Das war wohl die spannendste Salome-Inszenierung, die wir bisher sehen durften

Salome, Oper von Richard Strauss  Staatsoper Hamburg, 15. November 2023

Foto: Asmik Grigorian (Salome) (RW)

Nur Herodes hörte Jochanaan wirklich zu, denn er erkannte, dass sich hinter der Maske des wortgewaltigen Mahners mehr verbirgt als ein zirzensischer Unterhaltungsclown. John Daszak faszinierte in der Rolle des Herodes sowohl darstellerisch als auch mit seinem hellen, stets sicher über dem unter Kent Nagano fast durchgehend laut spielenden Philharmonischen Staatsorchester liegend.

Salome, Oper von Richard Strauss

Inszenierung und Bühnenbild: Dmitri Tcherniakov

Staatsoper Hamburg, 15. November 2023

von Dr. Ralf Wegner

Die Inszenierung und das bereits mehrfach beschriebene, nach vorn gezogene und seitlich sowie nach oben eingehauste Bühnenbild hatten es in sich. Im schräg zur Bühne sich entlang streckendem Speisesaal mit opulent gedeckter Tafel und weiten Türen nach hinten und seitlich versammelten sich Herodes Geburtstagsgäste. Das war optisch schon einmal beeindruckend.

Auch Jochanaan (Kyle Ketelsen) war als Gast geladen, beteiligte sich aber nicht an dem allgemeinen Geplauder, sondern amüsierte die Tafelnden mit seinen Tiraden über Unzucht und gottgewollte Strafen. Nur Herodes hörte ihm wirklich zu, denn er erkannte, dass sich hinter der Maske des wortgewaltigen Mahners mehr verbirgt als ein zirzensischer Unterhaltungsclown. John Daszak faszinierte in der Rolle des Herodes sowohl darstellerisch als auch mit seinem hellen, stets sicher über dem unter Kent Nagano fast durchgehend laut spielenden Philharmonischen Staatsorchester liegend. Ich vermisste eine gewisse phonetische Dynamik, wir saßen allerdings auch orchesterakustisch etwas ungünstig in der ersten Loge im ersten Rang. Hinten im Parkett mag man das anders wahrgenommen haben.

Auch Salome erkannte, dass sich hinter dem prüden Gast mehr verbirgt, als es zunächst den Anschein hatte. Sie kennt sich mit der Unzucht aus, war wohl auch ein Missbrauchsopfer ihres Schwiegervaters, zumindest legte das ihr Schleiertanz nahe, der eine willenlose, in sich gekehrte, zum Erdulden bereite junge Frau zeigt. Für sie ist Jochanaan ein Mann wie aus einer anderen Welt. Einer der sie nicht anstarrt wie der Stiefvater oder wie Narraboth (Oleksiy Palchykov), einer der sie und ihre erprobten Verführungskünste ablehnt, sie sogar verflucht und selbst bereit ist, für seine Überzeugung zu sterben.

Salome sieht und erkennt seine körperlichen Makel durchaus, seine Ausgezehrtheit. Dennoch will sie ihn mit Schmeicheleien gewinnen, und verkehrt ihre Bewunderung ins Gegenteil, wenn sie merkt, dass sie damit nichts erreicht. Sie kapriziert sich schließlich auf den Mund des Predigers, der soll für sie zugänglich sein.

Salome will dem heuchlerisch-unzüchtigen Palastleben entfliehen, vor allem ihrer sie nicht schützenden Mutter (Violeta Urmana), aber auch ihre Position als judäische Prinzessin kann und will sie nicht aufgeben. Denn immerhin hat Jochanaan ihr ja einen Rat gegeben, Jesus von Nazareth aufzusuchen, um dort ihren Seelenfrieden zu finden.

John Daszak (Herodes) nimmt den Beifall des Publikums entgegen, links von ihm Violeta Urmana (Herodias), rechts Kyle Ketelsen (Jochanaan), Oleksiy Palchykov (Narraboth) und Jana Kurucová (Page) (RW)

Dazu ist Salome nicht bereit, vielleicht versteht sie in ihrem jugendlichen Alter auch nicht die prophetischen Worte des Predigers und fällt in die tyrannische Attitüde einer Herrscherin über Leben und Tod zurück. Um Jochanaan zu gewinnen, wenn nicht lebend, dann wenigsten tot, ist sie auch bereit, sich noch einmal den Anzüglichkeiten ihres Schwiegervaters zu unterwerfen. Als sie ihren Willen erhält, stirbt sie verzückt im Liebestod.

Asmik Grigorian ist diese Salome. Stimmlich erinnert sie mit ihrem eher weiß-silbrigen Timbre an Anja Silja, die auf dieser Bühne 1980 die Partie der Salome gesungen hatte. Siljas Stimme war vielleicht noch glänzend-strahlender als jene von Grigorian. Aber genau wie Silja überstrahlte Grigorian immer die durchaus hochgepeitschten Orchesterwogen. In der Darstellung der zwischen missbraucht werden und missbrauchen ambivalent pendelnden Fürstentochter war Grigorian allerdings phänomenal, schauspielerisch wie auch vom stimmlichen Einsatz und der stimmlichen Interpretation her.

Ihrer Rolle wird in dieser Inszenierung wohl kaum eine andere Sängerin gerecht werden. Hoffen wir, dass sie in der nächsten Saison wieder als Salome antritt. Dem Hamburger Publikum und offensichtlich auch vielen auswärtigen Gästen wäre dieses zu wünschen. Denn alle Aufführungen dieser Serie waren ausverkauft.

Dr. Ralf Wegner, 16. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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