In Köln findet ein Konzert kosmischen Ausmaßes statt

WDR Sinfonieorchester, Duncan Ward, Dirigent  Kölner Philharmonie, 2. Oktober 2025

Duncan Ward © Simon van Boxtel

WDR Sinfonieorchester
Duncan Ward, Dirigent

Marlis Schaum, Moderation

Gustav Holst – Die Planeten op. 32 – Suite für großes Orchester

Kölner Philharmonie, 2. Oktober 2025

von Daniel Janz

Mittlerweile kann man feststellen, dass sich das Format „WDR Happy Hour“ in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich etabliert hat. Eine Stunde Musik mit einer pointierten Moderation und anschließendem Umtrunk bei reduziertem Eintrittspreis. Das hilft, auch einmal unerfahrenes Publikum in den Konzertsaal zu locken und sie mit der Kraft des vollen Orchesters zu konfrontieren.
Gleichzeitig bietet es auch eine Chance für junge Künstler, sich einmal zu beweisen. So auch heute, wo das Orchester mit zahlreichen Gästen aufgestockt erscheint und sich einem weltbekannten Werk widmet, das zumindest in Deutschland noch relativ selten gespielt wird.

Dabei steht der Abend zunächst unter einem ungünstigen Stern. Über die sich stetig verschlechternden Bahnverbindungen wurde an anderer Stelle schon viel geschrieben. Aber vielleicht muss man es ja auch als respektable Leistung sehen, eine Strecke wie Düsseldorf – Köln mit einer Verspätung von NUR eineinhalb Stunden zu bedienen; wenn man sie überhaupt bedient.

Zwischen diesen Städten liegen schließlich rund 40 Kilometer Luftlinie. Vergleichbar viel Zeit braucht man mit dem Fahrrad. Man muss der Bahn daher großen Respekt zollen, dass sie im Sinne der Emissionssparung das einzige Unternehmen Deutschlands wenn nicht sogar europaweit ist, das sich selbst vollständig überflüssig macht. Weniger Züge bedeuten schließlich auch weniger verbrauchter Strom! Es ist nur zu befürchten, dass die meisten Menschen auf diesen „Beitrag zum Klima“ pfeifen und aufs Auto umsteigen werden – verständlicherweise.

Der Moderation von Marlis Schaum sei an dieser Stelle daher großer Dank dafür ausgesprochen, dass sie Orchester und Publikum so lange hingehalten hat, dass der Rezensent die ersten Töne des Konzerts doch miterleben konnte. Zwischenzeitig sah es bereits so aus, als würden große Teile der Aufführung an ihm vorübergehen. Dies wäre nicht nur in Anbetracht des gespielten Werks, sondern auch der Qualität am heutigen Abend geradezu tragisch gewesen. Denn „Die Planeten“ von Gustav Holst (1916) sind zwar durch seine Erben im Geiste, wie John Williams, bis heute kulturell extrem einflussreich. Doch gespielt wird dieses Werk leider kaum. Vielleicht auch, weil es ein immenses Orchester mit zahlreichen Sonderinstrumenten verlangt.

Moderatorin Marlis Schaum, Bildquelle WDR

Die großen Töne machen Spektakel, die Zwischentöne würzen

Was diese Instrumente heute zaubern, ist allzu fabelhaft. In der Vergangenheit war die „WDR Happy Hour“ ja mit Vorsicht zu genießen, da die Aufführungsqualität häufig variierte. Heute aber mündet es in einer Glanzvorstellung! Schon die ersten Töne, die das Orchester unter dem jungen britischen Dirigenten Duncan Ward (36) hervorbringt, strotzen vor Spannung. „Mars, der Bringer des Kriegs“ wird zu einem wahren Spektakel mit donnerndem Schlagzeug, fliegenden Fanfarenstößen, einem astreinen Solo des Euphoniums und einem krachenden Orgeleinsatz auf dem Höhepunkt, den man gerne öfter so in diesem Saal hören würde.

„Venus“ wird wiederum mit fabelhaft kristallenen Celesta- und Harfenklängen zum Inbegriff musikalischer Schönheit, während die Musik von den wunderbar sanften Hörnern getragen wird. „Merkur“ versprüht als „Götterbote“ indes richtig Leben, obwohl dieser Satz mit seinen vielen rhythmischen Figuren und Rückungen eine Herausforderung selbst für gestandene Orchester darstellt. Heute gelingt das aber – fabelhafte Soli der Streicher inklusive. Und „Jupiter“ wird schließlich zu einem richtigen Freudenschmaus, in dem das komplette Orchester von Edelmut über Wohlwollen bis hin zu feierwütiger Übermut schunkelt. Das ist Musikgenuss pur!

Die letzten drei Sätze, „Saturn“, „Uranus“ und „Neptun“ haben wiederum alle etwas Mystisches. In „Saturn“ können die Flöten inklusive Bassoboe glänzen und spätestens, als Trompeten, Posaunen und starke Bässe dazu einsetzen und von Glockenschlägen ergänzt werden, ist ein Bild uralter Macht ausgestaltet. „Uranus“ wird stattdessen zu einem regelrecht brachialen Ur-Ritual, in dem das ganze Orchester schließlich zum Klang des Xylophons übermütig losstampft. Und „Neptun“ entführt in unendliche Weiten, als aus der Ferne zu sphärischen Klängen von Streichern, Harfen und Celesta ein Frauenchor ertönt und diese untermalt. Einziges Manko: Der Frauenchor hätte etwas lauter sein können. Doch Duncan Ward regelt das Orchester derart, dass die Stimmen nicht untergehen. Da merkt man Gespür fürs Detail!

WDR Sinfonieorchester Köln (WSO), aufgenommen in der Philharmonie Köln  © WDR/Clüsserath

Am Ende gibt es dafür im nahezu ausverkauften Saal Stehende Ovationen und zahlreiche Bravorufen. Für diese Leistung verdienen aber auch Beteiligten großes Lob. Besonders hervor stachen die Hörner, Flöten, Posaunen plus Tuben. Und die Streicher rund um ihre Stimmführer José Maria Blumenschein an der Violine und Oren Shevlin am Cello brillierten regelrecht. Harfen, Celesta und Orgel waren präsent, wo es sie gebraucht hat, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Und auch das Schlagzeug, das zuletzt etwas schwächelte, war heute phänomenal gut.

Das beweist: Es ist doch immer eine Frage des Dirigenten, wie gut eine Aufführung am Ende gelingt. Für Duncan Ward und das WDR Sinfonieorchester war das heute jedenfalls eine nahezu perfekte Werbung! So möchte man sie gerne öfter hören.

Daniel Janz, 4. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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