Semyon Bychkov und die Tschechische Philharmonie entzünden ein Feuerwerk im Musikverein

Semyon Bychkov, Dirigent, Tschechische Philharmonie  Musikverein Wien, 2. und 3. März 2025

Semyon Bychkov conducts the Czech Philharmonic (c) Marco Borggreve for the Czech Philharmonic

2 Konzerte der Spitzenklasse im Wiener Musikverein

Beide Konzerte waren Abende der Spitzenklasse für den Musikverein.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Tschechische Philharmonie mit Semyon Bychkov bald wieder in Wien zu hören sein wird.

Musikverein Wien, 2. März 2025

Dmitrij Schostakowitsch:
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur, op. 107
Symphonie Nr. 5 op. 47

Solist: Sheku Kanneh-Mason, Violoncello

Semyon Bychkov, Dirigent
Tschechische Philharmonie

 

Musikverein Wien, 3. März 2025

Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für zwei Klaviere und Orchester Es-Dur KV 365

Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 in cis-moll

Solistinnen: Katia und Marielle Labèque, Klavier

Semyon Bychkov, Dirigent
Tschechische Philharmonie


von Herbert Hiess

Die Tschechische Philharmonie  ist eines der traditionsreichsten Orchester Europas, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Und der aktuelle Chefdirigent Semyon Bychkov hat bei den beiden Konzerten in Wien eindrucksvoll bewiesen, dass die Damen und Herren Musiker in vieler Hinsicht unschlagbar sind.

Tatsächlich muss man weit in den Annalen zurückblicken, um sich an ein phantastisches Konzert mit dem Gustav Mahler Jugendorchester zurückzuerinnern. Am 29. August 1997 spielte damals dieses hervorragende Orchester im Wiener Konzerthaus eindrucksvoll diese fünfte Symphonie von Schostakowitsch.

Und fast 30 Jahre später legte der russisch-amerikanische Dirigent Semyon Bychkov mit jüdischen Wurzeln „noch eins drauf“. Mit seinen tschechischen Philharmonikern gelang dem Maestro eine der beeindruckendsten Wiedergaben seit langem. Das Orchester ist vor allem durch die hervorragenden Holzbläser aber auch durch seine exzellenten Blechbläser bekannt. Streicher und Schlagwerk brauchen sich nicht zu verstecken; gemeinsam vollbrachten sie ein orchestrales Wunder.

Schostakowitschs fünfte Symphonie ist eine sehr heterogene Komposition. Lange lyrische Passagen wechseln sich recht unvermutet mit wilden Märschen und sonstigen Einlagen ab. Großartig das Allegretto, das mit seinem „wilden“ walzerhaften Rhythmen die kriegsmäßige Skurrilität hervorhebt; großartig, wie vor allem die Holzbläser und die Solovioline hier das Trio des Satzes beeindruckend erklingen ließen.

Dem mahlerhaften Largo folgte der wilde Marsch, wo die Pauken den Ton angaben; ein Kompliment den hervorragenden Schlagwerkern des Orchesters.

Nach den Finaltakten und den wohlverdienten heftigen Akklamationen folgte als Zugabe aus Elgars Enigma-Variationen das „Nimrod“ – ein echter Angriff auf die Tränendrüsen, wie Bychkov und die Tschechen das erklingen ließen.

Sheku Kanneh-Mason © John Davis

Vor der Pause spielte der britische Cellist Sheku Kanneh-Mason das Es-Dur Cellokonzert des russischen Komponisten, dass dieser dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch gewidmet hat; dieser spielte dieses Werk auch im Musikverein unter Seiji Ozawa mit den Wiener Philharmonikern.

Schostakowitsch komponierte das Werk in eher ruhigerem und heiterem Stil. Hier sind kaum revolutionäre Tendenzen zu vernehmen.

Der britische Cellist ließ das Werk beeindruckend erklingen; prachtvoll erklangen hier die Kantilenen – auch die markanten Stellen im ersten Satz mit den großartigen Holzbläsern des Orchesters waren eine Qualität für sich.

