Turbo-Pop des Barock: „Besser geht’s doch gar nicht“ ... in der Elbphilharmonie

Orchester Wiener Akademie Susanne Langbein/Martin Haselböck  Elbphilharmonie, Hamburg, 18. Oktober 2023

Foto: https://www.susanne-langbein.com

Orchester Wiener Akademie
Susanne Langbein/Martin Haselböck

Werke von Mozart und Haydn

Elbphilharmonie, Hamburg, 18. Oktober 2023

Orchester Wiener Akademie

Susanne Langbein  Sopran
Martin Haselböck    Dirigent

PROGRAMM

Joseph Haydn
Sinfonie D-Dur Hob. I:6 »Le Matin«

Wolfgang Amadeus Mozart
Vorrei spiegarvi / Konzertarie für Sopran und Orchester KV 418

Joseph Haydn                                                        Berenice, che fai / Kantate Hob. XXIVa:10

– Pause –

Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie g-Moll KV 550

von Harald Nicolas Stazol

Vorsicht, Maestro, so geben Sie doch acht, Herr Haselböck, die Musikwelt braucht Sie noch!!! – aber klar, nach der zweiten Zugabe des „Orchester Wiener Akademie“, Turbo-Pop des Barock, kann man schon etwas erschöpft sein:  „Danza degli spettri e delle furie“ – und wie furios wird da losgelegt, auf historischen Instrumenten, so wie es Christoph Willibald Gluck und seine Zeit wollte und sich gedacht hat – und wie Wien und die Welt damals eben noch gehört hat, rasant, rasant, rasanter! Orginal sound also.

Wie eine Furie die Entdeckung des Abends, die Sopranistin Susanne Langbein, die heute vor Hamburg debütiert, und Hamburg – im coup de foudre – nun, es scheint Liebe auf den ersten Blick. Von ihrer Stimme, oh mann, ihre Stimme!

Pudrig wie ihr rosa-seidenes Brokatkleid, raffiniert wie der linke Träger, ein Halbmond aus Glitzersteinen, die der Langbein brillant-strahlenden, dabei stabilen Sangeskünsten, mit stets gleichem Schmelz und leis-beständiger Kraft in wunderbaren Posen und Ausdruck sich hier und heute schon ein Denkmal schafft: „Godsmackingly beautiful“ denke ich, und was für eine blonde Schönheit zudem (in der Hoffnung, dass dies nicht schon wieder als  zu misogyn aufgefasst werden kann?) „Vorrei spiegarvi“, da schraubt sie sich erstmals hoch, irgendwie muss ich gerade an meine Concorde-Flüge denken, und als „Berenice, che fai“, da erbarmt sie und zürnt sie und wütet sie herzzerreißend,  „Halt ein! Lebe! Antigonos soll mich haben, Meinem Herzen zum Trotz eile ich“ – und wenn Antigonos noch alle Amphoren im Schrank hat, nimmt er diese etwas hysterische junge Frau mit Kusshand.

Mir fällt auf, dass die Wunderbare so weit an der Bühnenkante steht, dass sie fast genau unter der Saalkuppel steht, und in diese höchsten Höhen steigen ihre Höhen – a Star is born! Erstmals höre ich in den Heiligen Hallen Indianergejubel „Uiu Uiu“, eine etwas exaltierte Dame bricht in „Bravissimo“ aus, von wegen Hamburger Zurückhaltung – nach Mozart 550, „dada-da dada-da dadadada“ ist eh  schon kein Halten mehr… wirklich er-s-taunlich!

Was uns zum historischen Klang bringt, und auch zu den Tempi: Haydns „Le Matin“, ein Auftragswerk der Esterházy, klingt schon recht eigen – besondere Erwähnung ist der Konzertmeisterin zu zollen, nebst höchstem Respekt vor solcher Kunstfertigkeit, ein Lob, dass man auf alle Streicher, und schließlich alle Instrumentalisten ausweiten kann und muss – eine Besetzungsliste enthält das dennoch hochwertig gestaltete Programm mit Glanzdruck und schwerem Papier leider nicht.

Orchester Wiener Akademie © Andrej Grilc

So stelle man sich keinen dichten Klangteppich vor, sondern ein viel leichteres Ton-Gespinst, es ist, als höre man eher dem Verweben nach, fein und manchmal durchsichtig. Aber markant, wie der Herr an der schwarzen Bratsche gerade beweist im 2. Satz des Mozart, mir fast zu gemächlich, aber darum geht es ja: Wir hören heute Manches viel zu schnell. Beim Menuett scheinen alle zu tanzen vor Mitschwingen und Atmung, das ist nun wirklich höfisch entzückend? Atmung sage ich, weil, wie ich der „New York Times“ entnahm, während eines Konzerts alle Hörenden in einen gleichen Atemrhythmus bringen kann, man hat das untersucht, die Quelle reiche ich nach.

Dass Martin Haselböck eine erstaunliche Vita und ein beeindruckendes Pedigrée vorweisen kann, und ein Dirigat, bald todernst, mal sehr heiter, und immer vollsten Elans, ganz, wie das Werk es verlangt. Erste Zugabe? „Nach Haydn und Mozart passt doch ein Schubert“ heißt es auf Wienerisch vom Pult, und wie der passt. Ich erkenne den Schubert, konnte aber bis Redaktionsschluss nicht bestätigen, welcher erklingt. Applaus, kaum zu steigern.

https://www.wienerakademie.at/martin_haselboeck

„Besser geht’s doch gar nicht“ höre ich vor dem mit Spannung erwarteten Konzert vorne die Ankommenden, auch hinter mir höre ich es, ob der Güte der Plätze, dem zu empfehlenden Block B, Etage 12.

Und mir geht auf, dass dies schon der Slogan des Abends war:

BESSER gings doch gar nicht!

Harald Nicolas Stazol, 20. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

NDR Elbphilharmonie Orchester, Nils Mönkemeyer Viola, Matthias Pintscher Dirigent Elbphilharmonie, 13. Oktober 2023

Orchester Wiener Akademie, Martin Haselböck, Palais Lobkowitz, 23. Februar 2019

Orchester Wiener Akademie, Martin Haselböck, Musikverein Wien

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert