Heiße Vorstellung im Wiener Musikverein

Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Augustin Hadelich, Krzysztof Urbański,  Musikverein Wien

Foto: Foto: © Marco Borggreve
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich    

Augustin Hadelich, Violine
Krzysztof Urbański, Dirigent
Musikverein Wien, 16. Dezember 2018

Michail Glinka: Ouvertüre zur Oper Ruslan und Ludmilla
Jean Sibelius: Konzert für Violine und Orchester d-Moll, op. 47
Igor Strawinsky: Suite aus dem Ballett Der Feuervogel (Fassung 1945)

von Thomas Genser

Mit jugendlichem Esprit beehren die Tonkünstler den Wiener Musikverein. Gastdirigent Krzysztof Urbański kommt auf die Bühne und man denkt: DAS ist der Dirigent? Der 36-Jährige mit keckem Haarschnitt führt sein Dirigat aber mit der Routine eines Altmeisters aus und liefert so eine fundierte Basis für Sibelius’ Violinkonzert. Den grandiosen Solistenpart übernimmt Augustin Hadelich, der technisch Unglaubliches, teilweise aber zu sehr „Dienst nach Vorschrift“ leistet.

Um der bitteren Kälte im Freien zu trotzen, heizen Urbański und das Orchester dem Publikum zu Beginn ein wenig ein: Als Aufwärmprogramm gibt es die Ouvertüre zu Glinkas Oper Ruslan und Ludmilla (1842). Mit zügigem Tempo räumen die Tonkünstler zunächst alle Zweifel aus dem Weg. Gleich dem konsumgierigen Volk an Adventssamstagen hetzen die Streicher umher. Ein wenig Entspannung bringt da der Seitensatz – nach einer Verschnaufpause geht es wieder zurück in das wilde Treiben.
Im Anschluss an dieses Warm-Up geht es in nördliche Gefilde: Das Violinkonzert von Jean Sibelius wurde 1904 in Helsinki uraufgeführt, wobei der damalige Solist Viktor Nováček den technischen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte. Daher galt das Werk zunächst als Reinfall.

Nicht so bei Augustin Hadelich. Breitbeinig steht der Violinist da, als gehöre die Bühne ihm alleine. Damit hat er auch nicht ganz unrecht, bestreitet er doch weite Teile des Konzerts im Alleingang; das Orchester liefert lediglich kurze Zwischenspiele.

Besonders das eröffnende Allegro moderato ist von dieser episodischen Struktur geprägt, wodurch der Fluss der Musik nur schwerfällig in die Gänge kommt. In den Solo-Passagen ackert sich Hadelich merklich ab und spielt Solist und Begleitung in Personalunion. Das Ganze lebt von einer perfekten Ausführung, wirkt gelegentlich aber wie eine Zurschaustellung von Instrumentaltechnik. Hochdramatisches Mienenspiel in d-Moll gibt es kostenlos dazu.

Im zweiten Satz kommt es dann zur Annäherung von Hadelich und dem Orchester. Musikalisch gesehen liegt der Reiz hier in der Zurückhaltung. Die Themen kommen sanft daher und werden mit einem weiten Ausholen der Streichergruppen langsam emporgezogen.

Urbański fällt durch einen subtilen Dirigierstil ohne jugendlichen Überschwang auf und beschränkt sich auf einige wenige Tupfer. Im Finale Dance macabre kommt noch einmal der Teufelsgeiger in Hadelich zum Vorschein. Publikumswirksam, unterhaltsam, aber ein wenig eintönig. Als Dank für den grandiosen Applaus serviert Hadelich einen leicht verstimmten Paganini zum Nachtisch.

Nach der Pause wird es heißer: Es erklingt Strawinskis Feuervogel-Suite in der heute gängigen Fassung aus dem Jahr 1945. Ursprünglich als Ballettmusik komponiert, wirkt die Musik ein wenig aus dem Kontext gerissen und ohne Programm nicht wirklich verständlich. Jedoch ist der Cocktail aus russischer Folklore, wilden Dissonanzen und einer Prise französischem Impressionismus überaus schmackhaft. Die Grenzen der Orchestrierung hat Strawinski hier bis aufs Äußerste ausgelotet.

Auf der einen Seite lädt er zum Träumen über Streicher- und Harfenteppichen ein, dann sieht man den Feuervogel zum Ton der Piccoloflöte tanzen. Hier lässt der böse Zauberer Kaschtschei mit Schlagwerk, Tuba und grotesken Dissonanzen alle aufwachen (man denke an eine potenzierte Version von Haydns Paukenschlag), dort gibt es einen Pas de Deux von Cello und Holzbläsern.

Durch die transparenten Texturen der Instrumentation erblickt man am Ende schließlich den klischeehaften Sieg des Guten. Und dieser – wie könnte es anders sein – manifestiert sich in Form einer triumphalen Fanfare. Ende gut, alles gut!

Thomas Genser, 16. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert