Yannick Nézet-Séguin © Pete Checchia
Vielleicht haben einige Leute ob der Verkündung des Dirigenten für das Neujahrskonzert 2026 die Nase gerümpft. Spätestens jetzt nach dieser Konzertserie, die im Wiener Konzerthaus ihren Abschluss fand, können sie das getrost sein lassen. Maestro Nézet-Séguin hat grandios bewiesen, dass er für die Philharmoniker der „Richtige“ ist. Da wird die Neujahrsveranstaltung in besten Händen bei ihm sein.
Ludwig van Beethoven:
Klavierkonzert Nr. 3 c-moll op. 37
Richard Strauss:
Ein Heldenleben. Tondichtung für großes Orchester op. 40
Konzertmeisterin: Albena Dainalova
Solist: Yefim Bronfman
Wiener Philharmoniker
Dirigent: Yannick Nézet-Séguin
Wiener Konzerthaus, 19. März 2025
von Herbert Hiess
Der Franko-Kanadier Yannick Nézet-Séguin ist in Österreich noch ein etwas unbeschriebenes Blatt. Seine Auftritte in unserem Land waren bis dato eher spärlich; mehr als positiv kann man sich an ein Konzert 2014 erinnern (evolver.at || Spitzenorchester in Grafenegg). Auch wurde er zweimal in der Wiener Staatsoper mit Richard Wagner vorstellig; nämlich 2014 und 2016.
Offenbar ist er dann irgendwie aus dem Fokus verschwunden; gut, dass die Wiener Philharmoniker wieder bei ihm angeklopft haben und noch besser, dass sie offenbar größere Pläne mit ihm schmieden. So ist auch diese Konzertserie zu werten, die schon im Rahmen der USA-Tournee 2025 begann und wie oben erwähnt, geht es mit dem Neujahrskonzert 2026 weiter.

Und was für einen guten Griff das Orchester mit ihm gemacht hat, hörte man schon bei Beethovens 3. Klavierkonzert mit dem grandiosen Pianisten Yefim Bronfman. Ein unheimlich technisch versierter Virtuose, bei dem diese aber nie im Vordergrund steht. Subtil geht er den Beethoven an, da perlen die Läufe, dass es eine Freude ist. Großartig die Verzierungen und die Ritardandi, die aufs Feinste mit dem Dirigenten und Orchester abgestimmt sind. Der zweite Satz (Largo) war ein Universum für sich; tief versunken spielte der Pianist diesen großartigen Satz mit seiner eigenen Elegie.

Nach dem Finale gab es verständlicherweise einen Riesenapplaus für den Pianisten, der sich mit der „Revolutionsetüde“ op. 10/12 von Frédéric Chopin bedankte. So virtuos das Werk ist; auch hier stand die Technik nie im Vordergrund. Bronfman spielte das mit einer (vermeintlichen) Selbstverständlichkeit; endlich hörte man das Werk als Musik wieder.
Nach der Pause kam der große Auftritt der Konzertmeistern Albena Dainalova; übrigens war ihr Lebenspartner Rainer Honeck der zweite Konzertmeister. Albena hat mehr als bravourös bewiesen, dass sie völlig zu Recht Konzertmeisterin des Spitzenorchesters ist.
Strauss’ „Heldenleben“ ist eine der großartigsten Tondichtungen, die es gibt; die Violinsolos gehören zu den allerschwierigsten der Konzertliteratur – nicht umsonst sind sie auch gefürchtete Probespielstellen für die Konzertmeisterposition.
Die Tondichtung besteht aus fünf Passagen, wo der zweite Teil („Des Helden Gefährtin“) und der fünfte Teil („Des Helden Weltflucht und Vollendung“) diese wunderschönen Solostellen haben. Richard Strauss’ Tondichtungen haben oft einen Bezug zu seinem Privatleben; auch dieser zweite Teil erzählt von seiner Ehe mit seiner geliebten und gefürchteten Ehefrau Pauline. Albena erfüllte diese mit einem unvergleichlichen Charme, Musikalität und technischer Souveränität. Gemeinsam mit dem Dirigenten zauberten sie ein „Heldenleben“, das man schon lange nicht mehr so gehört hat.
Egal, ob die Blechbläser, die Holzbläser, die beiden Damen an den Harfen (Anneleen Lenaerts und Charlotte Balzereit), die großartigen Streicher und das profunde Schlagwerk (vielleicht hätte man sich von der Pauke mehr Akzente und Attacken gewünscht; es klang dynamisch oft zu limitiert und oft allzu rund) – das Orchester gemeinsam mit dem Maestro ließen keine Wünsche offen.
Die Harfen sollte man extra erwähnen; großartig, wie die beiden Damen im zweiten Teil mit der Konzertmeisterin diese „Liebesszene“ des Helden erklingen ließen.
Alles in allem eines der besten Konzerte in dieser Konzertsaison 2024/2025; das macht richtig Vorfreude auf das Neujahrskonzert, das Yannick Nézet-Séguin sicher mit Bravour meistern wird!
Herbert Hiess, 20. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wiener Symphoniker, Vladimir Jurowski, Dirigent Konzerthaus Wien, 9. Jänner 2025
Giuseppe Verdi, Messa da Requiem Konzerthaus Wien, 7. Dezember 2024
Diesem Trugschluss sind die Philharmoniker in den letzten Jahren immer wieder verfallen.
Wer Wagner, Beethoven und Strauss dirigieren kann, ist deshalb noch lange nicht geeignet, das spezielle Repertoire des speziellsten Konzert des Jahres ANGEMESSEN zu Gehör zu bringen!
Wer schnell laufen und hoch springen kann, ist deshalb noch lange kein ANGEMESSEN guter Walzertänzer.
Es wäre schön, wenn das „österreichische Spitzenorchester“ auf diese Qualitäten Wert legen würde.
Übrigens waren die letzten Operndirigate des Herrn Y an der Met, soweit sie übertragen wurden, keineswegs so großartig, wie die Lobeshymnen glauben machen wollen…
W. Becker