Foto: Musikfest Berlin, 220913, Vladimir Jurowski ©PMeisel
Am Ende eines langen, herausragenden Konzertabends jubelnde Begeisterung in der ausverkauften Philharmonie.
Jannis Xenakis
Ais
Béla Bartók
Konzert für Violine und Orchester Nr.1
Gustav Mahler
Symphonie Nr.5
Georg Nigl Bariton
Dirk Rothbrust Schlagzeug
Vilde Frang Violine
Rundfunk Sinfonieorchester Berlin
Vladimir Jurowski, Dirigent
Philharmonie Berlin, 13. September 2022
von Peter Sommeregger
Vladimir Jurowski hatte für seinen Auftritt im Rahmen des Musikfestes Berlin ein kühnes Programm mitgebracht. Gleich drei Werke des 20. Jahrhunderts, wenn auch aus verschiedenen stilistischen Epochen, realisierte er mit seinem Rundfunk Sinfonieorchester auf furiose Weise.
Am Beginn stand „Ais“, eine Komposition des griechischen Komponisten Jannis Xenakis, der vor hundert Jahren geboren wurde. Diese Kantate für großes Orchester, zusätzliches Schlagzeug und Bariton ist ein extrem schwieriges, vielschichtiges Stück, das viel von der Zerrissenheit des Komponisten widerspiegelt . Mit dem Solopart war der Bariton Georg Nigl betraut. Man wusste, dass Nigl ein großartiger Interpret sowohl alter, als auch zeitgenössischer Musik ist. Was man nicht wusste war, dass Nigl über mindestens drei verschiedene Stimmen verfügt.
Die altgriechischen Texte von Homer und Sappho, abwechselnd mit gesangsfremden Lauten wie Bellen, Stöhnen und Indianergeheul angereichert, verlangen dem Interpreten schier Unmögliches ab. Georg Nigl aber siegte auf der ganzen Linie mit ungeheuer modulationsfähiger Stimme, mal im Falsett, mal in seiner natürlichen Baritonstimme. Kongenial begleitet wurde er vom Schlagzeuger Dirk Rothbrust und dem großen Orchesterapparat unter Jurowskis umsichtiger Leitung. Frenetischer, verdienter Jubel nach dieser Spitzenleistung.
Ungleich melodischer, geschmeidiger fiel der zweite Programmpunkt aus. Die norwegische Star-Geigerin Vilde Frang interpretierte höchst virtuos Béla Bartóks erstes Violinkonzert. Dieses Werk, erst 1967 im Nachlass der Widmungsträgerin Stefi Geyer entdeckt, ist die Frucht einer nicht erwiderten Liebe des Komponisten zu der jungen Geigerin. Diese spielte das Werk nie, bewahrte es aber sorgfältig auf. Entsprechend diesem romantischen Hintergrund ist der Charakter des Werkes lyrischer Natur, in melodiösen Wendungen, die offenbar eine Huldigung an Schönheit und Liebreiz der Angebeteten darstellen. Vilde Frang lotet durchaus die emotionale Tiefe des Werkes aus und bestätigt mit ihrem perfekten Spiel ihren Rang als eine der führenden Geigen-Virtuosen ihrer Generation.
Diesen beiden eindrucksvollen und intensiven Werken setzte Jurowski dann mit Gustav Mahlers mächtiger 5. Symphonie noch einen gewichtigen Programmpunkt hinzu. Gustav Mahlers Symphonien sind in diesem Musikfest mehrfach zu hören gewesen, was durchaus repräsentativ für die nachhaltige Verwurzelung dieses Komponisten im heutigen Konzertrepertoire steht.
In dieser 5. Symphonie erleben wir einen umgekehrten dramaturgischen Ablauf. Steht am Beginn ein getragener, tief ernster Trauermarsch, gefolgt von einem wuchtigen, stürmisch bewegten zweiten Teil der so genannten ersten Abteilung, so wendet sich die Grundstimmung der Symphonie mehr und mehr ins Positive. Das Scherzo, allein die zweite Abteilung bildend, kommt noch in eher grimmiger, sarkastischer Form daher, in der dritten Abteilung, unterteilt in ein Adagietto und das abschließende Rondo Finale, gewinnt allmählich eine positive Stimmung die Oberhand, was den zum Zeitpunkt der Komposition der Symphonie glücklichen Lebensumstanden des frisch verheirateten Gustav Mahlers geschuldet sein dürfte. Einmal mehr bewies der Klangkörper des Rundfunk Sinfonieorchesters Berlin, dass es ebenbürtig neben den konkurrierenden Orchestern der Stadt steht. Als Berliner Musikfreund ist man reich gesegnet mit orchestraler Hochkultur.
Am Ende eines langen, herausragenden Konzertabends jubelnde Begeisterung in der ausverkauften Philharmonie.
Peter Sommeregger, 14. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gustav Mahler, Symphonie Nr.2 in c-Moll Philharmonie Berlin, 7. September 2022