Festspiele Baden Baden 2024, privat
Yannick Nézet-Séguin und Joyce DiDonato harmonieren perfekt am Mahler-Abend in Baden-Baden. Ein wunderbarer Zartklang verströmt sich im Festspielhaus und begeistert das Publikum. Das Chamber Orchestra of Europe überzeugt zum einen als rücksichtsvoller Begleiter und brilliert zum anderen als meisterhafter Gestalter von Mahlers Dynamik.
Yannick Nézet-Séguin
Joyce DiDonato
Chamber Orchestra of Europe
Gustav Mahler: Rückert-Lieder, 4. Sinfonie G-Dur
Sommerfestspiele Baden-Baden, 20. Juli 2024
von Dr. Bianca M. Gerlich
Yannick Nézet-Séguin, Chefdirigent der New Yorker Metropolitan Opera, ist der Dirigent der diesjährigen Sommerfestspiele in der „Sommerhauptstadt“ Baden-Baden („La Capitale d’Été“).
Den Mahler-Abend bestreitet er mit dem Chamber Orchestra of Europe und der amerikanischen Mezzosopranistin Joyce DiDonato. Zwei Stunden sind für Mahler angesetzt, zwei Stunden sanft strömender, aber auch dynamisch ausdrucksstarker Klänge.
Zunächst die fünf Rückert-Lieder: DiDonato gestaltet sie sehr sanft, die leisen Töne überwiegen, es klingt lieblich, mild und hat doch so viel Substanz. Ihre Piano-Stellen gelingen ihr vorzüglich. Mein Favorit ist Nr. 4: „Um Mitternacht“. Welch eine Verzweiflung im ersten Teil dieses Liedes – da wird die Einsamkeit und die Hoffnungslosigkeit ob der Leiden der Menschheit deutlich hörbar, bis dann die Wende kommt, der Lichtblick in der letzten Strophe: „Herr über Tod und Leben. Du hältst die Wacht um Mitternacht!“ DiDonatos Stimme jubelt hier förmlich vor Erlösung aus der zuvor bangen, trüben Stimmung zu bedrückender mitternächtlicher Stunde. Dieses Lied wirkt auch mich wie eine Miniatur der grandiosen 8. Sinfonie.
Das Orchester korrespondiert vorzüglich mit der Sängerin. Es breitet ihr einen wunderbaren Klangteppich aus, um die Lieder in dieser Intensität mit jener unglaublichen Zartheit vortragen zu können. Nie überdeckt das Orchester den Gesang. Nézet-Séguin treibt die leisen Stellen fast auf die Spitze, bis zur drohenden Unhörbarkeit. Es ist einfach herrlich, was für feine Tongebilde dadurch entstehen. Man möchte den Atem anhalten, lauschen und in diesen magischen Traumklängen verweilen.
Nach der Pause gab es dann die 4. Sinfonie, die ebenfalls ruhig und sehr transparent im Klang daherkam, aber auch durch eine variable Dynamik für Spannung sorgte. Nézet-Séguin dirigierte sehr ausdrucksstark und zeichnete mit der linken Hand die Spielweisen der einzelnen Instrumente nach, die er damit anleitete. Das Orchester setzte seine Anweisungen hervorragend um und es ragten immer mal wieder einzelne Instrumente(ngruppen) heraus. Herrlich, wenn es zu den wenigen Forte-Stellen kam! Nach sehr vielen ruhigen Stellen tat das gut.
Nézet-Séguin bedankte sich am Ende fast bei jedem Instrumentalisten persönlich und natürlich auch noch einmal bei Joyce DiDonato, die im letzten Satz ihr „Wir genießen die himmlischen Freuden“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ nicht an der Rampe stehend, sondern hinten links im Orchester vorgetragen hat und sich so in den Klangkörper als eine von vielen eingebracht hat, die zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben.
Zu Recht lang anhaltender, jubelnder Applaus!
Dr. Bianca M. Gerlich, 21. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at