Kurz-Opern, die einen nicht loslassen: Liebe und Eifersucht – zwei avantgardistische Einakter in Luxemburg

Albena Petrovic, „The Lovers“ und „Jealousy“,  Théâtre National du Luxemburg, 6. Dezember 2019

Albena Petrovic‘ Einakter erinnern an barocke Stücke, in denen es ebenso um Liebe und Eifersucht ging, reduziert aufs Wesentliche. Aber ihre beiden Kurz-Opern sind musikalisch die perfekten Antithesen barocker Werke: fast immer unharmonisch, schrill, aufwühlend.

Fotos: M. Methodieff (c)
Théâtre National du Luxemburg
, 6. Dezember 2019
Albena Petrovic, „The Lovers“ (Libretto: Svetla Georgieva) und „Jealousy“ (Libretto: Peter Thabit Jones)

von Charles E. Ritterband

Mir fällt so ganz spontan keine Oper ein, in der es – von Mozart bis Verdi und hin zu Wagner und Richard Strauss – nicht um zwei Dinge gehen würde: Liebe und, damit verbunden wie die böse Zwillingsschwester: Eifersucht. Die zeitgenössische luxemburgisch-bulgarische Komponistin Albena Petrovic hat denn auch ihre beiden sehr eigenwilligen Einakter (oder sind es zwei Opern in einem Akt?) unter das Motto dieser beiden ewigen Emotionen gestellt – Liebe und Eifersucht, hier als Allegorie dargestellt.

Gezeigt wurde dieses ungewöhnliche musikalische Diptychon im nahtlos passenden Ambiente des nüchtern-modernen Théâtre National du Luxemburg, das wesentlich kleiner ist, als es sein Name vermuten ließe – aber ausgestattet mit sämtlichen technischen Möglichkeiten wie perfekten Video-Projektionseinrichtungen und präzise steuerbarer Beleuchtung. Dieses Potential brachten der Regisseur Ognyan Draganov und der Bühnengestalter Denis Ivanov wirkungsvoll, doch unterstützend und niemals dominant zum Einsatz. Sie begnügten sich mit einfachsten Versatzstücken wie ein paar kargen Tischen und Stühlen und verzichteten auf Bühnenbilder, die sie zeitgemäß durch Video-Projektionen ersetzten.

Irgendwie – so seltsam dies klingen mag – erinnerten mich Petrovic‘ Einakter an barocke Stücke, in denen es ebenso um Liebe und Eifersucht ging, reduziert aufs Wesentliche. Aber ihre beiden Kurz-Opern sind musikalisch die perfekten Antithesen barocker Werke: fast immer unharmonisch, schrill, aufwühlend. Im Gegensatz zur Barockmusik kann sich der Zuhörer bei Albena Petrovic nicht zurücklehnen und die Klänge um sich fließen lassen wie ein warmes Bad: ihre Musik ist herausfordernd, sie geht gegen den Strich.

Aber diese beiden Kurz-Opern langweilen keine Minute, sie lassen den Betrachter nicht los, fordern, überfordern ihn gar vielleicht. Aber der Zuschauerraum war an der Premiere bis auf den letzten Platz besetzt – und kaum jemand desertierte in der Pause.

Petrovic ist in Luxembourg keine Unbekannte mit ihren avantgardistischen Werken: Im Juni 2016 debutierte sie erfolgreich mit „The Dark“ in den mittelalterlichen Kasematten der Stadt – es war das erste Mal, dass an jenem geschichtsträchtigen Ort ein zeitgenössisches Werk aufgeführt wurde. In ihren eigenen Worten ist sie auf der Suche nach einer „Symbiose zwischen Tradition und Innovation“. Tatsächlich scheinen in ihrer Komposition immer wieder traditonelle, ja romantische Elemente auf – plötzlich schwelgt das Cello oder eine Geige in sinnlichen Tönen. Ihr Orchester besteht aus acht sehr engagierten Musikerinnen und Musikern sowie einem Konzertflügel.

Albena Petrovic Vratchanska ©Kaupo Kikkas

Immer wieder sieht man, besonders wenn man in der ersten Reihe Platz genommen hat, dass die Streichinstrumente auf höchst ungewöhnliche Weise behandelt werden: So schlägt der Bogen auch mal gegen die Bassgeige, mit entsprechender Wirkung. Aber das dominierende Instrument ist hier eindeutig das Schlagzeug – es bestimmt und unterstreicht den Rhythmus der oft dramatischen Handlung (temperamentvoll und präzis: Guy Frisch). Das wichtigste, von Albena Petrovic hervorragend eingesetzte Instrument ist das Saxophon (brillant und in allen Farben des Regenbogens schillernd: Joan Marti-Frasquier) – es verkörpert das Thema Einsamkeit und leitet subtil über von „Love“ zu „Jealousy“.

Ein herausfordernder Abend, der auch vom Zuschauer Mut erfordert – aber er wird reich belohnt durch eine nicht alltägliche Opern-Dimension.

Dr. Charles E. Ritterband, 9. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

The Lovers
Lonely: Nelly Necheva
Woman: Elena Baramova
Man: Ignat Jelev
Visitors: Prolet Pencheva, Inna Andreeva, Ivone Ivanova, Theo Petkov, Martin Rusev, Kostadin Yakshev

Jealousy
He: Nikolay Motsov
She: Teresa Brakalova
Invisibles: Prolet Pencheva, Inna Andreeva, Ivone Ivanova, Theodor Petkov, Martin Rusev, Kostadin Yakshev
United Instruments of Lucilin
Dirigent: Alex Sanso
Regie: Ognyan Draganov
Bühne und Kostüme: Denis Ivanov
Solo-Saxophon: Joan Marti-Frasquier
Schlagzeug: Guy Frisch

United Instruments of Lucilin, ein Ensemble für zeitgenössische Musik, wurde 1999 von einer Gruppe von enthusiastischen Musikern gegründet – und es ist das einzige Luxemburger Kammermusik-Ensemble, das sich auf zeitgenössische klassische Musik spezialisiert hat. Diese Gruppierung hat weltweite Auftritte und spezialisiert sich in rund 40 Konzerten pro Jahr auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts.

Diese Komposition entstand als Auftragswerk für die bulgarische Staatsoper Stara Zagora (230 Kilometer östlich von Sofia), mit Unterstützung des Kulturministeriums  des Großherzogtums Luxembourg.

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