Drei Frauenstimmen adeln diesen Wiener „Rosenkavalier"

Richard Strauss, Der Rosenkavalier  Wiener Staatsoper, 30. März 2024

Julia Kleiter als Marschallin © Michael Pöhn

Nachdenklich stimmt es, wenn die Marschallin der Zeit nachweint. Dabei ist die an der Wiener Staatsoper mit Julia Kleiter optisch jung & stimmlich ideal besetzt. Axel Kober am Pult zaubert beim „Rosenkavalier“ von Richard Strauss nicht immer. Das glasklare, von Rührseligkeit befreite Dirigat hat dennoch etwas. Perfektes Handwerk, das dem Staatsopernorchester viele Freiräume verschafft.

Richard Strauss, Der Rosenkavalier 

Musikalische Leitung   Axel Kober
Inszenierung   Otto Schenk
Bühne   Rudolf Heinrich
Kostüme   Erni Kniepert


Wiener Staatsoper,
 30. März 2024

von Jürgen Pathy

„Kaum noch jemand da“. Der Eindruck täuscht. Die hohen Temperaturen in Wien haben dem großgewachsenen Mitarbeiter an der Garderobe viel Arbeit erspart. Die Wiener Staatsoper ist bei frühsommerlichen Temperaturen restlos ausverkauft. Wie die Zahlen an diesem Osterwochenende zustande gekommen sind, interessiert nur am Rande. Mogelpartie oder nicht – dieser Frage muss sich vorerst nur der Ochs des Abends stellen.

Ein Ochs aus noblem Hause

Vom Spiel her ist Christof Fischesser natürlich nicht zu vergleichen mit Günther Groissböck, dem Parade-Ochs schlechthin. Der ist allerdings mit wichtigeren Aufgaben in Monsalvat beschäftigt. In der Oster-Parsifal-Serie steht Groissböck gerade als Gurnemanz auf der Bühne.

Fischesser ist als Baron Ochs ein eher nobler Lüstling, der dem Schelm stark Einhalt gebietet. Bin da nicht so enttäuscht, wie manch anderer Besucher. „Fahrlässig“, meinte da ein Gast sogar, „bombensicher“, hingegen jemand aus dem Betrieb der Wiener Staatsoper. Immerhin trägt der Ochs ja einen Adelstitel vor seinem Namen.

Die drei weiblichen Hauptrollen sind kaum besser zu besetzen. Julia Kleiter als Marschallin gleiten die Worte fast spielerisch leicht über die Lippen. Jugendlich zärtlich, mit genügend Durchschlagskraft, wenn erfordert. Optisch gleicht sie sowieso einer anbetungswürdigen Göttin in blond.

Slávka Zámečníková als Sophie trällert sinnlich leicht wie eine Nachtigall. Ein Ensemblemitglied, das jedem den Kopf verdreht. Kein Wunder, dass ihr bei dieser entwaffnenden Stimme der pubertierende Octavian verfällt. Den gestaltet Angela Brower vielleicht etwas unauffällig, dennoch mit einem Mezzosopran ohne Makel.

Ein klassischer Opernabend

Ansonsten alles klassisch. Die Inszenierung von Regie-Urgestein Otto Schenk, der sich wie gewöhnlich als „Partitur-Diktator“ erweist. Klassische Roben, Pastellfarben beim Fußvolk, kräftiges Purpur und Rot beim Adel. Zeitgetreues Bühnenbild, angesiedelt um das Rokoko, 1740 also. So wie von Hofmannsthal im Libretto gewollt.

Das Orchester ebenso im Gleichklang, schwarzer Zweiteiler, dunkle Krawatte, mit weißem Hemd adjustiert. Keine Ausreißer in grauen Westen und Hosen. Die Adjustierung, wenn Teile des Staatsopernorchesters einer Doppelaufgabe bei den Wiener Philharmonikern nachkommen müssten. Konzert im Wiener Konzerthaus oder in ihrer Residenz im Musikverein Wien am Vormittag, abends „Dienst“ in der Wiener Staatsoper.

Axel Kober tanzt dann ebenso wenig aus der Reihe. Schwarzer Frack, weiße Weste. Die bewahrt er sprichwörtlich aber nur in den beiden Schlussakten. Etwas grob, fast schon brachial, gerät das Dirigat im ersten Akt. Selbst die Soloklarinette, die Strauss im Stile von Mozart ausgiebig einsetzt – die hat man schon weicher intonieren gehört. Der Walzer im zweiten Akt aber zuckersüß. Das Ende fast schon verklärt. 1-A-Handwerk, mit wenig Zauber. In Summe definitiv eine Repertoire-Vorstellung der besseren Sorte.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 31. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ein Gedanke zu „Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Wiener Staatsoper, 30. März 2024“

  1. Lieber Herr Pathy,
    „brachial“ zu dirigieren scheint ein Markenzeichen von Axel Kober zu sein. Zwar waren wir nicht im Wiener Rosenkavalier, diese Spielzeit aber in Tobias Kratzers Berliner Arabella (DOB) und in der Turandot (SOH). Das Orchester durfte von Beginn an regelrecht loshämmern und so ging es weiter bis zum Schluss. Was in der Regel dazu führt, dass es ganz schnell langweilig wird. Bei Axel Kober blieb es bis zum Schluss spannungsgeladen – das ist hohe Kunst.
    Herzlichst, Regina König

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