Resound Beethoven im Palais Lobkowitz: An diesen Klang kann ich mich nur schwer gewöhnen!

Orchester Wiener Akademie, Martin Haselböck,  Palais Lobkowitz, 23. Februar 2019

Foto:  Orchester Wiener Akademie © Andrej Grilc
Palais Lobkowitz, 
23. Februar 2019
Resound Beethoven

Orchester Wiener Akademie
Martin Haselböck, Dirigent

Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester (Triplekonzert), op. 56
Alexei Lubimov, Klavier
Ilia Korol, Violine
Pavel Serbin, Violoncello

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 in Es-Dur, op. 73
Gottlieb Wallisch, Klavier

von Jürgen Pathy

Es lebe die Monarchie! Treffender könnte man den Streifzug durch die Kaiserstadt Wien am letzten Samstagabend nicht umschreiben. Vorbei an den Beethoven‘ schen Gedenkstätten – der Alserkirche, dem Pasqualatihaus – und entlang der prunkvollen Ringstraßenbauten führt der Zug der Zeit ins barocke Palais des Fürsten Lobkowitz.

In diesen imperialen Hallen, in denen bereits der Wiener Kongress tanzte, sitze ich nun. Dicht gedrängt in unbequeme Stühle, umgeben von einer Schar geladener Gäste. Beinahe fühle ich mich schon wie ein Eindringling in eine fremde Welt, in der gnädige Frau gerade noch um Audienz beim Kaiser gebeten und „Küss die Hand, Hochwürden“ gerufen haben, wäre hinter mir nicht ein vertrauter Slang zu vernehmen. „Wer is’n der Haberer?“, tönt es im deftigen Wiener Dialekt, und ich fühle mich wieder tief verwurzelt und am rechten Platz!

Der „Haberer“ ist kein anderer als Martin Haselböck, 64, seines Zeichens künstlerischer Leiter des Orchester Wiener Akademie und an diesem Abend Kapitän dieser Zeitreise. Im Fokus des Österreichers und seines eigens gegründeten Orchesters steht die Erkundung alter Territorien. Anlässlich des bevorstehenden Beethoven-Jahres 2020 begibt sich Resound Beethoven auf historische Entdeckungsreisen. An Schauplätze, an denen Kaiser, Könige & Fürsten dem guten Ludwig van Beethoven bereits die Klinke in die Hand gereicht haben.

Der intime Eroica-Saal des Palais Lobkowitz war Schauplatz zahlreicher „Sponsorenkonzerte“, bei denen Beethoven seinem Gönner Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz und dessen Entourage einige Uraufführungen präsentieren durfte. Hier haben die Sinfonien Nr. 4 und Nr. 5 das Licht der Welt erblickt. Ebenso zwei Konzerte, die an diesem Abend einen Resound erleben: Das selten gespielte Triplekonzert, wie auch das berühmte Klavierkonzert Nr. 5, besser bekannt als „Emperor Concerto“, bei dessen Uraufführung im Jahre 1811 kein Geringerer als Erzherzog Rudolph als Solist am Hammerklavier saß.

In Anbetracht dieser beeindruckenden Historie dürfte sich Pianist Gottlieb Wallisch, 40, sicherlich auch in den Adelsstand gehoben fühlen, darf er doch den vakanten Stuhl des Erzherzogs für sich in Anspruch nehmen. Sein perlender, virtuoser Tanz auf dem Hammerflügel (Baujahr 1828) zählt mit Sicherheit zur Krönung eines Abends, der ansonsten musikalisch relativ ernüchternd verläuft.

Bitte nicht falsch verstehen. Es ist ein Privileg, in diese heiligen Hallen einkehren zu dürfen, in denen Beethoven höchstpersönlich noch das Zepter geschwungen hatte. Das birgt einen gewissen Reiz, gewährt interessante Einblicke und vermag auch viel Authentizität zu vermitteln. Akustisch hinterlässt dieser Originalklang-Fetischismus jedoch einen mürben Beigeschmack.

Ein Streicherlegato klingt hier nicht wie ein butterweiches Dahingleiten auf einer Welle, es ähnelt viel mehr einem heißen Tanz auf dem Vulkan. Der Absturz droht nicht nur jederzeit, er vollzieht sich auch in unregelmäßigen Abständen. Konzertmeister Ilia Korol, 50, der an diesem Abend den Solopart des Triplekonzerts übernimmt, hat mit den widerspenstigen Darmsaiten seiner Violine zu kämpfen; Alexei Lubimov, 74, mit dem Hammerklavier, dessen Klang im Triplekonzert an ein verstimmtes Saloon-Piano erinnert; und generell mag sich hier nur wenig Schönklang entfalten.

Trotz einiger aufschlussreicher Erkenntnisse ist und bleibt es ein ernüchterndes Erlebnis. Ob die Desillusionierung nur der Akustik des Ortes geschuldet ist, der historischen Instrumente oder anderweitig zu suchen ist, kann ich ehrlich gesagt nur schwer beurteilen. Eines weiß ich jedoch gewiss: Unabhängig des Schicksals, dass Beethoven damals sowieso nicht mehr im Vollbesitz seiner Hörkraft gewesen ist, würde ich um nichts auf dieser Welt mit ihm tauschen wollen!

Beim Smalltalk am Örtchen, das sogar der Kaiser zu Fuß aufsuchen musste, bringt es ein Herr auf den Punkt: An diesen Klang kann ich mich nur schwer gewöhnen!

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 2. März 2019, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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