Maestro Hrůšas aufregende Reise durch Osteuropa

Wiener Philharmoniker, Dirigent Jakub Hrůša  Wiener Konzerthaus, 11. Dezember 2025           

Jakub Hrůša © Marian Lenhard

Jakub Hrůša hat im Wiener Konzerthaus eindrucksvoll bewiesen, dass er heute einer der wichtigsten Dirigenten in der sogenannten „Klassikszene“ ist. Und er hat bewiesen, wie großartig absolute Raritäten bei so einem Orchester klingen können.

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Jakub Hrůša

Zoltán Kodály:  Tänze aus Galánta
Béla Bartók:  Der wunderbare Mandarin (Konzertfassung)
Antonín Dvořák:  Die Waldtaube, Symphonische Dichtung
Leoš Janáček:  Rhapsodie für Orchester „Taras Bulba“

Wiener Konzerthaus, 11. Dezember 2025

von Herbert Hiess

Der Maestro zeichnet sich vor allem durch unprätentiöses Auftreten aus; recht bescheiden ist sein Auftreten aufs Podium. Aber wenn er dann oben am Pult steht, erwacht ein faszinierendes Feuer in ihm. Er ist bei diesen selten gespielten Werken hochkompetent. Er und das phantastische Orchester erwecken den Eindruck, als ob dieses Programm regelmäßig gespielt würde.

Der erste Teil der musikalischen Osteuropareise ist Ungarn gewidmet; angefangen hat das Konzert mit Kodály „Tänze aus Galánta“ – ein durch und durch folkloristisches Werk. Inspiriert wurde der Komponist durch eine „Zigeunerkapelle“ in der Stadt Galánta, die in der heutigen Slowakei liegt; das Stück ist voll mit Elementen der Traditionen der Sinti und Roma.

Das Werk ist vor allem bläserlastig; es beginnt zwar mit einer breiten Cellokantilene – dann kommen aber immer mehr die Holzbläser zum Zuge; auch das Horn ist hier beachtenswert und die Klarinette dominiert in der ganzen Komposition. Die Tänze zeichnen sich hauptsächlich durch elegische Passagen aus.

Und wie die Philharmoniker unter Hrůša gespielt haben, ist eine
(Welt-)Klasse für sich; brillant alle Musiker und vor allem die Holzbläser. Der Klarinettist war einsame Spitze – und das nicht nur bei den Tänzen.

Vor der Pause dann die Suite aus Bartóks „Der wunderbare Mandarin“, wo man sich zeitweise in Strawinskys „Sacre“ versetzt fühlt. Bartók lässt das Werk in einer wilden Passage für das ganze Orchester beginnen. Dem Orchester wird alles abverlangt, was nur möglich ist. Hochvirtuos für die Streicher, natürlich fehlen hier nicht die des Komponisten so beliebten Glissandi.

Das Werk (also das komplette Ballett) wurde wegen der angeblich unmoralischen Handlung weitgehend abgelehnt und weitere Aufführungen am Uraufführungsort Köln untersagt. Daraufhin machte der Komponist daraus eine Konzertfassung, die an diesem Abend zu hören war.

Und auch hier die Philharmoniker wieder in absoluter Bestform; dominiert durch das Blech und das hervorragende Schlagwerk. Und der Dirigent Hrůša wusste genau, wie man musikalische Effekte erreicht, ohne je plakativ zu wirken.

Und nach der Pause setzte sich die Reise in die Heimat Hrůšas fort – nämlich nach Tschechien. Er wurde in Brünn (Mähren) geboren und genoss seine musikalische Ausbildung in seinem Heimatland; hier vor allem durch Jiří Bělohlávek, den leider allzu früh verstorbenen Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie.

Jakub Hrůša und die Philharmoniker verliehen dem fast schon impressionistischen Werk ein Gefühl, als ob man sich mitten in Tschechien aufhalten würde.

Die „Waldtaube“ ist eine Tondichtung von Antonín Dvořák aus der Balladensammlung „Kytice“ (Blumenstrauß) und erzählt von einer jungen Witwe, die einen jungen Mann heiratet und später von einer klagend gurrenden Waldtaube (ihr verstorbener Mann?) verfolgt wird und dann vor lauter Reue den Freitod sucht.

Der Maestro lässt hier die komplette Elegie spüren ohne je kitschig zu werden. Auch hier wieder die Klarinette im Einsatz, die phantastischen Holzbläser und nicht zuletzt Rainer Honeck als Konzertmeister und hervorragenden Solisten.

Als Finalstück die monumentale Rhapsodie „Taras Bulba“ von Leoš Janáček; ein Kriegsstück, das vom Kosaken Taras Bulba und seinen Söhnen Andrej und Ostash handelt.

Janáček erzählte die brutale Geschichte in drei Sätzen; nicht zuletzt wurde der Komponist auch durch das vorige Werk (die Waldtaube) inspiriert. Aber hier kann man die Handschrift Janáčeks nicht verleugnen; nicht selten hört man Elemente aus „Jenůfa“ oder der „Sinfonietta“. Und herausragend hier neben allen anderen Musikern das Violinsolo von Rainer Honeck im ersten Teil.

Auch hier erzeugen die Wiener Philharmoniker einen Klangrausch der Sonderklasse, den man sich noch lange wird merken müssen. Und Jakub Hrůša bewies eindrucksvoll, dass er ein Dirigent von Weltklasse ist.

Herbert Hiess, 12. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

3. Abonnementkonzert, Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Dirigent Musikverein,  Großer Saal, Wien, 7. Dezember 2025

Menuhin Academy Soloists Kammerensemble, Bach Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 9. Dezember 2025

Víkingur Ólafsson, Klavier Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 2. Dezember 2025

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