Europäisches Orchesterwunder hilft dem Dirigenten

ZAUBERHAFTE BELLE ÉPOQUE, European Union Youth Orchestra, Gustav Gimeno, Dirigent  Wolkenturm Grafenegg, 6. August 2022

Foto: Gustavo Gimeno © Marco Borggreve

Wolkenturm Grafenegg, 6. August 2022

ZAUBERHAFTE BELLE ÉPOQUE

Igor Strawinski: „Scherzo fantastique“ für großes Orchester op. 3
Ernest Chausson: „Poème“ für Violine und Orchester op. 25
Camille Saint-Saëns: „Havanaise“ für Violine und Orchester op. 83

Richard Strauss: Suite aus der Komödie für Musik „Der Rosenkavalier“ op. 59
Maurice Ravel: „La Valse“ Poème choréographique pour orchestra


European Union Youth Orchestra

Renaud Capuçon, Violine
Gustavo Gimeno, Dirigent

von Herbert Hiess

Das europäische Jugendorchester existiert schon seit dem Jahre 1976 und wurde im Laufe seiner bewegten fast fünfzigjährigen Geschichte von Taktstocklegenden wie Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, Bernard Haitink geleitet. Mittlerweile hat das Orchester zwei jährliche Residenzen in Grafenegg und ein sogenanntes „Summer Home“, aus dem nach intensiver Probenarbeit von drei Wochen zumeist interessante Konzertprogramme resultieren – die natürlich dann vor Publikum zu hören sind.

Dieses Mal war beim ersten Konzert der spanische Dirigent Gustavo Gimeno mit den jungen Leuten zu erleben. Der ausgebildete Schlagwerker des Concertgebouw Orchesters und spätere Assistent von Mariss Jansons demonstrierte hier seine dirigentischen Fähigkeiten. Übrigens ist er auch der zukünftige Musikdirektor des Teatro Reals in Madrid.

Nun muss man Gimeno schlagwerklich fundierte Fähigkeiten zusprechen; hier konnte er in jedem Stück in jedem Takt wirklich überzeugen. Was aber tatsächlich fehlte, war eine echte interpretatorische Arbeit mit den jungen Musikern aus ganz Europa. Tatsächlich hat der Grafenegger Wolkenturm eine diffizile Akustik, die sich vor allem in einer Dominanz der Blechbläser- und Schlagwerkklänge äußern, während dann naturgemäß vor allem in den Tuttistellen die Streicher unterzugehen drohen.

Das war hier tatsächlich bei einigen Stücken der Fall; vor allem im Finalstück „Rosenkavalier“-Suite. Da hätte man sich beim Schlussterzett eine echte erarbeitete Ausgewogenheit der Bläser und Streicher gewünscht; so ging leider in der Schlusssteigerung des Stückes der emotionale Effekt verloren.

Auch in Ravels „La Valse“, der Fast-Parodie des Wiener Walzers, gingen gewisse Effekte verloren; vor allem stimmte das Zusammenspiel der Pauke, Kontrabässe und Bassklarinette zum Beispiel rhythmisch hervorragend – die Ravelsche Eigenart der Parodie war kaum spürbar.

Dafür gelang das Scherzo von Strawinski hervorragend; da bewiesen vor allem die Holzbläser und die Streicher eine enorme Virtuosität. Das Frühwerk des russischen Komponisten lässt natürlich wie bei vielen seiner Frühwerke die Herkunft hören. Hier konnte man schon hören, was in den jungen Musikern steckt.

Die beiden Soloviolinstücke wurden phantastisch von Renaud Capuçon interpretiert. Der Bruder des ebenso weltbekannten Cellisten Gaultier steht ihm um überhaupt nichts nach. Mit einem berührenden und berückenden Ton brillierte der Geiger sowohl bei den melancholischen als auch virtuosen Stellen der Werke. Phantastisch vor allem die Habanera bei Saint-Saëns „Havanaise“. Als Zugabe spielte der Solist die Méditation aus Massenets Oper „Thaïs“ nur mit Soloharfe. Hut ab vor der exzellenten Harfenistin, wie sie gemeinsam mit dem Geiger das Publikum in die Welt der Hetäre Thaïs und dem Mönch Athanaël entführte. Irgendwie trotzdem unverständlich, warum man bei Vorhandensein eines so großen Spitzenorchesters das Werk nicht für das Orchester einstudierte.

Das Konzert war der akustische Beweis dafür, wie wichtig der Dirigent für ein gelungenes Konzert ist – vor allem bei einem Jugendorchester, wo die Leute noch in Ausbildung sind. Daher ist es ein Wunder, wie die in allen Gruppen phantastischen Musiker oft den Dirigenten interpretatorisch auffingen. Vielleicht kann in Zukunft jeder Dirigent darauf mehr Wert legen. Zumal man hier am gleichen Ort schon so singuläre Konzerte wie unter Bernard Haitink und Gianandrea Noseda hören könnte. Letzterer ist am 18. August 2022 hier mit einem interessanten Programm zu hören. Da kann man schon auf Unterschiede hoffen und gespannt sein!

Herbert Hiess, 7. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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