Arabella von Richard Strauss, Regie: Tobias Kratzer, Premiere am 18. März 2023 Deutsche Oper Berlin © Thomas Aurin
Tobias Kratzers Arabella war der Auftakt seiner Strauss-Trilogie an der Deutschen Oper Berlin. Unterkomplexe Regie und GMD Donald Runnicles machen den Abend – trotz solider Sänger – zur vollkommenen Enttäuschung.
Richard Strauss
Arabella (1933)
Lyrische Komödie in drei Aufzügen
Dichtung von Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung am 1. Juli 1933 in Dresden
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Inszenierung: Tobias Kratzer
Bühnenbild: Rainer Sellmaier
Kostüm: Rainer Sellmaier, Clara Luise Hertel
Video: Manuel Braun, Jonas Dahl
Deutsche Oper Berlin, 7. März 2025
von Arthur Bertelsmann
Wer Fan von Tobias Kratzer ist, kommt in Berlin auf seine Kosten: Vier Inszenierungen des preisgekrönten Regisseurs hat die Deutsche Oper Berlin zu bieten, den nahezu unbekannten Zwerg von Alexander Zemlinsky sowie drei Richard-Strauss-Opern: Intermezzo, Die Frau ohne Schatten und Arabella.
Drei dieser vier Arbeiten sind großartig und mit das Beste, was die Hauptstadt derzeit zu bieten hat, doch die Kratzer’sche Arabella ist alles andere als großartig – sie ist furchtbar:
Es beginnt – streng nach Libretto – um 1860, also Biedermeier, wallende Ballkleider und Vatermörderkragen.
Doch ganz traditionell kann Kratzer nicht. Neben holzvertäfelten Wänden gibt es auch eine übergroße Leinwand, die in grobkörnigem Schwarzweiß das zeigt, was der Zuschauer sowieso sieht. Schnell blickt man nur noch auf die schlechte Schwarzweiß-Projektion und konzentriert sich kaum noch auf die Sänger – ein handwerklicher Fehler, dem der (von einem vollkommen unbedeutenden „Opernmagazin“ ausgezeichnete) „Regisseur des Jahres 2025“ nicht passieren dürfte.
Eine gute Idee hat Kratzer hier jedoch. Er zeigt Zdenka von Anfang an als einfachen Diener und nicht als die jüngste Tochter einer verarmten Familie. Durchaus passend, orakelt doch zu Beginn des Stücks eine Wahrsagerin, dass Arabella einen reichen Mann heiraten wird, Zdenka diese Verbindung jedoch gefährdet.

Der zweite Aufzug reist nun 80 Jahre in die Zeit vor, in das Jahr 1930. Die Wiener Gesellschaft tanzt Charleston und wird von Nazis zusammengeschlagen – ein kritischer Verweis auf die hohe Popularität dieser Oper zwischen 1933 und 1945. Doch mehr als eine simplen Andeutung einer Rezeption des Stücks weiß Kratzer in diesem Akt nicht großartig zu erzählen.
Für fast fünfzig Minuten ist das dürftig, zumal dieser zweite Aufzug an zwischenmenschlicher Dramatik einiges zu bieten hätte. Arabella und Mandryka verlieben sich ineinander, um sich dann noch im selben Aufzug wieder zu entzweien. Kratzer scheint das egal zu sein – noch schlimmer, Tobias Kratzer, Rainer Sellmaier (Ausstattung, Kostüm) und Clara Luise Hertel (Kostüm) legen die Ausstattung in diesem Aufzug so uniform an, dass man in den Szenen kaum erkennen kann, ob Mandryka oder ein anderer Liebhaber mit Arabella flirtet.
Das verschärft sich im dritten Aufzug noch einmal, der nun – welch Kreativität! – in der Gegenwart spielt. Alle tragen schwarz, sind nun überhaupt nicht mehr zu unterscheiden.

Die Bühne ist komplett leer, und das fünfzig Minuten lang.
Prinzipiell ist das eine interessante Darstellung der Moderne:
Der Mensch, der sich nun vollends vom Irdischen gelöst hat, existiert jetzt nur noch in einer digitalen Scheinwelt. Doch es gäbe kaum ein Stück, wo das so unpassend wäre wie in Arabella – insbesondere im dritten Akt, der doch voll von Liebe, Eifersucht und Trauer ist und dem das Welterklärerische fast vollkommen abgeht.
Warum inszeniert Kratzer dann dies so dermaßen steril, so technisch, so emotionslos? Beweggründe der Figuren werden durch diese rein historische Betrachtungsweise vollkommen entwertet, übrig bleibt Wissen, das sich in fünf Minuten auf Wikipedia zusammenlesen lässt.
Eigentlich hat die Oper ja den Vorteil, dass man sich bei schlechter Regie zumindest auf die Musik konzentrieren kann. Augen zu und genießen.
Doch an diesem Abend klappt auch das nicht, was insbesondere an Donald Runnicles liegt. Fast drei Stunden blubbert da eine völlig lahme Musiksuppe vor sich hin, unaufgeregt und ohne scharfe Konturen schwappt die – ohnehin fragwürdige – Partitur durch diese unendliche Aufführung.

Wenigstens die Sänger bieten ein paar Lichtblicke: Jennifer Davis ist eine karikierte divenhafte Arabella, die zusammen mit dem primitiven und plumpen Mandryka (Thomas Johannes Mayer) ein schön-abstruses Liebespaar abgibt, das sich auch nach dem recht harmonischen Ende mit Sicherheit permanent streiten wird.
Highlight an diesem Abend ist jedoch die von Heidi Stober gespielte Zdenka. Ständig wechselt ihr Sopran zwischen tiefer Trauer und echtem Hass – verständlich bei diesem wirklich miserablen Abend.
Arthur Bertelsmann, 8. März 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Graf Waldner: Albert Pesendorfer
Adelaide: Doris Soffel
Arabella: Jennifer Davis
Zdenka: Heidi Stober
Mandryka: Thomas Johannes Mayer
Matteo: Daniel O’ Hearn
Graf Elemer: Thomas Cilluffo
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