Young Woo Kim, Eva Vesin und Andrzej Dobber nach der Tosca-Aufführung am 5. November 2023 in der Hamburgischen Staatsoper, Foto: privat
Giacomo Puccini
Tosca
Staatsoper Hamburg, 5. November 2023
von Jolanta Łada-Zielke
Das Publikum der Hamburgischen Staatsoper spendete großen Beifall den drei Solisten in den Hauptrollen von Puccinis „Tosca“. Die Titelrolle singt die polnische Sopranistin Ewa Vesin. Ihre Partner sind Andrzej Dobber als Scarpia und der koreanische Tenor Young Woo Kim als Cavaradossi. Starke Stimmen, ein hohes Gesangsniveau und lebendig gezeichnete Charaktere trugen zum Erfolg dieses Trios bei.
Die populärste Oper Puccinis führte man in Hamburg zum ersten Mal 1905 auf. In der Inszenierung von 1909 sang die amerikanische Sopranistin Edyth Walker die Titelpartie. Das Publikum der Hansestadt hatte jedoch relativ selten Gelegenheit, „Tosca“ zu sehen: einmal in den 1920er, 1950er und 1960er Jahren und jeweils zweimal in den 1940er und 1980er Jahren. Bis in die 1980er Jahre sang man sie in deutscher Sprache, erst seit 1980 wird Italienisch gesungen. Nun steht eine weitere Wiederaufnahme der Produktion von Robert Carsen aus dem Jahr 2000 an
Das Bühnenbild von Anthony Ward wirkt aus heutiger Sicht altmodisch. Das Innere der Kirche im ersten Akt ist überfüllt mit Stühlen, von denen die meisten leer bleiben. Selbst die Chormitglieder, die das „Te Deum“ singen, nehmen nicht alle Plätze ein. Man kann hier eine Anspielung auf den allmählichen Verlust des Einflusses der Kirche sehen, die sich an die Macht klammert, auch dank solchen Regierungsbeamten wie Scarpia. Nachdem Tosca ihren Verfolger erstochen hat, legt sie kein Kruzifix auf seinen Leichnam, sondern eine der Rosen aus ihrem nach dem Auftritt erhaltenen Blumenstrauß.
Die Kostüme der Charaktere unterstreichen die Universalität der im Libretto erzählten Geschichte, also die gefährliche Verstrickung von Liebe und Politik. Die Kostüme der Wachen und Lakaien erinnern an die napoleonische Zeit, während die Kleidung der Hauptfiguren eher zeitgenössisch wirkt. Tosca erscheint in jeder Szene in einem anderen Kleid, das auch elegante Frauen von heute tragen könnten. Hinzu kommen der schicke Anzug von Scarpia und das etwas legerere, aber ebenfalls gepflegte Outfit des Malers. Nur Angelotti taucht in einer Sträflingskleidung auf.
Obwohl die wichtigsten Emotionen in „Tosca“ Liebe und Lust sind, sehen wir kaum Spuren davon auf der Bühne. Der einzige erotische Akzent ist die entblößte Brust der Maria Magdalena auf dem Gemälde von Cavaradossi. Während des Duetts von Scarpia und Tosca im zweiten Akt entledigen sich beide nur ihrer Oberbekleidung. Die Liebesgeste von Tosca und Cavaradossi ähnelt einer freundschaftlichen Umarmung.
Stattdessen entfachen sich in der vokalen Ebene die Gefühle und die Leidenschaften. Im Vordergrund steht Young Woo Kim in der Rolle von Cavaradossi, der von lyrischer „Recondita armonia“ bis zur hochdramatischen Darbietung der Arie „E lucevan le stelle“ die Herzen des Publikums dauernd bewegt. Der schöne, edle Klang seiner Tenorstimme, die plastische Bewegung der melodischen Linie ist bezaubernd. Der Koreaner schildert hervorragend die Verwandlung eines für weibliche Reize empfänglichen Bonvivants in einen tragischen Helden, der Opfer ungünstiger Umstände wird.
