Dieses Orchester, in dem vor allem herausragende deutsche Musiker spielen, spielt nicht Richard Wagner. Es atmet Richard Wagner. Es ist Richard Wagner.
Riga Jurmala Music Festival, 4. September 2021
Fotos: Riga Jurmala Music Festival / Andreas Schmidt (c)
Das Beste von Richard Wagner
„Die Walküre“, 1. Aufzug
3. Aufzug, 3. Szene: „Leb wohl, Du kühnes, herrliches Kind!“
Der Walkürenritt, Vorspiel zum 3. Aufzug (Zugabe)
Andris Nelsons, Dirigent
Bayreuth Festival Orchestra
Klaus Florian Vogt, Tenor
Christine Goerke, Sopran
Günther Groissböck, Bass
von Andreas Schmidt
Richard Wagner in Riga, der zweite Abend in der Lettischen Nationaloper. Schon das Vorspiel zur „Walküre“ holte einen von den Stühlen. Was der lettische Nationaldirigent Andris Nelsons aus dem Bayreuther Festivalorchester herauskitzelte, war von einem anderen Stern. Wenn dann noch ein junger, energetischer 1. Cellist vom Orchester der Deutschen Oper Berlin ein Solo darbietet, das so erdig und bernsteinfarben klingt, dass einem die Tränen kommen, dann sind alle Zutaten für einen außergewöhnlichen Abend in der lettischen Hauptstadt bereitet.
Gänsehautfeeling mit Richard Wagner in Riga.
Der Tenor Klaus Florian Vogt aus Brunsbüttel, Schleswig-Holstein, zeigte fortan, dass es derzeit keinen Wagner-Tenor gibt, der ihm in punkto Hingabe und Präsenz das Wasser reichen kann. Besser als KFV kann man den Siegmund in der Walküre nicht singen. Der Ausnahmesänger zeigte von der ersten bis zur letzten Minute, mit welch einer Vollkommenheit man eine Wagner-Partie abliefern kann.
Keine CD- und keine Youtube-Einspielung kann vermitteln, wie zart, erhaben und rein der Norddeutsche diese Passage aus der zweiten Szene sang:
Nun weißt Du, fragende Frau,
warum ich Friedmund nicht heiße!
Der Atem des lettischen wie internationalen Publikums des bedeutenden Riga Jurmala Musik Festivals stand auch still, als Klaus Florian Vogt diese rührende Stelle zelebrierte:
Winterstürme wichen
dem Wonnemond,
in mildem Lichte leuchtet der Lenz,
auf linden Lüften leicht und lieblich,
Wunder webend er sich wiegt.
Sehr stark präsentierte sich auch die US-amerikanische Sopranistin Christine Goerke an diesem Wagner-Samstag in Riga, der ein Meilenstein für diese wunderbare Hansestadt war, in der Wagner von 1837 bis 1839 als Kapellmeister wirkte. Ihr tieferes Register war von erdiger Erda-Schönheit, im höchsten Bereich brillierte sie facettenreich und feurig als Sieglinde, der Zwillingsschwester Siegmunds – einem Paar, das sich zum Liebespaar hochsingt.
Der Niederösterreicher Günther Groissböck gab als Bass einen außergewöhnlich präsenten und düsteren Hunding – und später, sogar noch ein Quäntchen besser, einen göttlichen Wotan: 3. Aufzug, 3. (Schluss)-Szene: „Leb wohl, Du kühnes, herrliches Kind!“
Lieber Günther, Du musst den Wotan singen – Deine Gotteszeit wird noch kommen, auch nach den unerfreulichen Ereignissen in Bayreuth.
Das Publikum in der ausnehmend schönen Lettischen Nationaloper war vollkommen aus dem Häuschen und bekam von den wahren Helden dieses Abends – dem Bayreuther Festspielorchester, in dem die besten Wagner-Musiker Deutschlands den Ton angeben – noch eine Zugabe kredenzt, die schon am Freitag erklungen war: Den „Walkürenritt“, das Vorspiel zum dritten Aufzug der „Walküre“.
Dieses Orchester, in dem vor allem herausragende deutsche Musiker spielen, spielt nicht Richard Wagner. Es atmet Richard Wagner. Es ist Richard Wagner.
Martin Tison Engström, der Künstlerische Leiter des Riga Jurmala Music Festivals brachte es auf dem Empfang nach dem Ausrufezeichen-Abend auf den Punkt: „Es war uns eine Ehre, dieses wunderbare Orchester, diese herausragenden Solisten und diesen Ausnahmedirigenten in Riga gehört zu haben.“
Andreas Schmidt, 5. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at