Foto: © Olya Runyova
von Peter Sommeregger
Es ist sicher ein Zufall, aber im Februar und April dieses Jahres feiern drei der profiliertesten Dirigenten der jüngeren Generation ihren 50. Geburtstag. Neben Kirill Petrenko, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker am 11. Februar und Vladimir Jurowski, Opernchef in München und in Berlin beim RSB am 4. April, vollendet auch Theodor Currentzis am 24. Februar sein 50. Lebensjahr.
Der Lebensweg des exzentrischen Griechen war bisher zumindest ungewöhnlich. In Athen geboren erhält er in seiner Heimatstadt schon als Zwölfjähriger am dortigen Konservatorium Musikunterricht, zunächst im Fach Violine, später als Dirigent. Mit 22 Jahren wechselt er an das Konservatorium im russischen Sankt Petersburg, wo er sein Studium abschließt.Currentzis nimmt ein Angebot aus Sibirien an, und übernimmt 2004 den Posten des Chefdirigenten des Staatlichen Ballett- und Opernhauses in Novosibirsk. Dort gründet er noch im gleichen Jahr das Ensemble MusicAeterna, bestehend aus einem Orchester und Chor, gebildet aus den besten Absolventen russischer Konservatorien. Bis 2010 bleibt er in Novosibirsk und übernimmt 2011 die Chefposition am Opern-und
Balletttheater von Perm, ebenfalls in Sibirien. Dort macht er MusicAeterna zum Residenzorchester und formt diesen Klangkörper zur Meisterschaft. Speziell seine Aufführungen von Mozart-Opern machen seinen Namen über Perm und Sibirien hinaus bekannt.
Als das Label Sony Classical ab 2016 Einspielungen von Mozarts Da Ponte-Opern mit Currentzis und seinem Ensemble herausbringen, polarisieren seine unkonventionellen Interpretationen die Musikwelt, aber die positiven Stimmen überwiegen und Currentzis beginnt sich auch in Westeuropa als Dirigent durchzusetzen. So leitet er bereits ab 2011 das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg als erster ständiger Gastdirigent.
Im Jahr 2019 beendete Currentzis seine Tätigkeit in Perm und übersiedelte mit seiner MusicAeterna nach Sankt Petersburg. Seit der Saison 2018/19 amtiert er auch als Chefdirigent des SWR Sinfonieorchesters. Mit seinen beiden Orchestern ist er ein gern gesehener Gast auf sämtlichen internationalen Konzertpodien, zum Teil hoch umstritten, aber immer auf höchstem Niveau spielend. Seltsam mutet es an, dass er sein Orchester immer im Stehen spielen lässt, möglicherweise will er damit die Konzentration der Musiker verstärken. Bei einer großen Symphonie von Mahler oder Schostakowitsch sicherlich ein physischer Kraftakt.
Seit 2017 ist Currentzis regelmäßig zu Gast bei den Salzburger Festspielen. 2017 leitete er eine radikal ungewöhnliche Produktion von Mozarts „Tito“, in den Folgejahren einen Beethoven-Zyklus und 2021 einen ebenfalls kontrovers aufgenommenen „Don Giovanni“. Currentzis probt mit seinen Orchestern bis zur Erschöpfung und gibt sich erst zufrieden, wenn seine Klangvorstellung erreicht ist. Bezeichnend ist die Entstehung seiner noch in Perm produzierten Giovanni-Aufnahme für Sony: die Oper war komplett eingespielt, beim finalen Abhören der Bänder entschied Currentzis jedoch, diese Aufnahme nicht zu veröffentlichen. Er spielte die gesamte Oper mit vollständig ausgetauschter Besetzung noch einmal ein, diese Aufnahme wurde schließlich als letzte Oper seiner Da Ponte-Trilogie von Sony veröffentlicht.
Der drahtig-schlanke Dirigent, der auch zum Schauspieler ausgebildet wurde, ist heute aus dem internationalen Konzertbetrieb nicht mehr wegzudenken, bei aller Polarisierung, für die er sorgt, bewegt er sich doch immer auf dem höchsten künstlerischen Niveau. Künstler wie er sind es, die das Interesse an klassischer Musik wachhalten.
Peter Sommeregger, 23. Februar 2022, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 125: Leontyne Price zum 95. Geburtstag, klassik-begeistert.de
„Künstler wie er sind es, die das Interesse an klassischer Musik wachhalten.“
So ist es!
Jürgen Pathy