Foto: © SF / Marco Borelli
Großes Festspielhaus Salzburg, 28. Juli 2021
Wiener Philharmoniker
Franz Welser-Möst, Dirigent
Matthias Goerne, Bariton
Werke von Richard Strauss und Frank Martin
Ein grandioser Auftritt der Wiener Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen. Von vorne bis hinten einfach nur Weltklasse, allen voran die Wiener Bläser. Wienerischer und straussiger wird es nicht: Die Philharmoniker verteidigen mal wieder ihren unangefochtenen Spitzenplatz in der Orchester-Champions-League.
von Johannes Karl Fischer
Mit der Wurst nach der Speckseite: Gleich am Anfang die Rosenkavalier-Suite, die anderswo als Höhepunkt einer ganzen Spielzeit gelten könnte. Erst im Dezember 2019 habe ich dieses Stück mit Christian Thielemann und den Berliner Philharmonikern gehört. Die Berliner – mit ihrem preußisch-disziplinierten Klang, wie es Karl Böhm einst sagte – sind das zweitbeste Orchester der Welt. Aber eben nur das zweitbeste, wovon ich mich jetzt endgültig überzeugt habe. Kein Orchester spielt einen wienerischeren Richard Strauss-Klang als die Wiener Philharmoniker. Wenn sie anfangen, Walzer zu spielen, schwingt gefühlt der ganze Saal mit – nein, die ganze Stadt.
Und dann dieser Wiener Bläserklang: so rund und grandios kann das auch nur mit Wiener Instrumenten klingen. Allen voran die Hörner: Die Hornsoli in der Einleitung klangen nicht trotz, sondern wegen der Wiener Hörner so rund wie sonst nirgendwo. Einzig der Höhepunkt des Schlussterzetts war etwas zu zügig. Orchester und Dirigent waren sich aber wohl einig, dass sie das so wollten. Klang nämlich trotzdem sehr schön.
Zwischen den zwei monumentalen Strauss-Werken waren noch die sechs Jedermann-Monologe, vertont von Frank Martin. Der Jedermann also nicht nur auf dem Domplatz, sondern auch im Festspielhaus. Und über Hofmannsthal auch noch mit dem Rosenkavalier verbunden, wenn auch nur in entfernter Weise. Der perfekte Einschub zwischen zwei Strauss-Werken im Salzburger Festspielhaus.
Musikalisch waren auch die Jedermann-Monologe auf dem gleichen Niveau wie die Rosenkavalier-Suite. Was übrigens sehr schwer zu schaffen ist. Matthias Goerne konnte nicht nur stimmlich überzeugen, er wirkte auch noch, als würde er den Jedermann spielen. Nur halt ohne Inszenierung. Wie eine richtig gute konzertante Oper.
Die spontane Anreise aus Bayreuth hätte sich schon allein für die ersten zwei Stücke gelohnt. Aber das war erst die erste Hälfte. In der Pause ein Almdudler als kulinarische Vorbereitung auf die musikalische Alpenreise (die Frittatensuppe gab’s schon vorher). Natürlich innen und ohne Reservierung. Als ob in den letzten 16 Monaten nichts geschehen wäre. In Deutschland immer noch kaum denkbar.
In der zweiten Hälfte ging es dann erst richtig los. Mit der „Alpensinfonie“, eines der monumentalsten Werke der Musikgeschichte. Und was war das für eine grandiose Interpretation! Musikalische Landschaftsmalerei von vorne bis hinten. Strauss schreibt Eine Alpensinfonie, die Philharmoniker vertonen eine Sommerwanderung am Penser Joch. Und wieder einmal die Bläser: auch in himmlischen Höhen kein einziger schriller Ton zu hören. Es haben keine acht Wiener Hörner und keine vier Wiener Trompeten gespielt, sondern der Verein der Wiener Philharmoniker. Auch die Streicher sollte man hier nicht vergessen. Vor allem die Violinsoli: So gut wie von Rainer Honeck gespielt hört man die nur sehr selten.
Der Höhepunkt des Konzertes war das Gewitter und alles, was danach kam. Ein echtes Gewitter in den Alpen – wie in jedem Gebirge – ist immer nicht ganz ohne. Was hier im Konzertsaal erklang, war aber keine panische Flucht vor dem Unwetter, es war eine grandiose musikalische Malerei eines wundervollen Naturspektakels. Trotz rasanten Läufen in Bläsern und Streichern und paukendem Blech – wortwörtlich auch im Schlagwerk – keine Spur von Angst oder Aggressivität. Selbst aus einer sicheren Almhütte mit Blitzableiter wird man das in echt nie so bewundern können. Schon allein wegen des laut pfeifenden Windes – bei Strauss eine Windmaschine.
Eine solche Aufführung wäre ohne erstklassiges Dirigat unvorstellbar gewesen. Großes Lob also auch an Franz Welser-Möst, der sich erneut als Strauss-Experte behaupten konnte. Eine Kleinigkeit: Vor dem Anfang der Alpensinfonie hätte man ruhig ein, zwei Sekündchen länger Stille klingen lassen können. Dann hätte man sich nämlich in aller Ruhe in die Alpennacht setzen können.
Eines der grandiosesten Konzerte, die ich je erlebt habe. Wienerisch, salzburgisch, und vor allem: Richard Strauss vom allerfeinsten. Die Wiener Philharmoniker festigen sich unangefochten an der Spitze der Orchester-Champions-League. Schade, dass keine Zugabe gespielt wurde. Ein Strauß-Walzer wäre noch sehr passend gewesen.
Johannes Karl Fischer, 29. Juli 2021 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at