Ein diabolisch aufgelegter Daniil Trifonov sorgt für eine Sternstunde bei den Salzburger Festspielen

Solistenkonzert Daniil Trifonov, Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 14. August 2018

Foto ©Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Solistenkonzert Daniil Trifonov, Salzburger Festspiele
Großes Festspielhaus, 14. August 2018

Federico Mompou, Variationen über ein Thema von Chopin
Robert Schumann, „Chopin“ aus Carnaval op. 9/12
Edvard Grieg, Studie aus Stimmungen op. 73/5
Samuel Barber, Nocturne op. 33
Peter I. Tschaikowski, Un poco di Chopin op. 72/15
Sergej Rachmaninow, Variationen über ein Thema von Chopin op. 22
Frederic Chopin, Sonate für Klavier Nr. 2 b-Moll op. 35

von Raphael Eckardt

Seit dem Teufelsgeiger Niccolo Paganini und dem Tastenvirtuosen Franz Liszt wurden zahlreiche Klassikkünstler von internationalem Format von Fachpresse und Musikwissenschaftlern immer wieder mit dem Prädikat „diabolisch“ versehen. Auf wohl niemanden wurde es aber jüngst wohl so beständig angewandt wie auf den russischen Pianisten Daniil Trifonov. Sein Klavierspiel sei voller Besessenheit, seine Gestiken und Mimiken durchzogen von Radikalem und sein Klang ein Resultat all dessen, was diesen Pianisten so anders macht als beispielsweise einen Andras Schiff oder einen Daniel Barenboim.

Umso gespannter durfte man da auf sein Solokonzert sein, das Trifonov am vergangenen Dienstag im Rahmen der Salzburger Festspiele zum Besten gab. Mit Kompositionen von Federico Mompou, Robert Schumann oder Samuel Barber standen da Werke von Komponisten auf dem Programm, die nicht nur symbolhaft mehr als drei Jahrhunderte Musikgeschichte repräsentierten, sondern auch alle in Verbindung zu einem Komponisten standen, den Trifonov seit jeher als sein Spezialgebiet zu bezeichnen weiß: Frederic Chopin. Ein Programm, das wie gemacht schien also, für den „Teufelspianisten“, den zuckenden Wahnsinnigen, den diabolischen Tastenpriester Daniil Trifonov.

Voller Attacke war sein Einsatz gleich zu Beginn bei Mompous Variationen über ein Thema von Chopin. Wunderbar konturierte Achtelketten verschmelzen da herrlich mit eindrucksvoll akzentuierten Phrasierungsbögen zu Spannungseinheiten, die den Glanz von Chopins A-Dur-Prelude (auf dem das Werk basiert) eigentümlich zum Glühen bringen sollten. Immer wieder werden Passagen in sanften Pianogefilden von pompös anmutenden Fortissimi durchkreuzt. Hier ein wenig Ritardando, dort ein verrohter Akzent. Trifonov gibt sich als Mephisto einer beeindruckenden Höllenlandschaft. Zähe Lavaströme durchweben einen Hauch von diabolischer Überdrehtheit, Spitzentöne schwingen sich majestätisch zuckend in schwindelerregende Höhen auf. Fabelhaft!

Mit Robert Schumanns „Chopin“ aus Carnaval (op. 9/12) gelang Trifonov dann der eigentliche Coup des Konzerts. Sanft arpeggierte Akkorde lassen auch den letzten Zweifler dieses russischen Ausnahmekönners in höheren Sphären schweben. Fein artikulierte Melodiephrasen schweben, von goldenen Auren umwoben, über einer romantischen Naturlandschaft aus satten Farbtönen. Immer wieder wähnt man sich da zurück in jenen Zeiten, als Schumann, der Wahnsinnige, durchzogen von manisch depressiven Episoden, sein Glück zu finden versuchte. Wie ein klarer Gebirgsbach, der sich unaufhaltbar seinen Weg in Täler und Seen zu bahnen scheint, gibt sich Trifonov ganz der Musik hin. Nach nur gut eineinhalb Minuten ist alles wieder vorbei. Einen Schumann von solch hoher Emotionalität bekommt man wahrlich selten zu hören! Weil Trifonov genau das gelingt, an was andere Schumanninterpreten oftmals scheitern: Den Wahnsinn in der Musik dieses Ausnahmekünstlers offenzulegen und die Zuhörer mit einem kalt-schaurigen Gefühl daran teilhaben zu lassen. Chapeau!

