Mit Jakub Hrůša durch seine tschechische Heimat

Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša,  Wiener Musikverein, 13. Juni 2021

Wiener Musikverein, 13. Juni 2021

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Jakub Hrůša

Bedřich Smetana: Má Vlast (Mein Vaterland)

Am 23. Juli 2021 feiert der ausgesprochen sympathische und fähige Dirigent Jakub Hrůša seinen 40. Geburtstag. Und gerade noch rechtzeitig dazu konnte er sein gelungenes Debut bei den Wiener Philharmonikern begehen.

von Herbert Hiess

Der Tscheche ist mittlerweile Chefdirigent bei den Bamberger Symphonikern sowie erster Gastdirigent beim Philharmonia Orchestra London und bei der Tschechischen Philharmonie. Zu seinem Wiener Debut brachte der Dirigent das tschechische Referenzstück „Má Vlast“ von Bedřich Smetana mit. Natürlich gibt es gerade in Wien bei dem circa 80-minütigen Werk viele Vergleichsmöglichkeiten; haben doch am gleichen Ort – also im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins – Kapazitäten wie Nikolaus Harnoncourt, James Levine und Daniel Barenboim diese sechs Stücke zur Aufführung gebracht. Nicht zu vergessen Herbert von Karajan; der am gleichen Ort mit diesem Orchester „Die Moldau“ auf Tonträger bannte.

Wie gesagt – Vergleichsmöglichkeiten gibt es demnach genug. Hrůša bestand diese Vergleiche äußerst gut; seine Interpretation bei diesem Konzert war mitreißend und faszinierend.

Da kann man es übersehen, dass einige Teile manchmal recht grob und „ungeschlacht“ klangen. So vor allem die diversen Fugati und vor allem der „Elfenreigen“ aus der „Moldau“. Da hätte man gerne den fast impressionistischen Sternenglanz im Wasser gehört; den Herbert von Karajan bei seiner Aufnahme im gleichen Saal unnachahmlich zum Klingen brachte.

Gerade das Portrait des längsten Flusses Tschechiens hat Wunschkonzertcharakter und wird sehr gerne sehr oft als Einzelstück gebracht. Natürlich haben da die meisten Leute im Publikum einen Vergleich präsent. Und wenn nicht der zu laute „Elfenreigen“ oder andere grob klingende Passagen gewesen wären , hätte Hrůšas Aufführung in diesem Zyklus Denkmalcharakter haben können.

Die Schlusssätze „Tabor“ und „Blanik“ sind absolut genial gelungen; das Fugato im „Tabor“ hätte vielleicht noch mehr Sinnlichkeit vertragen. Das ist aber angesichts des großartigen Konzertes nur „Beckmesserei“ auf allerhöchstem Niveau.

Hrůšas Interpretation war trotz der paar Einwände absolut hörens- und beachtenswert. Mit seiner präzisen und aufmerksamen Schlagtechnik zog  er die Aufmerksamkeit der phantastischen Musiker problemlos auf sich. Großartig die beiden Harfenistinnen, die sich im ersten Teil (Vyšherad) gegenüber saßen und sich die Harfenklänge zuspielten. Phantastisch vor allem Horn, Klarinette, Flöte und Oboe. Äußerst beachtlich auch der Paukist, der sein Instrument beeindruckend erklingen ließ – warum er bei den Finaltakten von „Blanik“ im Triller ein Crescendo spielte, ist unklar. Das steht nicht in der Partitur und passt auch nicht wirklich.

Man kann dem tschechischen Dirigenten also nicht nur zum baldigen Geburtstag, sondern auch zu dem gelungenen Debut gratulieren. Wenn er beispielsweise auch die dreifachen Piani wirklich fast unhörbar erklingen ließe, wäre dies schon verdächtig vollkommen. Aber so hat er hier tatsächlich eine wunderbare Visitenkarte hinterlassen. Das wäre auch eine Empfehlung für unseren Herrn Operndirektor – zumal die Dirgentenliste dort betrüblich uninteressant ist!

Herbert Hiess, 14. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ensemble Modern, David Bennent, Heiner Goebbels, Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Yutaka Sado, Wiener Festwochen 2021

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