Ein überzeugender Hasse in einem intimen Theater mit nur 165 Sitzplätzen

Johann Adolph Hasse, Marc’ Antonio e Cleopatra,  Ekhof-Theater, Schloss Friedenstein, Gotha

Foto: Ekhof-Festival 2018 (c)
Johann Adolph Hasse: Marc’ Antonio e Cleopatra

Ekhof-Theater, Schloss Friedenstein, Gotha, 18. August 2018

von Kirsten Liese

Gotha. Gespannt wartet man auf das Glöckchen, das akustische Signal für die blitzschnellen szenischen, faszinierenden Verwandlungen. Rumpelnd setzt sich die Bühnenmaschine aus dem Untergrund in Bewegung und verschiebt die seitlich gestaffelten Kulissenwagen, synchron wechseln auch die bemalten, hängenden Soffiten und die Rückprospekte, die Bühnenarbeiter von Hand austauschen.  So wird aus einer ägyptischen Uferpromenade am Meer ein grünes malerisches Arkadien oder ein finsterer Kerker.

Die hölzerne, auf Rollen angetriebene Bühnenmaschinerie im Ekhof-Theater des Gothaer Schlosses Friedenstein aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert ist deutschlandweit das einzige original erhaltene Exemplar und somit ein ganz besonderes Juwel. Zwar verfügt noch das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt über eine barocke Bühnenmaschine, aber das ist bereits ein Nachbau aus späterer Zeit. Alle anderen historischen Theater wie beispielsweise das in diesem Jahr wiedereröffnete Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth wurden im Laufe ihrer Geschichte modernisiert und haben ihren kostbaren Motor eingebüßt. Schon allein deshalb  lohnt Gotha den Besuch einer Aufführung, diese Maschine muss man erlebt haben!

Das entzückende, intime Theater mit nur 165 (!) Sitzplätzen erweist sich als der ideale Ort für ein Stück in so kleiner Besetzung wie Johann Adolf Hasses Serenata „Marc’ Antonio e Cleopatra“, das das diesjährige Ekhof-Festival  präsentierte. Nur vier Figuren agieren auf der Bühne, -neben den beiden Sängerdarstellern eine Tänzerin und ein Kinderdarsteller. Im Graben sitzen lediglich acht Musiker.

In dem im italienischen Stil gehaltenen Jugendwerk des zu seinen Lebzeiten berühmten Komponisten geht es wie bei Shakespeare um das tragische Schicksal des römischen Generals Marc Antonius und der ägyptischen Königin. Er ist in einer Schlacht besiegt worden, deshalb muss sie die Hoffnung auf den Kaiserthron für ihren Geliebten fahren lassen. Hinzu kommen menschliche Konflikte: Er liebt Cleopatra, ihr geht es zuvorderst um den dynastischen Fortbestand, deshalb begehrt sie ihn in erster Linie als Herrscher. Im Kerker nimmt das Paar Abschied von seinem kleinen Sohn und träumt sich ein letztes Mal in ein Elysium zurück, bevor es in den Hades hinabsteigt.

Die begeistert aufgenommene Produktion, deren letzte Aufführung ich besuchte, überzeugt in jeder Hinsicht: Katharina Göres verfügt als Cleopatra über einen sehr hellen, markanten, höhensicheren Sopran, Julia Böhme in der Hosenrolle des Marc Antonio über einen sehr vollen, sinnlichen, runden Mezzo. Beide, obendrein in prächtige barocke Roben (Ausstattung: Jan Hoffmann) eingekleidete Sängerinnen führen ihre Stimmen schlank durch alle Register und verstehen sich auf die wechselnden, teils in ungewöhnliche Tonarten führenden starken Affekte. Das Ensemble Capella Jenensis musiziert dazu unter der Leitung von Gerd Amelung stilsicher, transparent, engagiert und wunderbar elastisch.

Die historisch informierte Aufführungspraxis setzt sich dankenswerter Weise auch auf der Bühne im Szenischen fort. Der mit der Regie betraute Milo Pablo Momm versteht sich auf die historische Gestik ebenso gut wie die Belgierin Sigrid T’Hooft, die sich auf diesem Gebiet bislang international wohl die meiste Aufmerksamkeit verschaffte, beispielsweise mit entzückenden Produktionen bei den Göttinger Händelfestspielen („Imeneo“) oder in Bad Lauchstädt („Parnasso in festa“). Im familiären Betrieb der Barockoper kennt man sich gut, Momm war langjähriges Mitglied in T’Hoofts Compagnie Corpo Barocco, ging mithin auch bei ihr in die Schule.

Die historische Gestik ist geprägt von großer Anmut und eigentlich leicht verständlich: Geöffnete Hände bedeuten, dass jemand über Positives redet, geschlossene Hände drücken negative Nachrichten aus. Ballt eine Figur die Faust, erklärt sie ihrem gegenüber den Krieg, schwört sie, hebt sie die Hand zum Schwur, und wo es um die Liebe geht, wird die Hand unters Herz gelegt.

Gemessen an soviel Anmut, Grazie, Schönheit und Wahrhaftigkeit sieht das zeitgeistschnittige Regietheater in seinen extremen Ausprägungen richtig alt aus.

Kirsten Liese, 22. August 2018, für
klassik-begeistert.de

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