Macht sich der Dirigent Tarmo Peltokoski zum Affen?

1. Abonnement-Konzert, Rachmaninoffs Geniestreich  Bremer Konzerthaus Die Glocke, 24. Januar 2025

Hyung-ki Joo © Julia Wesely

1. Highlight-Abonnementkonzert: Rachmaninoffs Geniestreich

Richard Wagner: Vorspiel zu Lohengrin WWV 75
Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52
Sergej Rachmaninoff:  Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18


Hyung-ki Joo
  Klavier

Tarmo Peltokoski   Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Bremer Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 24. Januar 2025

von Dr. Gerd Klingeberg

Ätherisch gehauchte Streicherharmonien versetzen die Zuhörer in eine verwunschene, längst vergangene Welt.
Die hochemotionalen Legato-Klänge von Wagners Lohengrin-Vorspiel haben – ungeachtet der Störung durch etliche Huster – eine unmittelbar entschleunigende, ruhevolle Wirkung. Dirigent Peltokoski nimmt sich alle Zeit der Welt dazu. Wie ein Tsunami baut sich mittig das gewaltige Tutti effektvoll auf, dann kehrt das Orchester zurück zu geradezu mystisch verklärtem Spiel. Mit der Wirkung, dass der Beifall erst nach einer kurzen Pause des Nachsinnens einsetzt.

Deutlich lebhafter, energischer, schwungvoller startet die Sinfonie Nr. 3 von Sibelius. Das Ensemble wechselt gekonnt zwischen scharf konturierter Darbietung und poetisch feinem, mitunter mindestens dreifachem Pianissimo; immer wieder sind Naturlaute erkennbar, tänzerische Rhythmen schimmern durch. Wie von selbst entstehen aus diesem Klangfarbenreichtum packende Bilder einer herben nordischen Landschaft mit allen ihren Naturschönheiten.

Der Mittelsatz mutet gelegentlich an wie eine uralte Saga, welche anlässlich einer gemütlichen Plauderei am heimischen Kaminfeuer erzählt wird. Satz 3 überzeugt mit überraschenden, sehr sorgfältig und pointiert ausgeführten Motivwechseln, die zu tosendem Ungewitter kumulieren. Einige elegische Passagen bringen erneut Ruhe ins Geschehen, während der Finalpart als bombastisches Donnergetöse imponiert, das stark an das Ende von Sibelius’ grandioser Tondichtung „Finlandia“ erinnert. Die Interpretation der Komposition seines Landmanns durch den jungen finnischen Dirigenten Peltokoski, ebenso auch die Umsetzung durch die Kammerphilharmonie, ist durchweg fesselnd und vollauf gelungen.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen / Tarmo Peltokoski © Daniel Dittus

Hochromantische Inbrunst ohne Gefühlsduselei

Das Schwelgen in wunderschönen Klängen setzt sich auch nach der Pause fort, als Solist Hyung-ki Joo mit pianistischem „Glockengeläut“ Rachmaninoffs wohl berühmtestes Klavierkonzert Nr. 2 einleitet.

Mit ganz viel Bogen gesellen sich die Streicher dazu. Die Abstimmung lässt gelegentlich etwas zu wünschen übrig; dennoch entsteht so etwas wie ‚Großes Kino‘ bei diesem etliche Male auch cineastisch verwendeten Werk.

Eine zunächst noch sanfte Dünung ballt sich zu tosenden Kaventsmännern, die kurz darauf verebben, um erneut bombastische Monsterwellen zu bilden. Der Adagio-Mittelsatz mit seinem ungemein hochgradigen Potenzial romantischer Inbrunst scheint wie aus dem Nichts zu kommen. Joo geht ihn zwar langsam, aber doch eine Spur zu schnell und eher trocken an; wirklich unter die Haut gehendes Sentiment kommt, wenn überhaupt, am ehesten noch in der feinfühlig vorgetragenen Schlusssequenz auf, obwohl auch hier die Wirkung der Pianissimos durch heftiges Gehuste beeinträchtigt wird.

Man vermisst das sanfte Fließen; die starke emotionale Intensität dieses Werkes vermittelt sich nur bruchstückhaft. Der Schlusssatz bietet dem Solisten reichlich Möglichkeiten, seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Was Joo auch tut im schnellen Huschen über die gesamte Tastatur des zeitweise durch die Wucht der Anschläge in leichtes Schwanken geratenden Flügels. Nach der rausschmeißerisch fetzigen Stretta setzt jubelnder Beifall ein.

Eine Zugabe der ganz „besonderen“ Art

Doch das dicke Ende folgt. Nach vermeintlicher Diskussion über eine angeblich ungeplante Zugabe soll Rachmaninoffs 2. Satz wiederholt werden.

Dazu wechseln Peltokoski und Joo die Positionen: Letzterer dirigiert, Peltokoski erweist sich dabei, wie bereits auch bei früheren Gelegenheiten, als vortrefflicher Pianist – bis er anfängt, einen melancholischen Text dazu zu singen, allerdings zunehmend theatral lamentierend, schluchzend, greinend, heulend.

Die Musik bricht schließlich ab, als das gesamte Orchester unter dem einsetzenden Gelächter des Publikums ein kollektives Geflenne veranstaltet: Das Konzert wird zum karnevalesken Happening. Als sei es damit nicht genug mit der Clownerie, ‚diskutieren‘ Peltokoski und Joo über ein nicht gar so trauriges Konzertende. Heraus kommt ein schräges Medley aus Tschaikowskys 1. Klavierkonzert und „Hey Jude“ von den Beatles. Am Ende tanzt Peltokoski, der üblicherweise keinerlei Gewese um seine Person macht, wie ausgeflippt auf dem Klavierhocker, dieweil Joo den Arm zum Viktory-Zeichen emporstreckt.

Im Publikum wird gejohlt, getrampelt; eine Frau neben mir haucht kopfschüttelnd ein fraglos nicht als Kompliment angedachtes „Wahnsinn“.

Die gesamte Aktion wirkt platt, albern und pubertär, sie ist respektlos gegenüber den Komponisten wie auch gegenüber vielen aus dem Publikum; eine derartige Verhohnepipelung konterkariert zudem aufs Heftigste die zuvor exzellente Leistung – und wäre unter Chefdirigent Paavo Järvi wohl gänzlich undenkbar.

Liebe Kammerphilharmoniker, lieber Tarmo Peltokoski, Sie haben es wirklich nicht nötig, sich derart „zum Affen zu machen“!

Tun Sie viel lieber das, was sie am besten können und womit Sie Ihr Publikum seit jeher begeistern und berühren: Machen Sie weiterhin exzellente Musik!

Dr. Gerd Klingeberg, 25. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi, Dirigent Bremer Konzerthaus Die Glocke, 30. November 2024

Jan Lisiecki Klavier, Tarmo Peltokoski Dirigent, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Bremer Konzerthaus Die Glocke, 10. Oktober 2024

CD/Blu-ray-Rezension: Rachmaninoff, Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko klassik-begeistert.de, 14. Februar 2024

CD-Rezension: Rachmaninoff 150, Berliner und Petrenko klassik-begeistert.de, 7. November 2023

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