Großer Premierenerfolg für Herbert Fritsch – Slapstick-„Così fan tutte“ an der Staatsoper Hamburg

Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte,  Staatsoper Hamburg

Foto: Hans Jörg Michel (c)
Staatsoper Hamburg, 8. September 2018
Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte

Inszenierung und Bühnenbild: Herbert Fritsch
Musikalische Leitung: Sébastien Rouland
Fiordiligi: Maria Bengtsson
Dorabella: Ida Aldrian
Guglielmo: Kartal Karagedik
Ferrando: Dovlet Nurgeldiyev
Despina: Sylvia Schwartz
Don Alfonso: Pietro Spagnoli
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

von Sarah Schnoor

Ohne Frage ist Herbert Fritsch ein Meister des Slapsticks, der schrillen Farben und übertriebenen Gesten. So erwartete man für die Eröffnungspremiere an der Hamburgischen Staatsoper großartig Komisches. Gespielt wird Wolfgang Amadeus Mozarts „Così fan tutte“ oder auf Deutsch „So machen es alle“. Das kann man über Fritsch nicht sagen. Seine besondere Regiehandschrift erkennt man sofort. Gleichzeitig ist er auch Bühnenbildner seiner Inszenierung und setzt auf knallige Farben – rot, grün, blau, orange – und ein einziges Bild. Deckenhohe, einfarbig-glänzende Seitenwände, die nach hinten offen sind. Bewegung kommt durch die absenkbare Decke und eine geniale Lichtregie (Carsten Sander) in das Bühnenbild. Farbige Riesenkristalle und ein selbstspielendes Cembalo bieten dem spielfreudigen Ensemble eine Phantasielandschaft zum Austoben.

Das urkomische, aber auch umstrittene Libretto von da Ponte verzauberte Mozart in einen Zweiakter voller komischer Momente. Der Strippenzieher Don Alfonso (Pietro Spagnoli) bringt Guglielmo und Ferrando dazu, der Treue ihrer Verlobten auf den Zahn zu fühlen. Eine Verkleidungskomödie mit Happy End. Der italienische Bass Pietro Spagnoli schleudert herrlich rasante Rezitative heraus. Don Alfonso und seine rechte Hand, die Zofe Despina (Sylvia Schwartz), sind die heimlichen Hauptrollen der Fritsch’schen Slapstick-Komödie. Beide tragen knallrote extravagante Kostüme (Victoria Behr), und auch das irrwitzige Libretto ist auf ihrer Seite. Mit ihrem kecken, kopfigen Gesang und ihrem grandios überdimensionierten Schauspiel entringt besonders Sylvia Schwartz dem Publikum einen Lacher nach dem anderen.

Die Musik kann an diesem Abend mit dem explosiven Farbenspiel auf der Bühne nicht ganz mithalten. Angeführt von Sébastien Rouland spielt das Philharmonische Staatsorchester Hamburg einen soliden Mozart, der mit einer flotten Ouvertüre beginnt, die leider ohne Ziel und Höhepunkt bleibt. Allgemein ist der erste Akt musikalisch eher uninspiriert, und es gibt wenig Szenenapplaus. Viele Rezitative wirken gehetzt. Die arienbegleitenden Klarinetten und Hörner dagegen sind eine Wohltat für die Ohren. Auch sängerisch ist es ein gelungener, aber nicht überragender Premierenabend. Obwohl der Fokus auf der Komödie liegt, gelingen besonders die traurigen Momente im Ensemble, wie das Trio „Soave sia il vento“ („Weht leiser, ihr Winde“).

Die schwedische Sopranistin Maria Bengtsson (Fiordiligi) beeindruckt durch eine unglaublich agile Stimme, die sie leider nur selten ganz zeigt. Mit dünner, luftbehauchter Halbstimme singt sie ihre Arien. Nur ab und zu gibt es einen Ton über dem Pianissimo.

Besonderen Respekt verdient die kurzfristig als Dorabella eingesprungene Ida Aldrian. An ihrem Spiel hätte man es nicht erkannt, und auch stimmlich findet sie sich mit ihrem warmen Mezzosopran immer mehr in die Rolle ein.

Von den Männern glänzt vor allem der Bariton Kartal Karagedik (Guglielmo). Mit seiner abgerundeten Stimme gestaltet er besonders die Pianostellen herrlich emotional. Das gemeinsame Duett mit Dorabella („Oh cambio felice“ – „Welch Glück ohnegleichen“) ist ein szenischer und musikalischer Höhepunkt des Abends.

Haustenor Dovlet Nurgeldiyev (Ferrando) klingt an einigen Stellen etwas bemüht, hat aber eine jugendlich-schöne Stimme, die vor allem im Streit mit Guglielmo zur Geltung kommt. Aberwitzige Momente erzeugen die beiden Liebenden, als sie, verkleidet in Zottelkostümen, mit einer Mischung aus Yeti- und Modern-Talking-Frisuren der Frau des jeweils anderen durch angeblichen Selbstmord ihre Liebe beweisen wollen.

Natürlich wird das ganze Kostümspiel aufgedeckt, die Untreue der Frauen und die List der Männer enttarnt. „Glücklich preis‘ ich, wer erfasset / Alles von der rechten Seite“, singen sie alle gemeinsam. Ein Plädoyer für Humor, lachen statt weinen, halb voll statt halb leer. So endet die Oper mit einem fulminanten Mozart-Finale von Orchester und Ensemble, das schon vor dem letzten Takt von langanhaltendem Applaus übertönt wird. Und auch hier kann Fritsch das Inszenieren nicht lassen. Seine Applausordnungen sind legendär, und so entschlüpft er selbst, stets der Schauspieler, dem Riesenkristall-Souffleurkasten und erntet großen Beifall.

Sarah Schnoor, 9. September 2018, für
klassik-begeistert.de

 

6 Gedanken zu „Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte,
Staatsoper Hamburg“

  1. Haustenor( ?) Dovlet Nurgeldiyev (Ferrando) klingt an einigen Stellen etwas bemüht??????????? 😳
    Sie haben KEINE AHNUNG………!!!
    👎👎👎👎

    Dovlet Nurgeldiyev, Tenor

  2. Lieber Herr Nurgeldiyev,

    herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Erlauben Sie mir den Hinweis,
    dass die Verfasserin des Beitrages über eine außergewöhnliche Expertise verfügt und Stimmen so gut beschreiben kann wie wenige MusikkritikerInnen. Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte, hat klassik-begeistert.de Sie auch schon ganz hervorragend erlebt und beschrieben. Diesmal war es eben gut, aber nicht Extraklasse – das haben auch die Gespräche mit zahlreichen anderen Zuschauern der Premiere bestätigt. Und gestatten Sie mir als Journalist noch eine weitere Bemerkung: Eine herausragende Errungenschaft in diesem Land ist die Presse- und Meinungsfreiheit!

    Ihnen weiterhin alles Gute – beruflich und privat – wünscht
    mit herzlichen Grüßen

    Andreas Schmidt M.A.
    Herausgeber
    klassik-begeistert.de

    https://klassik-begeistert.de/lelisir-damore-gaetano-donizetti-valentina-nafornita-dovlet-nurgeldiyev-hamburgische-staatsoper/

  3. Lieber Herr Schmidt, ich hatte die Rezension von Frau Schnoor auch mit etwas Befremden gelesen. Der Begriff Haustenor hat einen negativen Beigeschmack, neutraler wäre der Begriff Ensemblemitglied. Und was heißt bemüht? In Zeugnissen ausgedrückt hieße das „schlecht“, vielleicht könnte das etwas konkreter ausgedrückt werden, etwas, womit der Bewertete auch konstruktiv etwas anfangen kann. Bei der genannten außergewöhnlichen Expertise der Rezensentin sollte dieser das doch möglich sein. Ich jedenfalls werde diesen Kommentar zum Anlasse nehmen, auch noch eine der Aufführungen zu besuchen, in denen Herr Nurgeldiyev mitsingt (in unserer Aboreihe singt Herr Palchykov). Eigentlich ist Herr Nurgeldiyev immer eine sichere Bank und überhaupt erst der Anlass, um eine Aufführung in der Hamburgischen Staatsoper zu besuchen.

    Ralf Wegner

    1. Sehr geehrter Herr Wegner,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Beim Begriff „Haustenor“ handelt es sich
      um einen ganz vorurteilsfreien, allgemein üblichen Begriff – sowohl in Hamburg
      als auch in Wien. So titelt der KURIER am 21.1.2015 voller Achtung: „Zum Tod von Waldemar Kmentt: Ein Wiener ‚Haustenor‘ von Weltgeltung.“ https://kurier.at/kultur/kammersaenger-waldemar-kmentt-gestorben/109.472.910
      Im Text heißt es: „79 Rollen hat Waldemar Kmentt im Haus am Ring verkörpert; an 1480 Abenden stand er auf der Bühne ’seines‘ Hauses.“
      Und als „schlecht“ hat die Rezensentin Herrn Nurgeldiyev wahrlich nicht kritisiert – Sie waren ja auch nicht in der Vorstellung. Frau Schnoor schreibt: „Haustenor Dovlet Nurgeldiyev (Ferrando) klingt an einigen Stellen etwas bemüht, hat aber eine jugendlich-schöne Stimme, die vor allem im Streit mit Guglielmo zur Geltung kommt. Aberwitzige Momente erzeugen die beiden Liebenden, als sie, verkleidet in Zottelkostümen, mit einer Mischung aus Yeti- und Modern-Talking-Frisuren der Frau des jeweils anderen durch angeblichen Selbstmord ihre Liebe beweisen wollen.“
      Herzliche Grüße
      Andreas Schmidt
      Herausgeber
      klassik-begeistert.de

  4. Sehr geehrter Herr Schmidt,

    in einem Zeugnis würde „bemüht“ einer Schulnote 5 entsprechen. Da ich Herrn Nurgeldiyev selbst schon sehr häufig erlebt habe, zuletzt im hervorragenden Münchner „Orlando Paladino“, kann ich mir diese Bewertung kaum vorstellen. Vielleicht wäre hier eine Formulierung wie „leicht angestrengt“ oder „nicht ganz frei“ (das dürfte ja gemeint sein) doch etwas angebrachter gewesen (wenn dies der Eindruck von Frau Schnoor gewesen sein sollte). Der Begriff „bemüht“ suggeriert eine nicht ausreichende Leistung und dürfte daher von Frau Schnoor nicht wirklich so gemeint gewesen sein.

    Mit besten Grüßen

    Ein stiller Mitleser

    1. Sehr geehrter „stiller Mitleser“,

      die Autorin hat Herrn Nurgeldiyev doch wahrlich nicht mit der Note 5 bewertet. Bitte lesen Sie noch einmal genau – wenn Sie schon Schulnoten bemühen wollen, entspricht das einer 2- … : „Haustenor Dovlet Nurgeldiyev (Ferrando) klingt an einigen Stellen etwas bemüht, hat aber eine jugendlich-schöne Stimme, die vor allem im Streit mit Guglielmo zur Geltung kommt. Aberwitzige Momente erzeugen die beiden Liebenden, als sie, verkleidet in Zottelkostümen, mit einer Mischung aus Yeti- und Modern-Talking-Frisuren der Frau des jeweils anderen durch angeblichen Selbstmord ihre Liebe beweisen wollen.

      Herzliche Grüße
      Andreas Schmidt

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert