Vengerovfestival © Wikimedia Commons
Maxim Vengerov Violine
Roustem Saïtkoulov Klavier
PROGRAMM
Clara Schumann
Drei Romanzen für Violine und Klavier op. 22
Johannes Brahms
Scherzo c-Moll für Violine und Klavier / aus: F-A-E-Sonate
Robert Schumann
Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 a-Moll WoO 2
– Pause –
Alexey Shor
Sonate für Violine und Klavier Nr. 1
Sergej Prokofjew
Sonate für Violine und Klavier D-Dur op. 94b Atemlose Stille
Elbphilharmonie, 20. Dezember 2023
von Harald Nicolas Stazol
Was sich diese Clara Schumann für Violine und Klavier ausgedacht hat –geschenkt. Und der Prokofjew? Pustekuchen! Der junge Alexey Shor ist auch nicht ganz ohne Und die dritte (!!!) Zugabe, Rachmaninoff? „Was wollt ihr noch?“- nun er sagt es nicht, aber er könnte es, dieser Diable Violon Maxim Vengerov, stattdessen sagt er, der scheinbar alles kann „ich bin geehrt, in der Elbphilharmonie spielen zu dürfen – was für ein Saal!“
Die Ehre können wir nur zurückgeben.
Aber den Saal haben wir Ihnen doch geradezu gebaut, Herr Vengerov, und ich darf mich vor Ihnen verneigen, so wie Sie sich vor mir verneigt haben, als ich nach dem Prokofjew als Einziger stand.
Sehr geehrter Herr Vengerov, ich muss gestehen: Bis vor drei Tagen hielt ich sie schamerrötend für einen Pianisten – man kann ja nicht alles wissen? – und dann programmiere ich Sie auf YouTube ein, und höre Sie drei Stunden lang auf der Chaiselounge von Bach, Saint-Saëns bis Mozart und ich weiß nicht mehr wem, und alles in den leichtesten Tönen oder Katarakten von reiner, lebendiger Kraft.
Von heute werde ich noch den Söhnen meines Mündels erzählen.
Sie müssen wissen, ich stehe ja auf der Seite von Joshua Bell. Nun sind sie beide für mich in den Ring gestiegen.
Ich halte Sie für ein Genie. Das hört man selten. Ganz selten, nur Sekunden lang, wenden Sie sich von der Geige ab, frontal zum Publikum, aber wann, nur wann? Denn Sie lassen die Noten, die Klänge, die Läufe, schnell, schneller, schnellstens auf uns herabregnen und herabprasseln – ich schnappe bei Robert Schumann dann nach Lüften.
Ich halte alle Musiker für genial. Aber so jemandem wir Ihnen bin ich selten, nein, noch NIE begegnet. (Sergiu Celibidache nehme ich aus.) Nicht nur, dass Sie diese unglaubliche Flageolettes im Doppelgriff, als hätten die Saiten keine Bedeutung, als hätte die Schwerkraft keine, die Noten nicht, so hinzaubern können, dass ich mich mitten im Parkett nur noch zurücklehne und Ihnen, Herr Vengerov, nur noch zusehen kann. Manchmal erhebe ich mein Haupt, die Ränge und beleuchteten Treppen im Rund und der Kuppel um die Menschen zu sehen…
An diesem Abend hört man das Publikum nicht. An diesem Abend – hört man es nicht.
Wir wagen nicht zu atmen, alle Wir, 2000, die diesen Abend wohl nie vergessen werden.
Ich jedenfalls nicht.
Wo beginnen?
Zweimal heben Sie beschwichtigend die Hand zwischen den Sätzen, manche hier sind eben unkundig und klatschen, ansonsten aber, wenn sie den Bogen absetzen, Totenstille, als hielten 2000 Menschen mit Ihnen und für Sie den Atem an.
Herr Vengerov, werter Meister – Meistergeiger nenn ich Sie jetzt noch, primus inter pares – ohnegleichen: und wer beschreibt meine Überraschung.
Als ich Sie auf YouTube finde – ich, wer sonst. Da läuft es mir schon kalt den Rücken runter. Ich denke, der Mann ist der Schnellste seit Heifetz, nomen est omen fällt mir gerade auf.
Wie heißt es über sie im wiederum wunderschön gestalteten Programm, fast Sammlerstück:
„Der 1974 geborene Musiker begann seine Karriere als Soloviolinist im Alter von fünf Jahren, gewann im Alter von 10 bzw. 15 Jahren die internationalen Wettbewerbe Wieniawski und Carl Flesch, studierte bei Galina Tourchaninova und Zakhar Bron, machte seine erste Aufnahme im Alter von 10 Jahren und spielte anschließend zahlreiche Aufnahmen für renommierte Labels wie Melodia, Teldec und EMI ein, für die er unter anderem mit dem Grammy und dem Gramophone Artist of the Year ausgezeichnet wurde.
Im Jahr 2007 trat er in die Fußstapfen seines Mentors, des verstorbenen Mstislav Rostropovich, und wandte sich dem Dirigieren zu. 2010 wurde er zum ersten Chefdirigenten des Gstaad Festival Orchestra ernannt. Im Juni 2014 schloss Vengerov sein Studium am Moskauer Ippolitov-Ivanov-Institut bei Professor Yuri Simonov mit einem Exzellenzdiplom ab und hat seitdem ein weiteres zweijähriges Programm für Operndirigat absolviert.“
Zakhar Bron? Galina Tourchaninova? Ich werde, mein Meister, unter meinen Kollegen einen Preis ausloben, für den, der diese Namen kennt – aber Wieniawski und natürlich Mstislav Rostropovitch, Ihr Meister – wussten Sie um das gleichnamige Institut in Kronberg im Taunus?
Ihr Prokofjew aber lässt mich glauben, Sergej schrieb es für Sie! Das kann man nicht beschreiben, nicht einmal ich.
Ich war jener, der zuerst stand, „Imperator“ rief ich, und sie nickten mir huldvoll zu.
Ich darf Ihnen, mein lieber Maxim, ein frohes Fest wünschen, und auf hoffentlich ganz ganz bald!
Yours very sincerely indeed!
Harald Nicolas Stazol, 21. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Maxim Vengerov, Violine, Polina Osetinskaya, Klavier, Wiener Konzerthaus, 15. November 2021
Gropius Quartett, Camille Thomas, Violoncello Lily Maisky, Klavier Elbphilharmonie, 3. Juli 2022