Nach vollends überzeugenden Darbietungen von Edvard Griegs „Studie“ aus Stimmungen (op. 73/5) und Samuel Barbers Nocturne op. 33 kann vor allem Trifonows Tschaikowski-Interpretation von „Un poco di Chopin“ (op. 72/15) begeistern. Mystisch tänzelnd schickt sich Trifonov zum Tanze an. Seine lustvolle Übersteigung und Zuspitzung einzelner Phrasen und Motive, durchzogen von leicht depressiv dahingleitenden Passagen lässt Tschaikowskis Musik in völlig neuem Glanze erklingen. Immer wieder sind präzise artikulierte Zuckungen zu spüren, die Trifonovs Körper wie blitzartige Stromschläge durchschnellen. Das sollte sich auch anschließend bei Sergej Rachmaninows Variationen über ein Thema von Chopin (op. 22) nicht ändern. Rachmaninow genoss als Interpret der Kompositionen Chopins einen exzellenten Ruf, sodass es wenig verwunderlich erscheint, dass er sich für seinen Variationszyklus nicht nur einzelne Motive Chopins aussuchte, sondern gleich ein ganzes Werk (Prelude Nr. 20 in c-Moll) neu zur Vertonung brachte. Was Trifonov dann an diesem Abend aus jener fantastischen „Umkomponierung“ zu machen wusste, ist schlichtweg atemberaubend. Mit theatralisch aufmüpfiger Gestik gelingt dem Russen das Entfachen eines beeindruckenden Feuerwerks. Technisch brillant dargebotene Akkordpassagen durchziehen die Weiten und Breiten des Salzburger Festspielhauses wie musikalische Gerölllawinen, beeindruckende Sechzehntelpassagen lassen den für Salzburg so typischen „Schnürlregen“ in neuem Lichte erscheinen. Das, was Trifonov an diesem Abend musikalisch ablieferte, ist mit Worten eigentlich nicht mehr zu beschreiben!

Mit Chopins b-Moll Sonate (op. 35) gelang dann final auch noch die perfekte musikalische Abrundung eines absoluten Ausnahmeabends. Frech und kurzweilig juvenil interpretiert, wirkt Trifonovs Interpretation wie eine frisch ins Werk gesetzte Improvisation und nicht wie eine auf Notenpapier gebannte, Jahrhunderte alte Komposition. In himmlische Sphären transzendiert erklingen sonst oftmals starr wirkende Laufpassagen als dynamisch-luftige Passagen, die frei von Raum und Zeit gen Horizont zu schweben scheinen. Jede Note, jeder Phrasierungsbogen und jeder noch so kleine Akzent scheint da von einer goldenen Aura umwoben zu sein. Mein lieber Freund, dieser Abend ist sogar im Niveauvergleich mit anderen Weltklassedarbietungen bei den Salzburger Festspielen absolut herausragend! Herr Trifonov, da haben Sie sich wahrlich ein Denkmal geschaffen!

Raphael Eckardt, 15. August
für klassik-begeistert.de

Ein Gedanke zu „Solistenkonzert Daniil Trifonov, Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 14. August 2018“

  1. Von goldumwobenen Tönen war nichts wahrzunehmen – das gesamte Spiel war exakt und diabolisch vor allem der körperliche Einsatz – aber irgendwie ging mir die Kunst dabei verloren das beseelte fehlte vollkommen und der menschliche Faktor
    Ich hörte ihn zum ersten Mal
    und wollte ihn unbedingt in Salzburg erleben mag sein dass die Wirkung seiner Interpretation die mich beschäftigt genau seine Kunst ist

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