Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele
Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 1. September 2022
Auszüge aus Der Fliegende Holländer, Tannhäuser und Tristan und Isolde
Musik und Libretto von Richard Wagner
Andris Nelsons, Dirigent
Catherine Foster, Sopran
Klaus Florian Vogt, Tenor
von Peter Walter
Die Akustik auf der Bühne auf dem Grünen Hügel ist nicht weniger besonders als im Graben. Was hinten auf der Bühne steht, ist viel besser zu hören als vorne. Das macht auch dem Festspielorchester unter der Leitung von Andris Nelsons zu schaffen. Man merkt, die Bläser müssen drei Dynamiken leiser spielen, können ihre volle Wucht nicht entfalten, sonst müsste man dieses Ereignis als „Konzert für Blaskapelle mit Gesangs- und Streicherbegleitung“ betiteln.
Abgesehen von den immer neuen Herausforderungen dieses Hauses war es ein grandioser Abend mit herausragenden Stimmen. Dabei legte Nelsons mit zwei eher durchwachsenen Holländer-Auszügen los. Die waren – auch für Bayreuther Standards – in Ordnung, mehr aber auch nicht. Oksana Lynivs Meere waren stürmiger, Elisabeth Teiges Ballade bissiger.
Eine 180-Grad Wende gelang dem Gewandhauskapellmeister mit dem Tannhäuser – das war aller feinste Sahne! Was für eine dynamische Differenzierung in der Ouvertüre, die Magie-Momente, die bei Kober fehlten, waren hier einfach verzaubernd. Nelsons fängt sehr langsam an, in der Ruhe liegt die Kraft. Aber statt einer schleppenden, eingeschlafenen Wagner-Ouvertüre à la Celibidache dreht er die Venusberg-Motive so richtig auf, da kriegt man starke Visionen seiner Lieblings-Venus – in meinem Fall Waltraud Meier. Die Tannhäuser-Ouvertüre wird zur Tannhäuser-Sinfonie.
Und das Beste kam noch: Klaus Florian Vogts Tannhäuser. Völlig mühelos sang sich der Dithmarscher Heldentenor durch alle Höhen des Tannhäusers, jene Höhen, mit denen Gould frenetisch kämpfte. Die Rom-Erzählung war überhaupt das Highlight des Konzerts: Wie schon an vielen anderen Häusern verwandelt sich Vogt plötzlich in einen bösen Papst mit nasaler Stimme, bevor er mit aller Wucht seinen eigenen Frust über seine ewige Verdammung auslädt. Ein großer Fehler, Vogt nicht in der nächsten Spielzeit als Tannhäuser zu engagieren!
Eine große Wagner-Tenor-Rolle fehlt ihm noch: der Tristan. Eine Mini-Vorschau, wie das wohl wird, gibt es jetzt schon: In „Oh sink hernieder, Nacht der Liebe“ durfte er Catherine Fosters Isolde begleiten. „Begleiten“ ist hier das richtige Wort: Vogt singt einfach vor sich hin – als wäre er Walther von Stolzing –, die Isolde neben ihm kann endlich mal so richtig glänzen. Dass das die wohl schwerste Tenor-Partie der Welt ist, scheint ihn nicht zu interessieren. Lieber Herr Vogt: It’s Tristan-Time.
Zum Schluss kommt – nach dem Tristan-Vorspiel fast schon obligatorisch – der Liebestod. Die emotionalen Stürme, die hier durchs Haus fegten, waren nochmal mindestens 15 Windstärken wuchtiger als Lynivs Holländer-Orkane! Das lag nicht nur an einem packendem Orchesterklang, der allein das Publikum fest im Griff hatte, sondern vor allem an Catherine Foster. Niemand singt die Isolde so fesselnd, so mitreißend wie diese Ausnahme-Sopranistin. Man fängt an zu weinen, mitzufühlen, obwohl auf der Bühne ja eigentlich gar nix passiert. Ein großes Glück, dass sie nächsten Sommer statt Iréne Theorin die Brünnhilde singt!
Man kann sich fragen, ob man das wirklich braucht, ein „Best-of-Wagner“- Konzert in einem Saal, der dafür akustisch nicht gemacht ist, in einem Haus, in dem stets nur 10 ausgewählte Werke eines einzigen Komponisten gespielt werden. Das Publikum sieht das wohl ähnlich, war doch das Festspielhaus – vermutlich zum ersten Mal je – nicht annähernd ausverkauft! Aber es ist definitiv im Geiste der „Werkstatt Bayreuth“, auch der Alternativbesetzung – die sicherlich keine „Zweitbesetzung“ ist – eine Bühne zu geben. Vielleicht sollte man beim nächsten Konzert mal Rienzi versuchen? Nur so als Idee…
Peter Walter, 2. September 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Lieber Herr Walter,
sind Sie nicht ein bisschen voreilig mit Ihrer Empfehlung „It’s Tristan-Time“ an Herrn Vogt? Lassen Sie den Mann doch erstmal die beiden Siegfriede (falls Sie es vergessen haben sollten: In Zürich im März und November 2023!) singen. Im Übrigen bin ich sicher, dass Herr Vogt sehr genau weiß und abwägt, wann er welche Partien singt, weshalb derartige „Empfehlungen“ an gestandene und erfahrene SängerInnen meiner Meinung nach obsolet sind (auch, wenn sie als Kompliment gedacht sein mögen).
Freundliche Grüße!
Gerda Baumeister