Ewa Vesin sang die Tosca mit Bravour, unbeschreiblicher Tiefe und Charme. Ihre Interpretation war energiegeladen, sowohl in den Eifersuchtsszenen im ersten Akt als auch im zweiten Akt, wenn sie abwechselnd Schmerz, Verzweiflung und schließlich Entschlossenheit zeigt. Ihre zarte Piani und souveräne hohe Töne tragen zum Temperament der Figur bei. In der Arie „Vissi d’arte“ zeigte Vesin stimmliche Brillanz, verbunden mit sängerischer Perfektion. In der letzten Phrase waren die Tränen der unglücklichen Künstlerin, die gezwungen ist, gegen sich selbst zu handeln, um ihren Geliebten zu retten, deutlich zu spüren.
Der von Andrzej Dobber interpretierte Scarpia wirkt ruhig und würdevoll, was den Zynismus und die Grausamkeit seines Charakters noch mehr unterstreicht. Sein voluminöser, von einer scharfen Diktion untermauerter Bariton klingt fast eisig, was in brillantem Kontrast zu Toscas emotionalen Ausbrüchen in ihrer gemeinsamen Szene steht. Nur im Moment des Todes verleiht Scarpia seiner Stimme etwas mehr Dramatik. Der Polizeipräfekt hat in seiner Wohnung ein Gemälde, das mit dem in der Andreaskirche identisch ist, aber die weibliche Figur darauf hat Toscas Züge. Während eines dramatischen Gesprächs mit der Sängerin schneidet Scarpia, erzürnt über ihren Widerstand, das Bild mit einem Messer, mit dem er später selbst getötet wird, durch.
Auch die Darsteller der Nebenrollen präsentieren sich interessant. Ihre Auftritte sind kurz, aber ausdrucksvoll. Chao Deng sang den Angelotti sehr überzeugend. David Minseok Kang als Sagrestano und seine unterwürfige Haltung gegenüber irdischen und übernatürlichen Autoritäten verleihen der Szene in der Kirche etwas Humor. Der an seinem Gürtel hängende Schlüsselbund, mit dem er klappert, erzeugt einen zusätzlichen perkussiven Effekt.
Der Chor der Staatsoper Hamburg klang sowohl auf der Bühne als auch aus dem Off perfekt. Eine kurze Episode mit den Alsterspatzen (Kinder- und Jugendchor der Staatsoper Hamburg) bereicherte die Aufführung mit einer Prise Charme.
Der Dirigent Paolo Carignani serviert dem Publikum ein wahres musikalisches Festmahl. Jede Phrase ist gut überlegt, die Ausdruckskraft angemessen verteilt, von den zarten lyrischen bis hin zu den stark klingenden dramatischen und tragischen Passagen. Der Maestro zeichnet ein ausgezeichnetes klangliches Porträt der „Tosca“, welches die unterschiedlichsten Farben und Schattierungen enthält, und dem italienischen Temperament entspricht.
Dennoch denke ich, dass sich die Hamburgische Staatsoper eine völlig neue Inszenierung von „Tosca“ leisten könnte. Als Journalistin habe ich noch eine Bemerkung: Bei Wiederaufnahmeproduktionen gibt es keine Pressefotos mit der aktuellen Besetzung, die den Rezensenten zur Verfügung stehen sollten. Ein ähnliches Problem hatte ich schon bei der „Entführung aus dem Serail“, wo nur zwei der Darsteller an der früheren und der aktuellen Inszenierung beteiligt waren.
Diesmal gibt es wieder neue Sänger in der Besetzung. Man hätte also neue Fotos machen sollen; und zwar nicht nur für die Kritiker, sondern auch den Sängern zuliebe, denn sie tragen schließlich die Aufführung.
Ich hoffe, dass die Leitung der Hamburger Oper diese Anregung berücksichtigen wird, zumal auch andere KollegInnen dieser Meinung sind. Die Zuschauer schätzen ebenfalls aktuelle Bilder und Biographien der Künstler im Programmheft.
Jolanta Łada-Zielke, 7. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview mit Andrzej Dobber, Bariton Klassik-begeistert.de, 2. November 2023