Bei der Zugabe bewies der hervorragende Cellist seine Qualitäten. Bei dem Prélude IV des britischen Komponisten Edmund Finnis, das kontrapunktartig mit Doppelgriffen über ein Bassthema erklingt, konnte man die großartige Musikalität des Cellisten Kanneh-Mason erkennen.

Auf jeden Fall hofft man auf eine baldige Begegnung mit dem Musiker in Wien.

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Und natürlich darf das „family business“ nicht zu kurz kommen; schließlich ist Maestro Bychkov mit Marielle Labèque verehelicht, der zwei Jahre jüngeren Schwester von Katia Labèque. Diese beiden Damen sind hervorragende Pianistinnen, was sie an diesem Abend im Wiener Musikverein eindrucksvoll bewiesen.

Sie spielten Mozarts wunderschönes Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur KV 365, das man viel zu selten zu hören bekommt.  Das Konzert ist singulär komponiert; für die Solistinnen vollkommen gleichwertig.

Katia und Marielle Labèque © Stefania Paparelli

Sie saßen sich auf den zwei Klavieren vis-à-vis gegenüber; davor in der Mitte Marielles Ehemann Semyon Bychkov als Dirigent. Wie bei einem netten Ping-Pong-Spiel warfen sich die beiden Damen die einzelnen Motive immer zu; beide spielten so hervorragend, dass keine von beiden die andere übertrumpfte.

Hervorragend natürlich auch das minimal besetzte Orchester (nur zwei Kontrabässe), wo vor allem die Holzbläser beeindruckend oft den Pianistinnen die Motive zuspielten oder sie diese von den Damen übernahmen.

Für den wohlverdienten Applaus bedankten sich die Schwestern mit Isaac Albéniz’ „Pavana-Capricho“ op. 12 für Klavier zu vier Händen. Ein beeindruckendes Werk mit viel französischem Flair.

Nach der Pause war Gustav Mahlers 5. Symphonie zu hören; ein Koloss, der allzu oft zu hören ist. Hier war mit den Tschechen und Bychkov eine Wiedergabe zu hören, von der man noch lange reden wird.

Einfach unvergleichlich die Qualität der Damen und Herren im Orchester; man weiß gar nicht, wen man auf die Schnelle hervorheben soll. Die Solotrompete, das Solohorn, die exzellenten Holzbläser oder das ebenso hervorragende Schlagwerk.

Tschechische_Philharmonie © Petra Hajsk

Bychkov gelang es, dass die ca. 70 Minuten wie im Fluge vergingen; vor allem der berühmte vierte Satz („Adagietto“ – vielen aus Luchino Viscontis „Tod in Venedig“ bekannt) ließ die enormen Qualitäten der Streicher hervortreten. Bychkov positionierte übrigens die Harfenistin genau vor seinem Pult; zwischen zweiten Geigen und Cello und vor den Holzbläsern – ein intelligenter Clou; vor allem stärkte das die Akustik und das Zusammenspiel zwischen den Streichern und der Harfe.

Man könnte fast pubertär ins Schwärmen kommen, wenn man von dem Dirigat und dem Orchester erzählt; man hörte Motive, die sonst schnell untergehen, zarteste Pianissimi und grandiose Fortissimi wechselten sich immer ab.

Beide Konzerte waren Abende der Spitzenklasse für den Musikverein.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Tschechische Philharmonie mit Semyon Bychkov auch bald wieder hier zu hören.

Herbert Hiess, 4. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Herbert hört hin 3 klassik-begeistert.de, 16. Februar 2025, Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien

Asmik Grigorian, Richard Strauss, Vier letzte Lieder Musikverein Wien, 18. Jänner 2025

Wiener Ring-Ensemble, Silvesterkonzert Musikverein Wien, Brahms-Saal, 30. Dezember 2024

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