"Die Walküre" in Wien: Tomasz Koniecnzy singt als Wotan Weltklasse

Richard Wagner, Die Walküre,  Wiener Staatsoper

Foto: Michael Pöhn (c)
Wiener Staatsoper,
8. April 2018
Richard Wagner, Die Walküre

Adam Fischer, Dirigent
Sven-Eric Bechtolf, Regie
Tomasz Konieczny, Wotan
Iréne Theorin, Brünnhilde
Christopher Ventris, Siegmund
Simone Schneider, Sieglinde
Jongmin Park, Hunding
Michaela Schuster, Fricka
Donna Ellen, Helmwige
Caroline Wenbore, Gerhilde
Anna Gabler, Ortlinde
Stephanie Houtzeel, Waltraute
Ulrike Helzel, Siegrune
Zsuzsanna Szabó, Grimgerde
Bongiwe Nakani, Schwertleite
Miriam Albano, Roßweiße

von Jürgen Pathy

Der Ritt der Walküren begeistert nicht nur eingefleischte Wagnerianer in der Wiener Staatsoper, sondern, seit Hollywood die fanfarenartige Musik im Vietnam-Drama „Apocalypse Now“ monumental in Szene gesetzt hat, auch viele Menschen, die noch nie ein Opernhaus von innen erblickt haben.

Mit dem mittellosen, rastlos durch den Wald irrenden Flüchtling Siegmund hat Richard Wagner eine Figur in die Welt gesetzt, mit der sich der zu dieser Zeit im Schweizer Exil lebende Komponist selbst identifiziert haben dürfte. Der Brite Christopher Ventris, 57, gibt einen soliden Siegmund, mit einem schönen tiefen und mittleren Register, jedoch mit Schwächen in den Höhen, vor allem im Forte-Bereich.

Das sich entfachende inzestuöse Liebesdrama der beiden Halbgötter Siegmund und seiner Zwillingsschwester Sieglinde will keinen besonderen Herzschmerz erzeugen. Trotz einer guten stimmlichen Darbietung der deutschen Sängerin Simone Schneider will man dem unharmonisch wirkenden Bühnenpaar die Leidenschaft nicht so wirklich abkaufen. Das von einem mysteriösen Fremden in die Esche gerammte Schwert Notung wurde auch schon theatralischer entrissen.

Das Pathos steckt viel mehr im wieder einmal großartigen Wotan des Tomasz Koniecnzy, 46, dessen Lieblingswotan „jener aus der Walküre“ ist. Nicht nur der polnische Bassbariton, sondern das ganze Wiener Publikum leidet mit dem alle Höhen und Tiefen durchlebenden Walkürenvater mit, dessen unmenschliche Gesangpartie selbst diesen Götter-Bariton zum Ende hin an die Grenzen des Machbaren treiben: zwei Huster im dritten Aufzug schmälern nicht die Ausnahmeleistung des Parade-Wotans.

Das Gesamtpaket aus Schauspiel, Gesang und charismatischer Bühnenpräsenz des Speer schwingenden Gottes mit überwiegend klarer, Raum erfüllender Stimme hält dem Prädikat WELTKLASSE weiterhin stand. Auch sein unglückliches Weib Fricka findet an diesem Abend in der deutschen Mezzosopranistin Michaela Schuster eine große tragende Stimme.

Alle glücklichen Kartenbesitzer des „Siegfried“ und der „Götterdämmerung“ werden in den Genuss kommen Konieczny noch als Wanderer und als Gunther erleben zu dürfen – „Heil dir, Gunther“!

Der Hunding des jungen Südkoreaners Jongmin Park, 31, ist erfüllt von einem mächtigen, sonoren Bass, dem es nur ein wenig an der deutlichen Aussprache mangelt.

Die Vater-Tochter Beziehung zwischen Wotan und dessen Lieblingstochter Brünnhilde nimmt mit der tragischen Abschiedsszene Leb‘ wohl, du kühnes, herrliches Kind! ihren Lauf. Rührend dargeboten sowohl von Konieczny als auch von der tapferen, dem Göttervater widerspenstigen Walküre Iréne Theorin, 54, die bei ihrem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper zu überzeugen weiß.

Die schwedische Diva, die ihre Ausbildung in der Meisterklasse der großen Wagner-Interpretin Birgit Nilsson genoss, schmeichelt in den tieferen Lagen – vor allem bei den Pianissimi. Aufgrund der langen Zusammenarbeit mit Maestro Adam Fischer, 68, bei dessen Wagner-Festspielen in Budapest sie regelmäßig die Brünnhilde singt, stimmt die Harmonie zwischen der dramatischen Sopranistin und dem Orchestergraben.

Aus diesem entweichen mal kammermusikalisch zärtliche Liebesgeständnisse, dann gewaltige Tutti-Ausbrüche oder ein melancholisch, bezauberndes Cello-Solo. Nur drei junge Hornisten, die sich während des Abends auch immer wieder ungeniert unterhalten, anstatt sich mit Haut und Haar den Walküren zu opfern, hauen – nicht ganz so schmerzhaft wie am „Vorabend“ – öfter daneben.

Nachdem das von Sven-Eric Bechtholf inszenierte gigantische Musikdrama mit einem imposanten, die ganze Bühne erfassenden multimedialen Feuerzauber vorerst sein Ende nimmt, strahlt der schicksalsträchtige Ring weiterhin über der Hauptstadt Wien, die sich nach einem wagemutigen Helden sehnt…

Sichtlich erleichtert diesen dramaturgischen Koloss erfolgreich über die Bühne gebracht zu haben, genießen die Sänger, Sängerinnen und der Wagner-Spezialist Adam Fischer den langanhaltenden, frenetischen Schluss-Applaus samt zahlreicher begeisterter Bravi.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 9. April 2018, für
klassik-begeistert.at

Foto: Michael Pöhn

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