Fotos © 2022 Brinkhoff/Mögenburg
Es könnte ja so einfach sein. Don Pasquale, ausstaffiert als alter reicher Sack, gelüstet es nach einer jungen Frau. Sein zur Schau getragener Reichtum soll helfen, noch mal so richtig durchzustarten – allerdings ohne nennenswert Geld auf den Tisch zu legen. Während sich Don Pasquale im Driverseat wähnt, sind ihm die junge Dame (Norina) und ihr ebenfalls noch nicht ergrauter Helfer und Liebhaber (Ernesto) immer einen Schritt voraus. Da kann auch der Leibarzt nicht helfen und es kommt, wie es kommen muss. Der Titelheld wird vorgeführt, steht ziemlich dumm, aber auch einsichtig da – jung und alt, das passt einfach nicht?
Gaetano Donizetti (1797 – 1848)
Don Pasquale
Text von Giovanni Domenico Ruffini und Gaetano Donizetti nach Angelo Anelli
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertexten
Uraufführung am 3. Januar 1843, Paris (Théâtre-Italien)
Chor und Orchester der Staatsoper Hamburg
Ramón Tebar – Musikalische Leitung
David Bösch – Inszenierung
Patrick Bannwart – Bühnenbild
Staatsoper Hamburg, 23. April 2024
von Jörn Schmidt und Regina König
Es könnte ja so einfach sein. Don Pasquale, ausstaffiert als alter reicher Sack, gelüstet es nach einer jungen Frau. Sein zur Schau getragener Reichtum soll helfen, noch mal so richtig durchzustarten – allerdings ohne nennenswert Geld auf den Tisch zu legen. Während sich Don Pasquale im Driverseat wähnt, sind ihm die junge Dame (Norina) und ihr ebenfalls noch nicht ergrauter Helfer und Liebhaber (Ernesto) immer einen Schritt voraus. Da kann auch der Leibarzt nicht helfen und es kommt, wie es kommen muss. Der Titelheld wird vorgeführt, steht ziemlich dumm, aber auch einsichtig da – jung und alt, das passt einfach nicht?
Diese Lesart ist für allerhand Lacher gut, und genau darauf ist die Inszenierung von Daniel Bösch angelegt. Sugardaddy 2.0 sozusagen. Zur Freude des Publikums, das jede noch so platte Sottise goutiert. Aber schon das todtraurige, leider etwas verwackelt intonierte Trompetensolo zur ebenso todtraurigen Arie des Ernesto („Cercherò lontana terra“) macht deutlich: Dies ist keine klassische Nummer einer italienischen Opera Buffa, das geht viel tiefer, tönt fast schon wagnerisch-romantisch. Apropos Wagner, Don Pasquale ist ebenfalls mehr oder weniger durchkomponiert, und wie Wagner hatte auch Donizetti seine Methoden, ein unruhiges Publikum zur Ruhe zu bringen. Die Ouvertüre startet ziemlich laut, Schwätzen geht da unter.
Hinzu kommt, dass Donizetti während der elf Tage, die er für die Partitur benötigte, vermutlich nicht befreit und heiteren Gemüts komponieren konnte: Frau und Kind waren gestorben, die eigene Gesundheit geprägt von Syphilis-Symptomen im Quartärstadium. Da fragt man sich, ob in dieser Oper wirklich alles schwarz und weiß und zum Schlapplachen ist. Pasquale ein Volltrottel, der Dottore ein eiskalter Strippenzieher, Norina und Ernesto gewieft und trotz aller Niedertracht doch eigentlich herzensgut? Ja, könnte man meinen, wenn man sich auf Inszenierung, Bühnenbild und Personenregie einlässt.
Nein, möchte man meinen, wenn man anfängt, Fragen zu stellen. Warum möchte sich Don Pasquale noch mal verheiraten, und glaubt er, so glücklich zu werden? Wann merkt er, dass ihm alles aus den Händen gleitet? Wirklich erst am Ende von Akt II? Kann ein herrschsüchtiger alter Mensch tatsächlich fähig sein, sich angesichtig wahrer Liebe (Norina und Ernesto) von jetzt auf gleich charakterlich zu wandeln und allen großzügig verzeihen? Das können eigentlich nur ziemlich alte weise Männer, so vorgeführt würde jeder andere erst mal ziemlich lange toben vor Wut. Und Rache schwören. Usf.
David Bösch macht es sich einfach, hält sich nicht mit derlei in den Gefühlswelten angesiedelten Details auf und gibt Don Pasquale – als einzigen tiefergehenden Deutungsversuch der Befindlichkeiten unterhalb der heiteren, zuweilen tragischen Oberfläche – am Ende von Akt II eine Schrotflinte an die Hand und für einen Moment denkt man tatsächlich, Pasquale mache davon Gebrauch. Lebensüberdruss im Alter also – wenn schon eine junge Frau nicht darüber hinweghilft, dann halt Freitod?
Michele Pertusi, Bass und Weltstar aus Parma als geschmeidiger Don Pasquale, macht da nicht mit. Mimik und Tonfall sind mal spitzbübisch, wendig im Parlando, auch mit komödiantischem Talent, dann wieder traurig, oft dominant und zum Schluss mit einer gehörigen Portion Ataraxie ausgestattet. Dabei stetes samtig, auch volltönend, aber nie anmaßend. Das Gegenteil von einem depressiven Sugardaddy also.
Die Stimme von Filipe Manu als Ernesto ist zu Herzen gehend warm, gerade bei seinen traurigen Einsätzen. Zum Ende hin verblasst der tenorale Glanz leider ein Stück weit.
Narea Son als seine Angebetete zieht dagegen bis zum Ende durch, der klare Sopran bleibt stets wandelbar von keck bis verliebt.
Der Bariton Alexey Bogdanchikov ist kraftvoll und harmonisch, zugleich stets mit einem Hauch Falschheit, was zu seinen manipulativen Absichten ganz gut passt.
Ramón Tebar begleitet trotz eher schneller Tempi sängerfreundlich und verpasst dem Orchester auch ansonsten ein fast schon historisch informiertes, immer in Bewegung bleibendes Klangbild. Das passt.
Jörn Schmidt und Regina König, 24. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giacomo Puccini, Turandot, lyrisches Drama in drei Akten Staatsoper Hamburg, 10. April 2024
Giuseppe Verdi, Il Trovatore Staatsoper Hamburg, 30. März 2024