Foto: Foto: Felix Löchner (c)
Bayerische Staatsoper, München, 1. Dezember 2018
Wolfgang Amadeus Mozart, L. da Ponte, Così fan tutte
Musikalische Leitung – Ivor Bolton
Inszenierung – Dieter Dorn
Bühne und Kostüme – Jürgen Rose
Licht – Max Keller
Chor – Stellario Fagone
Fiordiligi – Federica Lombardi
Dorabella – Angela Brower
Guglielmo – Sean Michael Plumb
Ferrando – Paolo Fanale
Despina – Tara Erraught
Don Alfonso – Paolo Bordogna
Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper
von Raphael Eckardt
Mit Mozarts „Così fan tutte“ steht in München derzeit eine Opernproduktion auf dem Spielplan, die sich nicht nur seit mittlerweile unglaublichen 25 Jahren immerhin sporadisch auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper behaupten kann, sondern auch die letzte Inszenierung des legendären Regie- und Bühnenbildnerduos Dieter Dorn und Jürgen Rose darstellt, die auf selbigem verblieben ist. Dass sich da Bühnenbild und Kostüme durch überwiegend zeitlose Eleganz auszeichnen und dass der von Dorn prägnant kreierte Erzählraum vor allem die individuelle Kreativität des geschulten Opernbesuchers anzusprechen weiß, scheint auf den ersten Blick wenig verwunderlich. Wer nun aber bedenkt, dass Mozarts Musik in Kombination mit da Pontes Texten das wohl schwierigste und leichteste Unterfangen in der klassischen Opernwelt zugleich darstellen, der weiß um diesen Geniestreich, den Dorn und Rose da vor 25 Jahren ihrer Nachwelt hinterlassen haben. Denn Mozarts Musik, als hundertfach aufgeführter und oft „verschandelter“ anwehender musikalischer Gedanke, der so wenig aus dem Kopf geht wie er leicht in ihn hineinkam, fordert nicht nur höchste musikalische Präzision, sondern auch intellektuell fundiertes Regiehandwerk allerhöchster Klasse.
In „Così fan tutte“ hat man da als Regisseur gleich an mehreren Stellschrauben zu drehen: Neben da Pontes geistreichen literarischen Tücken gilt es vor allem gegen aktuelle gesellschaftliche Vorurteile zu bestehen: Die Frauen sind die Schwachen und Untreuen, männliche Ideale werden als unfehlbar und von Grund auf richtig verkauft. Dass der Opernbesucher in Dieter Dorns Inszenierung aus dem Jahr 1993 auf geradezu profunde Art und Weise vom Gegenteil überzeugt wird, hat da (trotz des Inszenierungsalters) zeitlos modernen Charakter. Die weiblichen Protagonisten durchschauen das fiese Spiel ihrer männlichen Mitstreiter von Anfang an: Da braucht es weder Belehrungen über den Zufall der Liebe, noch Anspielungen auf die Nichtsnutzigkeit der Männer. Wenn die an diesem Abend fabelhaft aufgelegte Despina (Tara Erraught) für die Freiheit der Frauen einsteht und hierfür von den beiden herrschaftlichen Damen niederträchtig behandelt wird, zeichnet Dorn ein intelligent-schnippiges Gestenspiel, das über weite Strecken doch sehr allürenhaft wirkt. Als sich Ferrando (Paolo Fanale) dann seinen künstlichen Schnauzer vom Gesicht reißt, bevor er die nun endlich begeisterte Fiordiligi (Federica Lombardi) für sich gewinnen kann, wird auch dem letzten Zweifler klar, dass Dorn da eine Vorform des Feminismus kreiert hat, die in unsere Zeit besser nicht passen könnte. Alles wird da auf das menschliche Maß heruntergebracht und entlastet den Zuhörer angenehm. Chapeau die Herren, das mache Ihnen erst einmal einer nach!
Auch musikalisch ist dieser Abend wahrlich bemerkenswert: Besonders Federica Lombardi weiß als Fiordiligi stimmlich vollends zu überzeugen. Mit beeindruckender (und für Mozarts Musik dringend notwendiger) Leichtigkeit meistert sie auch höchst anspruchsvolle musikalische Passagen. Alles ist von einem gelbgoldenen Glanz umhüllt, der sich in beeindruckender Geschwindigkeit über dem Nachthimmel Münchens auszubreiten scheint. Immer wieder blitzen da warm temperierte Farbtöne auf, die eine schnelle Rückkehr des feurig scharfen italienischen Sommers im in diesen Tagen so winterlichen München anzukündigen wissen. Welch‘ sagenhafte Darbietung, als Lombardi dann mit heuchlerischem Pathos in „Per pietá, ben mio, perdona…“ mit authentischstem stimmlichen Tiefgrund ihren Verlobten um Mitleid und Verzeihung bittet! Die angenehm dunkel gefärbte, zuweilen an einen Mezzosopran heranreichende Stimme von Angela Brower (Dorabella) ist da nicht minder brillant. Weich schimmernde, weinrot gefärbte Samttücher scheinen da nahezu schwerelos durch den Raum der Münchner Oper zu schweben. Immer wieder weben sich da komplex strukturierte Muster ein, um sich anschließend in höchster Spannung eindrucksvoll aufzulösen. Selbiges gilt auch für die faszinierende Darbietung der Despina durch die quirlig-kapriziöse Tara Erraught, die das Publikum mit unverfälschtem juvenilen Charme sofort in ihren Bann zu ziehen weiß. Das, was die weiblichen Protagonisten an diesem Abend abliefern, ist musikalisch von allerhöchstem Niveau. Fabelhaft!
Paolo Fanale als Ferrando weiß vorrangig durch seine frei strömende Stimme und stilvoll liebliche Phrasierung zu begeistern. Besonders „un‘ aura amorosa“ erscheint da wie ein gellender, hoch über der Bühne schwebender Lichtblitz. Alles wirkt frei und voller Hingabe gesungen, dennoch aber stimmlich tragend und keineswegs fragil. Ähnliches gilt für einen an diesem Abend phänomenal aufgelegten Sean Michael Plumb als Gugliemo. Sein mit beindruckend lässiger Eleganz vorgetragener Bariton überzeugt von Beginn an mit unglaublichem Facettenreichtum. Da entsteht eine bunte bergige Herbstlandschaft, die durch fantastisches Detailreichtum zu überzeugen weiß. Feine Verzierungen werden mit höchster Hingabe gesungen, alles wirkt dennoch aus einem Guss und mit goldenem Glanze veredelt. Toll!
Das Bayerische Staatsorchester spielte unter der Leitung von Ivor Bolton mit gewohnter Virtuosität. Transparent, elegant und mit großem Stilgefühl kämpft es sich beeindruckend sicher durch Mozarts musikalischen Dschungel. Mit eher ruhigen und gelassenen Tempi gelingt vor allem eine berührende Interpretation lyrisch-psychologischer Passagen des Werks. Welch‘ wunderbarer Abend!