Foto: © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Wiener Staatsoper, 7. November 2018
Richard Wagner, Lohengrin
von Jürgen Pathy
Wohin das Auge auch blickt, scheint es seit geraumer Zeit beinahe keine sehenswerte Wagner-Produktion zu geben, die ohne den gefeierten Heldentenor Andreas Schager standesgemäß über die Bühnen laufen könnte. Schager, 47, führt das Leben eines gefragten Opernsängers, ein Leben zwischen der Kunst, der Familie, dem Stress und dem süßen Ruhm – und auf den Schnellstraßen und Autobahnen Europas. Denn der bodenständige Österreicher fliegt nicht im luxuriösen Privatjet durch die Welt, sondern pendelt zwischen Bayreuth und Wien mit dem Auto hin und her – höchstpersönlich hinter dem Steuer. So geschehen im Sommer, als er neben seinen Proben auf dem Grünen Hügel auch in Wien als Max im „Freischütz“ zu bestaunen war.
Auch sonst ist der Terminplan des Österreichers bis ins Jahr 2022 prall gefüllt mit dramatischen Partien. Erst Ende Oktober verwirklichte er das konzertante Projekt „Faszination Wagner“ in Prag, Ende November folgt der Siegfried im Ring an der Hamburgischen Staatsoper – und dazwischen legt der umtriebige Schwan nun eine Zwischenlandung an der ehrwürdigen Wiener Staatsoper ein und feiert sein Rollendebüt in Richard Wagners romantischer Oper „Lohengrin“.
Alles komplexe, große Partien, die seiner Stimme viel abverlangen – hoffentlich nicht zu viel! Denn das Fazit dieser dritten und letzten Vorstellung an der Wiener Staatsoper fällt, wie schon bei der ersten Aufführung, durchwachsen aus.
Zu Beginn des Abends kann dieser Gralsritter noch überzeugen, kann dieser burschikos angelegte Lohengrin in allen Belangen beeindrucken. Andreas Schager schwadroniert breitbeinig, protzig durch die bäuerliche Gaststube eines Wirtshauses, das irgendwo in der Einöde der ausgedehnten Wälder Deutschlands beheimatet sein dürfte – und er passt vom Typ her hervorragend in diese umstrittene Inszenierung des deutschen Regisseurs Andreas Homoki. Aus diesem Blickwinkel mag der Ort und die Inszenierung dieses Rollendebüts gut durchdacht worden sein. Man möge sich dieses Bild eines gestandenen Mannes, der in Niederösterreich auf dem Bauernhof aufgewaschen ist, nur in der subtilen Bayreuther Inszenierung als Super Mario im blauen Klempneranzug mit Insektenflügeln vorstellen – eine Katastrophe!
Aber als verliebter Sonnyboy in Ledertracht hinterlässt er einen glaubwürdigen Eindruck, bezirzt er mit den Worten „Elsa, ich liebe Dich“ nicht nur die Tochter des Herzogs von Brabant, sondern jeden Zuschauer – so innig, ehrlich, verliebt und weich hat man diese Worte noch selten über die Lippen eines Sängers gleiten hören!
Wohin dieser übersinnliche Glanz und Zauber dieser zweifelsohne großen Stimme jedoch nach der ersten Pause verschwunden ist, scheint unerklärlich: Es schleichen sich deutlich hörbare Ausrutscher bei der Intonation ein, und die Stimme wirkt teilweise beklemmt. Vor allem bei der Gralserzählung, die an diesem Abend ihren jugendlichen Schmelz verliert, wirken die filigranen Töne unnatürlich.
Der Grund dieser rätselhaften Schwächen bleibt jedoch verborgen, denn an der Ausdauer dürfte es nicht mangeln: Die Spitzentöne im Forte sitzen wie eh und je! Beim kultivierten Schmettern über den Orchestergraben ist gegen Andreas Schager kein Kraut gewachsen. In diesen luftigen Höhen sitzt der Niederösterreicher selbst gegen Ende hin noch sattelfest auf dem strahlenden Thron, und der Schlussapplaus fällt ohrenbetäubend aus.
Die Summe beider Vorstellungen ergäbe einen stimmgewaltigen Schwanenritter, dessen Phrasierung und Schmelz beeindruckend sein können. Vielleicht bedarf es nur ein wenig der Stimmhygiene, die der Staatsoperndirektor Dominique Meyer dem sympathischen Sänger im Jahr 2019 auch gewähren wird: An drei Abenden darf Andreas Schager wieder in seine geliebte, lyrische Partie des Tamino in der „Zauberflöte“ schlüpfen – die genauen Daten stehen noch nicht zur Verfügung.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 8. November 2018, für klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de
Superbe soirée avec de merveilleux interprètes notamment Andreas Schager magnifique dans le rôle de Lohengrin, une voix magistrale, on en oublierait presque l’orchestre dirigé de main de maître par Simone Young.
Bernie lelan