Das Liedduo Álfheiður Erla Guðmundsdóttir und Kunal Lyhiry für 9,99 Euro im Internet
Lieder von Edvard Grieg, Franz Schubert, Robert Schumann und Richard Strauss
Leise und in lyrischer Zartheit gestaltet stillt „Morgen“ die derzeit so übergroße Sehnsucht nach tröstlichen Tönen. Am Ende stimmt es mich froh, dass ich für diese bereichernde Kostprobe allerfeinster Liedkunst auch einen Obolus für die herausragende Leistung der jungen Künstler entrichten konnte. Ich bin überzeugt, dass Álfheiður Erla Guðmundsdóttir als „Rising Star“ im Opern- und Konzertbereich in Erscheinung treten und Kunal Lahiry sich weiterhin als Liedduo- und Kammermusikpartner bewähren wird. Bereits im September 2019 war die Isländerin in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin dreimal als Papagena in Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ aufgetreten.
Photocredit: Hjördís Jónsdóttir (c)
von Dr. Lorenz Kerscher
Die derzeitige Krise bringt es mit sich, dass dem vielversprechenden Musikernachwuchs die am Beginn der Karriere ohnehin bescheidenen Einnahmen wegbrechen. Wenn ich mir das vor Augen führe, benutze ich die zahlreichen kostenlosen Streamingangebote derzeit nur mit schlechtem Gewissen. Deshalb freue ich mich sehr, dass der israelische Flötist und Videoproduzent Yoél Culiner ein Portal mit Bezahlfunktion zugunsten junger Talente eingerichtet hat. Er war mir schon bekannt durch hervorragende Aufzeichnungen schöner Produktionen der Israeli Opera Tel-Aviv, die einige Zeit lang in Youtube verfügbar waren. Mit seinem neuen Projekt will er nun jungen Künstlern ein Einkommen ermöglichen und produziert dafür Videoaufnahmen auf hohem technischem Niveau.
Also zahlte ich gerne 9,99 € für ein gut halbstündiges Hauskonzert mit der isländischen Sopranistin Álfheiður Erla Guðmundsdóttir, 26, die mich schon mit einigen Videos in Youtube beeindruckt hatte, und mit ihrem amerikanischen Klavierpartner Kunal Lahiry. Zugänglich ist dieses Angebot über den Link https://de.comecloser.cc/alfheidur, wo man sich registrieren oder einfach über Facebook einloggen und mit Kreditkarte oder PayPal bezahlen kann. Anschließend kann man das Hauskonzert über einen beliebigen Zeitraum erleben, sooft man möchte.
Die beiden einleitenden Lieder von Edvard Grieg lassen den des Norwegischen nicht mächtigen Hörer Álfheiður Erlas Stimme als ein sehr schönes Instrument erleben. Man hört einen jugendlichen, doch schon sehr ausgeglichenen Sopran mit viel Substanz, der sowohl strahlen als auch mit feinfühliger Lyrik verzaubern kann. Bei zwei weiteren Liedern von Grieg in deutscher Sprache zeichnen sich weitere wesentliche Tugenden ab, die die junge Isländerin als ein außergewöhnliches Talent der Liedgestaltung ausweisen. Das ist als erstes eine ausgezeichnete Textverständlichkeit, aufgrund derer man die nicht angebotene Möglichkeit zum Mitlesen in keiner Weise vermisst. Herausragend ist außerdem eine sehr überzeugende Legatokultur, mit der die Töne jedes Melodiebogens in bester Übereinstimmung mit der Dichtung zu einer organischen Einheit verschmelzen. Dazu gestaltet Kunal Lahiry den Klavierpart sehr feinfühlig an einem gut gestimmten und intonierten Klavier, das in der tiefen Lage nicht ganz die Ausgewogenheit eines Konzertflügels erreicht, ihn ansonsten aber nicht in seinen Ausdrucksmöglichkeiten beschneidet. So hat es auch einen besonderen Reiz, eine authentische Hausmusikatmosphäre zu erleben.
Nach leidenschaftlichem Aufstrahlen der Stimme in Griegs „Ein Traum“ wendet sich das Programm Schubert zu und gibt jedem Lied seinen eigenen Charakter: zarte Töne für die „Nachtviolen“, lebensfrohe Bewegung in „Bei dir allein“ und sanfte Melancholie als Grundstimmung in „An den Mond“.
Mit Schumann eröffnen sich dem Pianisten dann vielfältige Möglichkeiten der Mitgestaltung, die Kunal Lahiry mit großer Intensität des Ausdrucks nutzt. So erklingen drei ganz unterschiedliche Miniaturen, denen die Sängerin die jeweils passende Farbe gibt. Das fröhliche „Aufträge“ versprüht quirlige Freude, die einem unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert, „Mein schöner Stern“ glänzt in verhaltener Melancholie, die „Widmung“ wird eher lyrisch als überschwänglich interpretiert.
Mit der Interpretation der „Wasserrose“ von Richard Strauss genügt Álfheiður Erla höchsten Ansprüchen. Mit langen Atembögen und in bestens kultiviertem Legato versilbert sie die unwirkliche Stimmung um ein geheimnisvolles Mädchen, ja sie nimmt selbst überzeugend diese zauberhafte Rolle ein, unterstützt von dem Pianisten, der die Lichtreflexe das Wassers im Mondenschein in Klang umsetzt. Nochmals von Strauss gibt es eine Zugabe: leise und in lyrischer Zartheit gestaltet stillt „Morgen“ die derzeit so übergroße Sehnsucht nach tröstlichen Tönen.
Am Ende stimmt es mich froh, dass ich für diese bereichernde Kostprobe allerfeinster Liedkunst auch einen Obolus für die herausragende Leistung der jungen Künstler entrichten konnte. Ich bin überzeugt, dass Álfheiður Erla Guðmundsdóttir als „Rising Star“ im Opern- und Konzertbereich in Erscheinung treten und Kunal Lahiry sich weiterhin als Liedduo- und Kammermusikpartner bewähren wird. Und ich werde das neue Portal https://de.comecloser.cc noch öfter nutzen und dieses Projekt sowie auch andere teilnehmende Künstler mit einer angemessenen Bezahlung ihrer Leistung unterstützen!
Hier eine kleine Hörprobe:
Dr. Lorenz Kerscher, 15. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at