Wiener Konzerthaus, 20. Mai 2021
Wiener Symphoniker
Julian Rachlin, Violine
Omer Meir Wellber, Dirigent
Foto: W. Hösl ©
von Andreas Schmidt
Es ist berührend und berauschend, nach Monaten der Abstinenz wieder erstklassige Musik von erstklassigen Musikern in einem erstklassigen Konzerthaus zu hören. Die Zuhörer an diesem Donnerstagabend waren begeistert. Einziger Wermutstropfen: Kaum Menschen unter 60 Jahren genossen diesen großartigen Abend.
Die Musik an diesem zweiten Abend nach dem „Lockdown“ in Wien war eine Klasse für sich: Sergej Prokofjew (1891 – 1953), Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-moll op. 63 von 1935 (Uraufführung in Madrid). Und ohne Pause weiter: Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975), Symphonie Nr. 6 h-moll op. 54, uraufgeführt am 21. November 1939 in Leningrad (13 Tage vor der Geburt meines Vaters, dem diese Aufführung sicherlich sehr gefallen hätte).
Der Konzertsaal an diesem Abend gehört von der Akustik her zu den besten Konzertsälen der Welt: der Große Saal des Wiener Konzerthauses, erbaut von 1911 bis 1913 unter Kaiser Franz Joseph I. Ein architektonisches Juwel in der an architektonischen Juwelen reichen Hauptstadt der Republik Österreich.
Die Musiker an diesem Abend waren allesamt vom Allerfeinsten: Die Wiener Symphoniker spielten mit solcher Hingabe, als wäre es ihr letztes Konzert. Alle Orchesterteile bestachen durch allergrößte Spielfreude und Präzision.
Der Solist des Abends, Julian Rachlin, spielte auf seiner Violine „ex Liebig“ von Antonio Stradivari wie von einem anderen Stern. Ihm gelang wirklich alles und das mit scheinbar müheloser Leichtigkeit. Bravo!
Der Star des Abends war der Dirigent Omer Meir Wellber, designierter Musikdirektor der Volksoper Wien. Wellber ließ jede einzelne Note spürbar werden. Beide hochkomplexen Werke dirigierte er ohne Partitur und agierte dabei immer wieder wie ein Marathonläufer – mit ganz viel Bewegung und Emotionen. Es war intensiv spürbar, wie enthusiastisch und hingebungsvoll er seinem Beruf nachgeht; er trieb das Orchester zur Höchstleistung an.
JA! So macht Klassik Spaß! Was fehlte, sind leider junge Menschen, die sich von dieser göttlichen Musik anstecken lassen und gerne wiederkommen.
Andreas Schmidt, 21. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Was haben Sie gegen Menschen über 60, dass Sie dauernd darüber klagen, dass diese den Großteil des Publikums bilden?
Ganz schön unverschämt…
Waltraud Riegler
Sehr geehrte Frau Riegler,
ich „klage“ nicht über den hohen Altersschnitt in Konzerthäusern und Opern, ich halte ihn als Journalist nüchtern und sachlich fest, rein beobachtend, rein empirisch – auch als Hinweis für die Veranstalter, die etwas tun müssen, wenn sie überleben wollen.
Ich darf meinen Kommentar von gestern noch einmal sinngemäß wiederholen:
Von Diskriminierung in Bezug auf Alter kann hier keine Rede sein.
Wenn die ZuschauerInnen mehrheitlich 20 – 30 Jahre gewesen wären, hätte ich es auch erwähnt. Das Alter zu erwähnen, ist beileibe nicht diskriminierend. Journalisten sind Chronisten, Beobachter, Zeitzeugen. Sie beantworten alle W-Fragen: Wer, was, wie, wo, wann, warum. Für die LeserInnen ist es sehr interessant und aufschlussreich, welche Altersgruppen bestimmte Konzerte besuchen und ob mehr Frauen oder mehr Männer sich für einen Künstler interessieren.
Herzliche Grüße
Andreas Schmidt, Herausgeber