Davon träumen andere Häuser: Die Wiener Staatsoper ist komplett ausgebucht – Stehplätze werden am Vorstellungstag dreimal so teuer

Präsentation der Spielzeit 2019/2020 ,  Wiener Staatsoper, 3. April 2019

© Michael Pöhn
Wiener Staatsoper, 
3. April 2019
Präsentation der Spielzeit 2019/2020 – Pressekonferenz

von Jürgen Pathy

Gleich vorweg: In der Saison 2019/2020 werden die Besucher der Wiener Staatsoper vergeblich nach Namen wie Jonas Kaufmann oder Elina Garanča suchen. Zumindest Anna Netrebko, die Diva assoluta, konnte für ein Solistenkonzert am 12. Juni 2019 gewonnen werden – Oper: Fehlanzeige.

Weitere Programmhighlights, die Direktor Dominique Meyer, 63, wie immer höchstpersönlich verkündet, enthalten aber andere große Namen wie Piotr Beczala, Juan Diego Flórez und Andreas Schager, und immerhin sechs Premieren – davon zwei Uraufführungen.

Unter der Leitung von Simone Young wird „A Midsummer Night’s Dream“ in einer Neuproduktion zu sehen sein. Unter der Regie seiner Tochter Chiara beehrt Altmeister Riccardo Muti wieder das Haus am Ring für „Cosi fan tutte“. „Un ballo in maschera“ inszeniert Josef Ernst Köpplinger neu.

Beethovens „Leonore“ steht bewusst als „Fidelio“ Urfassung im Programm, weil es so auch „am Plakat der Uraufführung in Wien stand“, fügt der Direktor hinzu. Die Partie des Florestan wird in dieser Neuproduktion einmal kein Heldentenor übernehmen, sondern das deutsche Ensemblemitglied Benjamin Bruns.

Uraufgeführt wird mit „Orlando“ ein Auftragswerk der Wiener Staatsoper an die österreichische Komponistin Olga Neuwirth. Mit der Kinderoper „Persinette“, die ebenfalls im Großen Haus uraufgeführt wird, erblickt ein weiteres Auftragswerk der Staatsoper das Licht der Welt.

In heller Freude erstrahlen dürften alle Wagnerianer angesichts des Casts für den „Ring des Nibelungen“, der ab 15. März 2020 wieder sein Unwesen in der Stadt treiben wird. Ihrem Göttervater in den Plan pfuschen wird Nina Stemme als Brünnhilde. Dieser wiederum wird wieder von Kammersänger Tomasz Konieczny verkörpert, der das Amt des germanischen Gottes in Wien gepachtet zu haben scheint. Als kleines Abschiedsgeschenk an Dominique Meyer, der mit Ende der Saison 2019/20 das Haus verlassen wird, gibt sich Elisabeth Kulman als Fricka in der „Walküre“ wieder ein Stelldichein am Haus.

Und als Draufgabe wird Andreas Schager, einer der gefragtesten Heldentenöre unserer Zeit, als Siegmund zu erleben sein. Nicht sein einziger Auftritt. Auch als Tamino in „Die Zauberflöte“, als Max in „Der Freischütz“, als Florestan im „Fidelio“ – übrigens nicht in der Neuproduktion – , und als Kaiser in „Die Frau ohne Schatten“ wird man den Österreicher endlich öfters an der Wiener Staatsoper zu Gesicht bekommen. Bei der „Frau ohne Schatten“ am Pult stehen wird, wie bereits bei der kommenden Premiere in dieser Saison, wieder Christian Thielemann.

Für den Schwanenritter im „Lohengrin“ wird kein Geringerer als Piotr Beczala das Haus beehren. Die musikalische Leitung unterliegt Valerij Gergiev. Den „Parsifal“ leiten wird Hartmut Haenchen, der bereits 2016 und 2017 das Dirigat des Bühnenweihfestspiels am Grünen Hügel in Bayreuth innehatte.

Ein wenig stolz präsentiert Dominique Meyer die harten Zahlen und Fakten der laufenden Saison. Trotz zweier Vorstellungen weniger als im Vergleichsjahr zuvor konnten die Einnahmen bis zum 2. April 2019 von rund € 23,7 Millionen auf € 25,9 Millionen gesteigert werden. Ein Plus von ungefähr zwei Millionen Euro. Im Vergleich zur Vorsaison erfreut sich das Haus auch eines noch größeren Publikumsansturms. Eine Gesamtbesucherzahl von 419.214 Personen spricht für sich, bedeutet eine Gesamtsitzplatzauslastung von stolzen 99,21 Prozent.

Weniger erfreulich hingegen scheinen die Hiobsbotschaften, die bereits zuvor auf der Homepage der Wiener Staatsoper zu erblicken gewesen sind. Der Stehplatz, eine Institution des Hauses, sieht sich einer grundlegenden Änderung unterworfen. Am Vorstellungstag werden Stehplatzkarten in Zukunft € 10 kosten, anstatt der bisherigen € 3 / € 4. Damit will die Bundestheater-Holding in Zukunft angeblich verhindern, dass Touristen statt der Führungen, die € 10 kosten, sich für die günstigere Variante des Stehplatzes entscheiden.

Für alle „Wiederholungstäter“, die regelmäßig das Haus auf einem Stehplatz besuchen, hat man sich eine Notlösung einfallen lassen. Inhaber der kostenlosen BundestheaterCard können im Rahmen des allgemeinen Vorverkaufs maximal eine Stehplatzkarte – pro Vorstellung, pro Person – an den Kassen oder online bis einen Tag vor der jeweiligen Vorstellung erwerben. Der Preis beträgt dann wie bisher € 4 und € 3. Ob das kritische Wiener Fußvolk sich davon beruhigen lassen wird, steht in den Sternen.

Zumindest Ballettchef Manuel Legris dürfte mit den höchst erfreulichen Zahlen der bisherigen Saison zufrieden sein. Eine Besucherauslastung von 99,88 Prozent alleine für die Ballettvorstellungen übertrifft sogar die Zahl der reinen Opernvorstellungen, die sich mit 99,37 Prozent Auslastung auch nicht verstecken muss.

Hoffen wir, dass Dominique Meyer das Haus am Ende der Saison 2019/20 genauso erfolgreich – zumindest wirtschaftlich – an seinen Nachfolger Bogdan Roščić übergeben können wird. Immerhin wird seine 10-jährige Ära mit einer Oper ausklingen, bei der es ein Happy End gibt: „Falstaff“ unter der Leitung von Zubin Mehta.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 3. April 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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