten. Das konnte eine kleine Bühne nur durch eine originelle Inszenierung.

Über eine Generation alte Inszenierungen finden wir schon problematisch, aber ein Wechsel alle fünf Jahre ist purer Luxus. Wir haben uns schon anlässlich der Salome-Wiederaufnahme an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Gedanken gemacht, kein Abend einer Repertoireaufführung gleicht dem anderen. Alternativbesetzungen können Neuinszenierungen bis zu einem gewissen Grad gleichkommen.

Lothar und Sylvia Schweitzer

So haben wir die zwei Generationen alte Tosca-Inszenierung der Wiener Staatsoper schon verändert erlebt. Die Floria Tosca als exaltierte Diva und als einfach Verliebte. Und als die alte Produktion von „Samson und Dalila“ mit einem neuen Samson und einer neuen Dalila aufwartete, sagte in der Pause eine Bekannte zu uns, sie glaube eine andere Oper zu sehen.

Schwieriger ist schon eine Reduzierung von Neuinszenierungen, wenn wir sie von der Notwendigkeit her betrachten die Vielfalt und den Reichtum der Opernwelt lebendig zu halten. Glücklich die Städte mit mehreren Opernhäusern wie Berlin, Paris, Prag oder Wien. Gemeinschaftsproduktionen werden allmählich anerkannt und nicht als Schwäche einer Direktion gewertet.

Um Sälen mit leeren Sitzplätzen vorzubeugen, werden wir auch für mehr Verständnis werben und unsre Überzeugungskraft einsetzen müssen für Opern oder deren Inszenierungen, die wir schätzen, denen gegenüber jedoch in unsrem Opernfreundeskreis Vorurteile oder weniger Interesse besteht. So getan bei Bernsteins „A Quiet Place“ und bei „A Streetcar Named Desire“ von André Previn. Nach einigen großartigen Verdi-Abenden wäre einmal „Pelléas et Mélisande“ fast untergegangen.           .

Diese rasch skizzierten Gedanken gehören noch weiter fortgeführt und sollen eine Einladung sein weitere Ideen einzubringen für Zeiten eines Austerity-Budgets in der Kultur.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 24. Februar 2020, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar schreibt: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

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