Was Mäkelä kann, schafft William Garfield Walker auch

Wiener Kaiser Orchester, William Garfield Walker  Musikverein Wien, Brahms Saal, 14. Juli 2024

William Garfield Walker © Andrej Grilic

Ein Dirigent lässt auf sich warten. Blick nach links, Blicks nach rechts, doch keine Spur von William Garfield Walker. Als der großgewachsene Afroamerikaner verspätet erscheint, ist die Überraschung groß: ein Cello unterm Arm, statt Dirigentenstab zwischen den Fingern. „It was just an experiment“, gesteht Walker, der vor sieben Jahren komplett aufs Dirigieren umgesattelt hat. Ladies first, heißt es deshalb im Brahms-Saal des Musikverein Wien. Cellistin Liina Leijala gibt bei Vivaldis g-Moll Doppelkonzert den Ton an.

William Garfield Walker
Wiener Kaiser Orchester

Musikverein Wien, Brahms Saal, 14. Juli 2024

von Jürgen Pathy

„Byron, so wie Lord Byron“, stellt sich der junge Asiate neben mir vor. Pianist sei er, zugleich auch Konzertveranstalter und ein entfernter  Bekannter von William Garfield Walker. Gemeinsam hatten wir zuvor noch unsere Karten gesucht. An der Abendkasse, wo man sie für uns hinterlegt hatte. Ivo Pogorelich habe schon zugesagt für die Konzerte, die er im Eroica-Saal über den Sommer veranstalten möchte.

Touristen, Spiele & Attraktionen – und dennoch viel mehr

Ganz so klingend sind die Namen an diesem Sonntagabend nicht, die ein oder andere positive Überraschung halten sie dennoch parat. Mozarts „Dalla sua pace“, versinkt bei Tenor Valon Imeri zwar noch in einer Überdosis aus Testosteron. Zu viel Kraft, zu wenig „Grazia“, wie eigentlich die Arie verlangen würde. Beim „La donna è mobile“ oder bei „’O sole mio“ fischt der geborene Kosovare schon eher in seinem Teich.

Man kann’s Sängern auch leichter machen, als sie große Arien aus Verdis „Trilogia popolare“ – Traviata, Rigoletto und Troubadour – singen zu lassen, plus Mozarts zerbrechlichstes Arie, die definitiv von einem ganz anderen Stimmfach gesungen werden muss. Als Spinto ist man da definitiv schon herausgewachsen.

Liegt wohl am Konzept des Abends. Mit Argwohn hatte ich’s beäugelt, ich geb’s zu. Erster Satz und Rondo aus Mozarts „Klarinettenkonzert“, dazu eine Arienauswahl aus Verdis Kassenschlagern – riecht alles schwer nach Touristenprogramm. Ist auch schon überall Saisonschluss. Die Wiener Philharmoniker sind in ihrer Sommerresidenz in Salzburg. Die Wiener Staatsoper hatte an diesem Sonntag auch nur zufällig offen. „Ein externes Konzert“, erläutern zwei Billeteuren, während wir die zweite Hälfte des EM-Finales noch am Würstelstand vor der Oper miterleben. Sonst haben auch schon alle „regulären“ Häuser ihre Schotten dicht gemacht.

Let’s fetz in den Sommer mit Mozart

Dass hier aber Musiker von hoher Qualität zu Werke gehen, beweist Christiana Thalassinou an der Klarinette. Viel geschmeidiger, flüssiger, warmherziger, kann man Mozarts Evergreen, bekannt aus „Jenseits von Afrika“, sicherlich nicht spielen. Noch mehr Drama und Power als Olga Czerwinski hätte wohl auch keine andere Sopranistin auf die Bühne gebracht. Nur bei Schuberts „Ständchen“ zeigt sich, dass Oper und Liedgesang zwei Paar Schuhe sind.  Zu „operettenhaft“, zu schrill.

William Garfield Walker ist immer eine Reise wert. Noch viel mehr, wenn er als Dirigent agiert. Vivaldis Doppelkonzert legt er am Cello etwas zaghaft an. Cellistin Liina Leijala schreitet deshalb voran, und beweist, dass man ein Vibrato imaginär bis in die Unendlichkeit ziehen kann. Und das Wiener Kaiser Orchester hinterlässt einen erfrischenden Eindruck. Überhaupt bei Mozarts Symphonie Nr 25, die unter dem Dirigat von Alexej Barer richtig kraftvoll fetzt.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 17. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert