Katharina Konradi, Kangmin Justin Kim © Hans Jörg Michel
PREMIERE
Wolfgang Amadeus Mozart
La clemenza di Tito
Staatsoper Hamburg, 28. April 2024
von Harald Nicolas Stazol
Zu Hilfe! Das Capitol, brennt MEGA-mäßig! Ha, aber zum Glück Aller nur hinten im Bühnenbild der Hamburger Staatsoper, wirklich im Hintergrunde, aber ganz schön bedrohlich, 12 Meter breit, das Feuer beginnt zunächst auf einem schwarzen Stuhl, und Kaiser Titus soll auch tot sein! REVOLUTION!!! UMSTURZ!!! MORD UND TOTSCHLAG!
Premiere ist’s! Und alle, wirklich alle sind gekommen, ganz Hamburg gibt sich ein Stelldichein, in „Aanser Panier“, wie es in Wien mal von mir gefordert wurde, also großer Toilette, hier die PR-Chefin einer Top-Agentur, dort der junge, recht bekannte Schauspieler, den ich gleich frage, „Mir gefiehl es sehr gut“ zur Antwort.
Heißumkämpft sind die Karten heute wie nie, ich ergattere zwei direkt unterm Dach, ganz zentral, vierter Rang Balkon, mit etwas Höhenangst, die Kaiserloge, und meinem Mündel Vincent – er ganz jugendvoll begeistert, also mit perfektester Übersicht – aber genug davon, denn nun geht es los!
Mit einer Besetzung, die ihresgleichen sucht, aber so schnell nicht finden wird!
Schon auf Facebook wird dieser Abend mehrfach angepriesen, ist doch der Hauptpart schon mit dem Weltstar Michèle Losier besetzt, der abtrünnige Sesto, der nun wirklich unglaublich toll, singt in allen Lagen mühelos, und zu recht nach jeder Arie mit Klatschen belohnt, genau wie seine kaiserliche Hoheit, der von Meuchelmord bedrohte Titus!
Die Handlung in aller Kürze erklärt, und dem Programmheft entnommen – brillanter und kürzer geht es nicht: „Tito wird Kaiser und muss, der Staatsraison folgend, seine nicht-römische Geliebte Berenice wegschicken. Stattdessen wählt er Servilia, die Schwester seines Freundes Sesto, zur Frau. Vitellia, die Tochter des früheren Kaisers, fühlt sich in ihrem Anspruch auf den Thron zurückgesetzt. Sie stachelt Sesto, der sie liebt, an, Tito zu ermorden. Doch Servilia weist Tito ab, ihr Herz gehört Annio. Als Tito daraufhin Vitellia zur Frau wählt, ist es zu spät. Der Anschlag auf sein Leben ist nicht mehr aufzuhalten, schon brennt das Kapitol. Doch Tito überlebt. Nach und nach wird der Verrat enthüllt. Am Ende entscheidet Tito, Milde walten zu lassen und die Verschwörer zu begnadigen.“
Das Ganze von Kostüm und eben Bühnenbild (Ben Baur) in die Jetztzeit verlegt, mit Anzügen und Twinsets – wobei rein fürs Auge leider nur ein graues Rund für den Palast, ein wenig erhellt durch Neonröhren, recht karg ist, und nicht besonders variiert, was dem Ganzen ein wenig Abbruch verleiht, fürs Auge wird da neben schwarzen Stühlen und grauen Wänden wenig geboten. Sei’s drum, Betonbrutalismus ist ja leider auch, Nonne Signum Aetatis,, wie der Lateiner sagt – ein Zeichen der Zeit, n’est-ce pas? Cogitationis inops subitae; etwas einfallslos, ja auch ein Zeichen der Zeit. Nun gut, bei der überragenden, höchsten Qualität der Stimmen mag dem verziehen sein, als Gnade des Rezensenten, bona cum venia. Aber nur einmal!
Kaiserlich geradezu, in Ausdruck wie Lagen und Arien Bernhard Richter, der den Aufrührern aus der „Clemenza“ ja – für mich ja völlig verständlich, Kopf ab allen! – den Widersachern nun eben aus Freundschaft und Seelenreife verzeihen wird… Begnadet und begnadigt auch Servilia, Katharina Konradi, die sogar die Inszenierung der Zürcher Oper zum Vergleiche nicht scheuen muss! Ach Quatsch: Sie brilliert darüber hinweg – zu recht vom bis an die Decke vollbesetzten, begeisterten Hause geliebt und beklatscht!
Der Chor (Eberhard Friedrich) sowieso – und auch dem Orchester, famos geleitet von Ádám Fischer gelten zu Ende frenetische Ovationen.
Bewundernswert die Gesamtleistung, keine Takt lang nur ein Makel, keine Note schief oder krumm – ich sage ja, Hamburg muss sich vor niemandem verstecken!
Und das schrieb Wolfgang Amadé, das Genie in nur zwei Monaten runter? Ja wann? Schnell nachschlagen: „Die Uraufführung fand am 6. September 1791 im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater Prag aus Anlass der Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen statt.“
Im Ganzen, nun eben in der Hansestadt, ein Triumph – ja, genial!
Harald Nicolas Stazol, 30. April 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
In die „Aanser Panier“ hau’ i mi vü zu selten. I pocks in dem scheenen G’wandl einfach net!
Jürgen Pathy