Ist Demis Volpi das Opfer einer Intrige?

Kommentar: Ist Demis Volpi das Opfer einer Intrige?  Hamburgische Staatsoper, 9. Juni 2025

Demis Volpi © Hamburg Ballett

Die altehrwürdige Hamburger Wochenzeitschrift DIE ZEIT begibt sich scheinbar in die Niederungen der Regenbogenpresse. Ihre Kulturredakteurin Stella Schalamon und der Hamburg-Ressortleiter Florian Zinnecker spekulieren über ein Intrigennetz, das der vormalige Ballett-Intendant John Neumeier angeblich über seinen Nachfolger Demis Volpi geworfen hat.

Ein Meinungsbeitrag von Dr. Ralf Wegner

Die Tänzerinnen und Tänzer des Hamburg Balletts sind demnach Muttermilch-lechzende Lämmer, die in dem neuen Intendanten nur den reißenden Wolf erkennen wollen. Doch weder ist Demis Volpi ein reißender Wolf, noch sind die Spitzentänzer des Hamburger Balletts hirnlose durstige Schäfchen, die unfähig sind, die handwerklich-choreographischen Unterschiede zwischen Vorgänger und Nachfolger richtig einzuschätzen.

Demis Volpi tritt ohne Zweifel charmant auf und ist in der Lage, die ihm wichtigen Personen, offensichtlich unverändert, um den Finger zu wickeln. Schon bei der Vorstellung seiner ersten Ballettsaison in Hamburg hingen die geladenen Pressevertreter gebannt an seinen Lippen. Nicht eine kritische Frage wurde gestellt. Und nach wie vor halten die Vorstandsdamen der Freunde des Ballettzentrums in ihrem Statement zur aktuellen Situation beim Hamburg Ballett daran fest, dass sie Demis Volpi als einen verantwortungsvollen, empathischen und reflektierten Menschen kennengelernt hätten, der mit großer Ernsthaftigkeit und künstlerischer Vision an seine Aufgabe herangehe.

Mit keinem Wort wird auf die Eigenkündigungen unserer besten Tänzerinnen und Tänzer oder auf die qualifizierten Anschuldigungen des Ensembles eingegangen, was man eigentlich von den Freunden des Ballettzentrums erwarten dürfte. Schuld an der ganzen Malaise ist offenbar nur die überreizte mediale Aufmerksamkeit in der Causa Volpi.

Demis Volpis ist aber nicht das Opfer einer Intrige, sondern des offensichtlich politisch gewollten, von der überreizten medialen Öffentlichkeit zu recht kritisierten Paradigmenwechsels beim Hamburg Ballett. John Neumeiers choreographisches und tänzerisches Erbe soll abgewickelt werden. Denn anders ist es nicht zu verstehen, wenn Demis Volpi mehr oder minder schwache Mehrteiler auf das Programm setzt. Und allein für die Saison 2025/26 sind 36 Abende mit Stücken von Volpi vorgesehen, aber nur 32 Aufführungen von Balletten von John Neumeier.

Zudem ist Volpi nicht in der Lage, seine für Juli 2025 angekündigte Uraufführung von Hesses Demian auf die Bühne zu bringen. So hofft er vermutlich, sich ein – angesichts der bei der Ballett-Werkstatt IV gezeigten Demian-Szenen – vorhersehbares künstlerische Debakel zu ersparen, um sich in die kommende Spielzeit hinüber zu retten.

Wenn das so eintritt, ist es aus mit dem Hamburg Ballett, dann sind die Spitzenkräfte weg, und auch der qualifizierte Nachwuchs aus der Ballettschule wird sich anderweitig orientieren. Es wäre der Abstieg, um im Fußballjargon zu bleiben, von der Champions League in die Regionalliga. Und daran würde auch ein neues schickes Bühnenhaus an der Elbe auf dem Baakenhöft nichts mehr ändern.

Dr. Ralf Wegner, 9. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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