Foto: Der Dirigent Adam Fischer. © Nikolaj Lund
Alle kennen es sehr gut: Wir essen gerade unter freiem Himmel mit Freunden und plötzlich tauchen ungebetene Gäste auf: Wespen. Sie stören beim Speisen und können auch gefährlich sein. Die polnische Schauspielerin Ewa Sałacka wurde beim Trinken von Orangensaft von einer Wespe in den Mund gestochen. Da sie gegen Wespengift allergisch war, starb sie infolge eines anaphylaktischen Schocks.
von Jolanta Łada-Zielke
Angeblich ist die beste Lösung, die Insekten zu ignorieren. Aber was soll man tun, wenn sie aufdringlich sind und direkt vor unserer Nase herumfliegen? In solchen Momenten versuche ich an das Musikstück „Der Hummelflug“ aus dem dritten Akt der Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“ von Nikolai Rimski-Korsakow zu denken. Hummeln sind sympathischer als Wespen.
Bei meinem ersten Aufenthalt in Bayreuth im August 2003 war es extrem heiß. Eine echte Wespen- und Hornissenplage breitete sich in der ganzen Stadt aus. Im Rahmen des 53. Festivals Junger Künstler fand hier eine Pressekonferenz mit dem polnischen Komponisten, Pianisten, Musiktheoretiker und Pädagogen Krzysztof Meyer und seiner Frau der Musikwissenschaftlerin Danuta Gwizdalanka statt.
Wir alle saßen auf der Terrasse des Jugendzentrums an einem gedeckten Tisch. Als Verpflegung wurden uns belegte Brötchen mit Geflügelschinken und Obstkuchen serviert. Schon zu Beginn der Konferenz kamen etwa fünf Wespen. Irgendwann setzte sich eine auf eine der noch unberührten Brötchenhälften. Das Insekt war eindeutig an dem Geflügelschinken interessiert. Dann flog es los. Ich bemerkte, dass es ein Stück Schinken von der Größe eines Sonnenblumenkerns in seinen beiden Vorderbeinen hielt. Meine Augen mussten zu diesem Zeitpunkt zwei Tellern ähneln. Über dem Tisch fing ich die ebenso fassungslosen Blicke anderer Journalisten auf, als sie dem Insekt folgten. Andere Wespen verhielten sich ähnlich. Nur eine interessierte sich für den Obstkuchen, alle anderen besetzten die Wurst auf den Sandwiches, rissen kleine Stückchen davon ab und flogen weg. Jemand erklärte mir später, dass Wespen, wenn sie ihre Jungen füttern, viel Protein brauchen. Daher zieht es sie eher zu Fleisch als zu Süßigkeiten.
Und wenn eine Wespe als ungebetener Gast am Dirigentenpult erscheint…
Der ungarische Dirigent Adam Fischer hat 2004 den „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth geführt. Während der zweiten Vorstellung der „Walküre“ erlebte er einen Moment des Grauens. Er erzählte mir davon während eines Interviews, das ich mit ihm für den polnischen Rundfunksender RMF Classic und für das Radio Mainwelle in Bayreuth durchführte:
„Es erschien überraschend eine Wespe im Orchestergraben. Das grelle Licht des Lämpchens am Dirigentenpult zog sie an. Und sie begann über meiner Hand zu kreisen! Das war eine höchstgefährliche Situation, weil ich darauf gar nicht reagieren durfte. Wenn ich die Wespe wegzuscheuchen versuchte, und mit meiner Hand eine falsche Bewegung gemacht hätte, wäre das Orchester irritiert und vielleicht hätte es an der Stelle das Tempo verloren und schneller gespielt. Das war sehr, sehr unangenehm, weil ich ruhig bleiben und meine Reflexe stoppen musste. Zwar dauerte das eine halbe Minute, aber dann ist die Wespe weggeflogen. Die Situation war aber brenzlig.“
Jolanta Lada-Zielke, 27. Juli 2020, für
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Jolanta Lada-Zielke, 48, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Zwanzigern und Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.