Zum Wohle Bayreuths wäre es dienlich, Tomasz Konieczny sänge den Wotan und John Lundgren den Holländer – den hat er ja bereits vergangenes Jahr gesungen, und er kann sich ja verbessern. An Koniecznys Wotan kommt Lundgren nicht ansatzweise vorbei.
Wiener Staatsoper, 21. Mai 2022
Richard Wagner, Das Rheingold
Foto: John Lundgren, © Moklos Szabo
von Andreas Schmidt
Der Wotan an diesem Rheingold-Abend im renommiertesten Opernhaus der Welt ist der Schwede John Otto Lundgren, 53. Er kam als letzter Sänger nach der Vorstellung vor den Vorhang – und bekam nur sehr, sehr ! dezent-höflichen Applaus. Dafür laute Buh-Rufe von mindestens 100 Zuschauern. Leider zu Recht.
Lundgren ist zweifelsohne ein guter Sänger mit vielen Stimmfacetten. Aber er ist kein Wotan. Ihm fehlt das Göttliche, das Machtbesessene, das Abgrund-Tiefe. Schon als Holländer war er in Bayreuth, dem wunderbaren Mekka für Wagner-Kunst, 2021 eine klare Fehlbesetzung.
Seine Stimme ist für einen Wotan viel zu dünn. Sicher: Lundgren singt ohne Fehler, trifft alle Töne perfekt, aber etwas Besonderes, etwas Magisches geht nicht von ihm aus.
Sorry, lieber John Lundgren: Sie sind kein Wotan.
Lundgrens Diktion an diesem Abend war zudem mangelhaft, teilweise war nicht zu verstehen, in welcher Sprache er sang. Ohne die „Lesemaschinen“ in der Wiener Staatsoper war sein Deutsch größtenteils nicht zu verstehen.
Nun…. Dieser John Lundgren soll dieses Jahr auf dem Grünen Hügel den Wotan im neuen Ring des Nibelungen in der Regie von Valentin Schwarz singen. Erstmals am 31. Juli 2022 im „Rheingold“. Wenn er nicht um 100 Prozent zulegt, dürfte er dem größtenteils fachverständigem Publikum in Bayreuth wenig Freude bereiten. Hoffentlich hat dieser zweifelsohne sehr begabte Sänger in Wien beim Ring, Teil 1 = „Das Rheingold“, mit angezogener Handbremse gesungen. Hoffentlich wird er am morgigen Sonntag mit seiner Landsfrau Nina Stemme als Brünnhilde und der weltbesten Wagner-Sopranistin Lise Davidsen (Norwegerin) als Sieglinde aufblühen und in der „Walküre“ zu überzeugen wissen.
Da es in Bayreuth (leider) keine Übertitel oder „Lesemaschinen“ gibt, wäre John Lundgren ab sofort ein sehr guter German Vocal Coach zu empfehlen.
Wenn alles nicht hilft, hätte Festspielleiterin Katharina Wagner, die Urenkelin Richard Wagners, einen Sänger an Bord, der zurzeit beste Wotan der Welt: der polnische Bassbariton Tomasz Konieczny, 50. Er hat in den vergangenen Jahren als Wotan die Wiener Staatsoper zum Kochen gebracht. Er hat im Haus am Ring Maßstäbe gesetzt. Die langen Wotan-Bravi für Konieczny sind legendär – Wotan war und ist seine Paraderolle. Sie machte ihn auch zum Österreichischen Kammersänger.
Bereits im vergangenen Jahr sang Konieczny den Wotan in der konzertanten „Walküre“ berauschend gut und mächtig auf dem grünen Hügel – Katharina Wagner hatte ihn während seines Segelurlaubes in Griechenland einbestellt, nachdem der österreichische Bassbariton Günther Groissböck sie während der Generalprobe nicht einzunehmen vermochte und das Handtuch schmiss – auch vorher hatte er schon geschwächelt, Konieczny war „vorgewarnt“.
Schön für Konieczny, dass er mittlerweile auch der beste Holländer der Welt ist – den darf er jetzt in Bayreuth singen. Legendär ist eine lange Bravo-Salve für Konieczny in der Bayerischen Staatsoper in München am 7. Juli 2021 – der „Fliegende Holländer“ musste nach der genialen Arie „Die Frist ist um“ für knapp 2 Minuten unterbrochen werden, was vollkommen ungewöhnlich für eine Wagner-Oper ist.
Zum Wohle Bayreuths wäre es dienlich, Konieczny sänge den Wotan und Lundgren den Holländer – den hat er ja bereits vergangenes Jahr gesungen, und er kann sich ja verbessern.
Gerne notiert: Der Hamburger Tenor Daniel Behle, 48, sang einen hammer-hammerguten Loge, so gut habe ich die Partie fast noch nie gehört. Perlend klar und so listig wie Loge. Vielen Dank, lieber Herr Behle. Sie wären DIE Idealbesetzung für Bayreuth…. Dort hat der mit einem wunderbaren Timbre gesegnete Sänger schon sehr stattlich den David in den „Meistersingern von Nürnberg“ gesungen.
Andreas Schmidt, 21. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 7. Juli 2021
Richard Wagner, Die Walküre Bayreuther Festspiele, 29. Juli 2021
Richard Wagner, Der fliegende Holländer Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2021
Die Begeisterung für Koniecznys Walküre-Auftritte kann ich nicht teilen. Er mag ein herausragender Sänger sein, aber sein Wotan ist quasi sempre ein donnernder Schwertzerhacker und kein zwischen Macht und Liebe zerrissener Göttervater. „Muss ich verlieren, dich, die ich liebe“ klingt bei ihm wie „Darf ich verlassen, dich, die ich hasse“. Als Telramund, ein hasserfüllter Bösewicht par excellence, kann ich ihn mir sehr gut vorstellen. Aber er ist einfach kein Wotan.
Lundgrens Wotan war 2018 sehr, sehr überzeugend. Ich hoffe, dass er es nochmal zu dieser Höchstform schafft, auch wenn das sehr viel von einem Sänger verlangt ist. Gerne würde ich René Pape — der derzeit wohl beste Wagner-Bass — mal als Wotan hören. Bass und Wotan ging schon beim alten Barenboim/Kupfer/Bayreuth-Ring richtig gut zusammen.
Johannes Fischer