Janine Jansen © Marco Borggreve
„Wiedersehen mit dem Dreamteam“
Ludwig van Beethoven Violinkonzert D-Dur op. 61
Franz Schubert Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417 „Tragische“
Janine Jansen Violine
Paavo Järvi Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Bremer Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 10. Mai 2025
von Dr. Gerd Klingeberg
Vor etwa 15 Jahren konnte ich Janine Jansen mit einer derart berauschend naturalistischen Interpretation von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ erleben, dass man dabei Wind und Sturm, die wärmenden Sonnenstrahlen oder die beißende Winterkälte geradezu auf der Haut zu spüren schien.
Diesmal stand Beethovens Violinkonzert auf dem Programm – mit hohen Erwartungen meinerseits. Würde es, obwohl ihm keine vergleichbare Programmatik zugrunde liegt, von der niederländischen Weltklasse-Violinistin ähnlich berührend vorgetragen werden?
Die ersten Orchestertakte mit dem markanten Paukenmotiv erfolgten energisch, aber ohne jede Haudrauf-Manier. Järvi beachtete sehr genau die „non troppo“-Angabe, was die ohnehin schon ausgeprägte Transparenz des Orchesterklanges noch intensivierte. Dann Jansens Einklinken mit dem Solo-Violinpart: sehr gefühlvoll, nahezu schwerelos, aber dennoch bestimmt und stringent voranfließend in vielfältigen Wellenbewegungen, mitunter wie verinnerlicht ausgeführt in allerfeinstem Pianissimo, bei dem die wuchtigen Orchestereinwürfe nicht etwa konterkarierten, sondern weit mehr wie eine Bestätigung anmuteten.

Die Balance zwischen Soloinstrument und Tutti geriet durchweg stimmig, mal als gemeinsame Kraftanstrengung, mal als sanfter Klangteppich, über dem die Geigenstimme melodiös zu schweben schien. Höchst virtuos präsentierte Jansen die mit allerhand spieltechnischen Raffinessen gespickte Kadenz. Wie sehr sich die intensive Spannung des Werkes offensichtlich auf die Zuhörer übertragen hatte, merkte man, als sie sich am Satzende in heftigem Gehuste zu lösen schien.
Zum Wegträumen klangvoll
Järvi wartete ab, bis wieder weitgehende Ruhe eingekehrt war, so dass der bezaubernde Auftakt des Larghetto-Mittelsatzes mit seinen weit ausschwingenden Melodiebögen zum ungestörten Hörerlebnis wurde. Die von Solo-Violine und Holzbläsern einfühlsam intonierten Figurationen formierten sich zu einer zum Wegträumen schönen, aquarellösfarben klangvollen Romanze. Erst die wuchtigen Fortissimo-Akkorde am Satzende führten wieder zurück in die Gegenwart. Die erwies sich im 3. Satz Rondo (Allegro) als unbeschwert und tänzerisch leicht, mit gelegentlicher folkloristischer Färbung.
Und wieder kam es dabei in ganzer Fülle zum Ausdruck: dieses unverkennbar beseelte, überaus subtil gestaltete Geigenspiel der sympathischen Niederländerin, mit lockerer Bogenführung in allen Lagen und bei jeder dynamischen Nuance warmtönig anrührend in Perfektion vorgetragen auf der Stradivari „Shumsky-Rode“.
Mit strahlendem Lächeln und den einschmeichelnd idyllischen Largo-Harmonien aus Bachs Solo-Violinsonate Nr. 3 BWV 1005 verabschiedete sich Jansen vom begeisterten Bremer Publikum.
Kantig strukturiert und kernig dargeboten
Hatte sich die Kammerphilharmonie bei Beethoven zugunsten der Solo-Violine wohlweislich noch etwas zurückgehalten, so konnte sie bei Schuberts Sinfonie Nr. 4 ihr volles orchestrales Potenzial ausspielen. Machtvoll und mit gehörigem Pathos ließ Järvi das Orchester mitten hinein in den Eingangsbeifall loslegen. Der überraschende Umschwung ins Allegro erwies sich als der Beginn eines lebhaft stürmischen, kantig strukturierten und kernig ausgeführten Vorandrängens, zäsurfrei angetrieben von immer neuen Impulsen bis hin zum Jubelfinale.

Liedhaft und blumig zart kontrastierte der pointiert akzentuierte Folgesatz Andante. Das Menuetto mit seiner scharf betonten Rhythmik und einem überraschend stimmungsvollen, ländlerhaften Mittelteil schloss sich nahezu attacca an; das Label „Tragische“, mit dem Schubert selbst seine Sinfonie versehen hatte, spielte ab hier definitiv keine Rolle mehr. Und kaum tragisch, aber dramaturgisch ausnehmend gelungen präsentierten Järvi und die Kammerphilharmonie den Finalsatz Allegro als wahrhaftes Sturm-und-Drang-Stück, streckenweise fast schon bedrohlich wuselnd wie ein aufgeregter Bienenschwarm, dann schroff und, nach einer lang angelegten Aufwärtsentwicklung, im Wahnsinnstempo munter vorwärtsstürmend. Schließlich ein unvermittelter Stopp aus heftig donnernden Schlussakkorden, gefolgt vom frenetischen Beifall.
Wie gewohnt, ließ es sich die Kammerphilharmonie auch diesmal nicht nehmen, sich von den Zuhörern mit einer nicht minder schwungvollen Zugabe, nämlich Mozarts Ouvertüre zu „Der Schauspieldirektor“ KV 486, zu verabschieden.
Dr. Gerd Klingeberg, 11. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Kammermusik mit Janine Jansen und Denis Kozhukhin Kölner Philharmonie, 1. April 2025