Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra präsentieren in Bremen solide orchestrale Hausmannskost

Anne-Sophie Mutter Violine, Daniel Barenboim Dirigent, West-Eastern Divan Orchestra  Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 7. August 2024

Barenboim © Monika Ritterhaus

Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter kredenzt Brahms mit routiniert virtuosem Vortrag

Sonderkonzert beim Musikfest Bremen
Programm:

Johannes Brahms:  Violinkonzert D-Dur op.77
Franz Schubert:  Sinfonie Nr.8 C-Dur D 944

Anne-Sophie Mutter  Violine

Daniel Barenboim  Dirigent
West-Eastern Divan Orchestra

 Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 7. August 2024

von Gerd Klingeberg

Ein Sonderkonzert im Rahmen des diesjährigen Musikfests Bremen mit Daniel Barenboim und dem von ihm vor 25 Jahren gegründeten West-Eastern Divan Orchestra weckte vorab hohe Erwartungen.

Was indes in der Glocke zu hören war, erinnerte dann eher an solide musikalische Hausmannskost als an ein Gourmetmenü. Nur mit Unterstützung und einiger Mühe hatte der schon recht gebrechlich wirkende Barenboim das Dirigentenpult erreicht und nahm dort auf einem Stuhl Platz.
Locker und geschmeidig wie eh und je dagegen Star-Violinistin Anne-Sophie Mutter, die ebenso wie der Maestro mit großem Beifall empfangen wurde.

Die Musiker des groß besetzten Orchesters rekrutieren sich bekanntlich vor allem aus dem Nahen Osten. Dass sich ihre Heimatländer in kriegerischen Auseinandersetzungen aufreiben, zeigte beim gemeinsamen Musizieren glücklicherweise keinerlei Auswirkungen; drei Orchestranten hatten zudem in einem kurzen Vorab-Statement den Krieg scharf verurteilt und eine sofortige Einigung samt Rückkehr zum Frieden angemahnt.

West-Eastern Divan Orchestra, Anne-Sophie Mutter, Daniel Barenboim © Patric Leo

Das Violinkonzert von Johannes Brahms ließ Barenboim bedächtig starten. Solistin Mutter klinkte sich nach der orchestralen Einleitung präzise ein. Homogenität und Ausgewogenheit des großen Klangkörpers gerieten durchweg sehr passabel, ebenso die Abstimmung mit der Violinistin, die mit routiniertem, nicht selten deutlich emotional gefärbtem, mit sattem Vibrato veredeltem Spiel für stimmungsvolle kantable Momente sorgte. Vor allem der Adagio-Mittelsatz mit seinem wunderschön von der Oboe eingeleiteten Thema entführte in Sphären voller Wehmut und Sehnsucht.

Kontrastierend dazu geriet der flotte 3. Satz mit seiner ungarischen Note, bei dem Mutter mit virtuosem Strich brillierte. Ihre Versuche, das in insgesamt gemäßigtem Tempo agierende Orchester passagenweise durch ein doch etwas forscheres Angehen mitzureißen, führten indes nur zu kurzzeitig leichtem Auseinanderdriften, blieben aber weitestgehend erfolglos.

Dennoch resultierte das Brahms-Konzert in ansprechender Darbietung.
Für den anhaltenden Beifall des Auditoriums bedankte sich die Ausnahmeviolinistin mit dem überaus gefühlvoll dargebotenen Adagio aus Bachs Solo-Violinsonate Nr. 1. Sie hatte es in Anlehnung an die kurze Eingangserklärung der Musiker als eine Art Friedensgebet tituliert – was leider nicht alle Zuhörer im voll besetzten Saal mit entsprechend andachtsvoller Stille zu würdigen wussten.

Dass man nachfolgend bei Franz Schuberts Sinfonie Nr. 8, der Großen C-Dur-Sinfonie, eher irdische als die von Robert Schumann dereinst als „himmlisch“ bezeichneten Längen erlebte, war nicht dem Orchester anzulasten. Bei Brahms hatte Mutter noch für einiges mehr an Pep gesorgt. Jetzt beschränkte sich die Interpretation des Maestros im Wesentlichen auf ausgeprägte dynamische Wechsel, die das Orchester sorgsam nachvollzog.

West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim © Patric Leo

Der 81-jährige Barenboim ließ aber – vielleicht auch bedingt durch seine erheblich eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten – bei streckenweise fast schon metronomhaft gleichmäßiger Vorgabe der von ihm gewünschten Metren markante Akzentuierungen wie auch für einen stärkeren Spannungsaufbau erforderliche Tempoveränderungen, etwa in Form von Ritardandi, Ritenuti oder Accelerandi, weitgehend außen vor.

Schade, denn allein über variable Lautstärken lässt sich allenfalls ansatzweise ausreichende Lebhaftigkeit und Ausdrucksintensität erzielen. Vor allem die beiden letzten Sätze mit ihren häufigen, dabei kaum variierten thematischen Wiederholungen schienen sich dadurch bis zu den donnernden Schlussakkorden ziemlich in die Länge zu ziehen. Da wäre zweifellos einiges mehr an Gestaltungsspielraum möglich und auch nötig gewesen.

Das Bremer Publikum zeigte sich dennoch begeistert und feierte Dirigent und Orchester mit lang anhaltenden Ovationen.

Dr. Gerd Klingeberg, 8. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

11. Philharmonisches Konzert „Energie“, Bremen, Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 27. Mai 2024

„Romantische Sehnsucht 3.0“, Swiss Philharmonic Academy, ALSO und NZO Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 10. Mai 2024

10. Philharmonisches Konzert „Rausch“ Bremen Konzerthaus, Die Glocke, 15. April 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert