Foto: © Marie-Laure Briane
„Die Botschaft haben die zum Teil sehr jungen Zuschauer sofort begriffen. Meine begeisterte Sitznachbarin fragt, warum das Stück nicht heißt: ‚Super-Mario tanzt.‘ Zuschauer erreicht, würde ich sagen. Salome ist in der Gegenwart angekommen.“
Gärtnerplatztheater München, 3. März 2020
Salome tanz (Uraufführung), Ballett von Eyal Dadon
von Barbara Hauter
Der israelische Choreograph Eyal Dadon liebt Videospiele. Und war fasziniert von Oscar Wildes Einakter Salome. Die Story erschien ihm als ein wahrer Plot für ein Computergame. Das ist die Vorgeschichte für sein Debüt als Choreograph im Münchner Gärtnerplatztheater, für das er mit diesen Bausteinen das moderne Ballett „Salome tanz“ inszeniert hat.
Salome – bekannt durch die Oper von Richard Strauss oder von Franz von Stucks Gemälden – ist eine typische Figur des Fin de Siècle. Freuds Theorien sind in intellektuellen Kreisen in aller Munde. Sexualität ist das Thema. Sie wird in Malerei und Bühnenkunst als bedrohliche Kraft, als zerstörerische Lüsternheit dargestellt. Tod und Sexualität sind eng verknüpft.
Wildes Salome ist eine Heranwachsende, die gerade die Wirkung ihrer weiblichen Reize entdeckt. Ihre knospende Sexualität wird begehrt, vor allem von ihrem Stiefvater Tetrarch Herodes. Der gibt eine Geburtstagsparty und wünscht sich von Salome einen Tanz. Sie ist nur bereit, wenn er ihr einen Wunsch erfüllt. Sie tanzt den berühmten lodernd-schwülstigen Tanz der sieben Schleier. Und fordert als Preis den Kopf von Johannes dem Täufer. Der ist Herodes‘ Gefangener und hat sich den Avancen Salomes verweigert. Nun will sie seine toten Lippen küssen. Herodes zögert erst, gibt aber nach und köpft Johannes. Doch auch Salome muss sterben: Herodes tötet angewidert die hemmungslose und todbringende Femme fatale.
Eyal Dadon erzählt die Geschichte neu und modern. Die Figuren Herodes, Jonathan und Salome tauchen auf, doch die Tänzer wechseln die Rollen durch. Es geht ihm um die Gefühle, die sie verkörpern: Sehnsucht, Angst, Stolz, Gehorsam, Treue, Betrug. Weiche fließende Bewegungen zu vorwiegend romantischer Musik von Franz Schecker und Franz Schubert treffen auf eine Videospiel-Ästhetik: Lebendige Körper im Stil gepixelter Avatare treten in Interaktion mit dem Publikum, das sich mit Hilfe von Abstimmungskarten durch sechs Levels spielen kann. „Wer soll sterben? Er oder sie?“, wird abgefragt. Je nachdem, wie viele Zuschauer ein schwarzes Kreuz oder ein weißes O hochhalten, geht die Geschichte weiter.
Statt schwülstiger Triebhaftigkeit serviert Dadon Gewalt. Vielleicht in unserer Zeit das größere und herausforderndere Thema, an Sexualität haben wir uns bereits abgearbeitet. Entsprechend verschwimmt auch die Grenze zwischen weiblich und männlich, Tänzer und Tänzerinnen sind kaum zu unterscheiden, die Pas de Deux ohne Erotik. Dafür heißt es „Mir ist langweilig. Lasst uns töten“. Der Tänzer wird zum Gamer, der andere Tänzer reihenweise abknallt. Immer begleitet von einer Kamera, deren Bilder an die Bühnenrückwand projiziert werden. So entsteht eine zweite Ebene, das Geschehen wird noch mehr zu einem Videospiel, zeigt aber gleichzeitig dem Zuschauer eine zusätzliche Perspektive auf die Tanzenden.
Am Ende werden alle geköpft und auf Level 6 heißt es dann lapidar: „Das ist alles.“ Das Spiel der Tänzer und Zuschauer ist zu Ende und es ist nicht mehr als das: ein Spiel. Die Botschaft haben die zum Teil sehr jungen Zuschauer sofort begriffen. Meine begeisterte Sitznachbarin fragt, warum das Stück nicht heißt: ‚Super-Mario tanzt.‘ Zuschauer erreicht, würde ich sagen. Salome ist in der Gegenwart angekommen.
Barbara Hauter, 03. März 2020, für
klassik-begeistert.de
Dirigat: Michael Brandstätter
Choreografie: Eyal Dadon
Choreografische Mitarbeit: Tamar Barlev
Bühne: Matthias Koch
Kostüme: Bregje van Balen
Licht: Jakob Bogensperger
Video: Thomas Mahnecke, Christian Gasteiger
Dramaturgie: András Borbély T.
TänzerInnen: Guido Badalamenti, Janne Boere, Clara Cafiero, David Cahier, Anna Calvo, Joel Di Stefano, Taylor Drury, Douglas Evangelista, Marta Jaén, Rodrigo Juez Moral, Mikayla Lambert, Serena Landriel, James Nix, Isabella Pirondi, Roberta Pisu, Ariane Roustan, Luca Seixas, Luis Tena Torres, David Valencia, Lieke Vanbiervliet