Harry Ogg © Benjamin Ealovega
Harry Ogg hat auf dem Instagram Account der Symphoniker Hamburg eine Art Erklärbär-Video zum heutigen Konzert in der Hamburger Laeiszhalle veröffentlicht. Er schildert höchst sympathisch seinen Weg zu Elgars zweiter Symphonie. Dabei streichelt er fortwährend seinen Hundewelpen Sandy. Herrchen lässt Sandy auch in die Kamera grüßen. Hat der Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein das nötig?
Symphoniker Hamburg
Harry Ogg / Dirigent
Alexander Gavrylyuk / Klavier
Sergei Rachmaninow / Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43
Edward Elgar / Symphonie Nr. 2 Es-Dur op. 63
Laeiszhalle, Großer Saal, 2. März 2025
von Jörn Schmidt
Will es der angehende Spitzen-Dirigent den Politikern gleichtun und inszeniert sich daher mit seiner Sandy? Ist die musikalische Botschaft etwa noch zu dünn? Abwegig oder gar boshaft ist diese Assoziation nicht.
Denn Tiere gelten unter PR-Agenturen als ein beliebtes Mittel der Selbstinszenierung. Weil so ein Hundewelpe halt positive Emotionen weckt. Gerade, wenn man nicht mit spannenden Themen und eigenen Fähigkeiten überzeugen kann.
Daher eignen sich Tierkinder übrigens hervorragend zur Gefälligkeitsberichterstattung. Wenn sonst nichts mehr geht, muss ein Foto mit Tier her. Dazu ein rührender Text… Bislang war diese Masche auf Politiker beschränkt.
Keine Homestory ohne Tiere. Und wer nicht mit einem Haustier gesegnet war, der musste halt mal im Wahlkreis-Tierheim vorbeischauen. Wichtig ist nur, dass einen die Tierchen dann nicht beißen oder Reißaus nehmen.
Ausnahmen finden sich neuerdings bei den Grünen. Jakob Blasel, Co-Vorsitzender der Grünen Jugend, hält Haustiere für einen ziemlichen Umwelt- und CO₂-Luxus. Die Kollegen von BILD nennen ihn seither auch schon mal „Welpen-Feind“.
Edward Elgar Symphonien sind für mich irgendwie Ersatz dafür, dass Richard Strauss keinen eigentlichen Symphonien-Zyklus hinterlassen hat. Denn es gibt Parallelen. Elgar und Strauss waren befreundet. Beide hatten ein geistreiches Gespür für Klangfarben und wie man sie einsetzt.
Wie immer unter Freunden gab es auch Unterschiede. Strauss’ Alpensinfonie gilt als Prototyp tonmalerischer Programmmusik. Elgar sah das anders, ihm galt eine „Symphonie ohne Programm“ als der Gipfel.
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Während seiner ersten Symphonie bereits zu Lebzeiten Erfolg beschieden war, kam die zweite Symphonie seinerzeit nicht gut an. Elgar jedenfalls bezeichnet das Uraufführungs-Publikum als „stuffed pigs“.
Vermutlich wollte Elgar damit zum Ausdruck bringen, dass sein zweites symphonisches Werk künstlerisch den Vorgänger übertrifft. Sich das aber eben nicht jedem erschließt, schon gar nicht stuffed pigs. Wobei offen bleibt, ob er nun gemästete oder ausgestopfte Schweine meinte.
Nett war es so oder so nicht gemeint. Wie man das Publikum dazu bewegt, dem Hauptwerk des Abends Interesse und Aufmerksamkeit entgegenzubringen, das zeigte Harry Ogg. Der Wechsel zwischen Freude und Abschied gelingt ihm spielerisch.
Wo Euphorie sich entfalten wollte, ließ Ogg derlei Ausschweifungen mit Mahler’scher Nervosität grob attackieren. Allein das Presto, so böse habe ich es noch nicht gehört.
Dann die bilanzierende Wehmut am Ende des Werkes, die oft als wehmütiger Abgesang auf eine untergehende Epoche genommen wird. Bei Ogg ist die Schwermut mit jeder Menge positiver Energie aufgeladen. Das war Weltklasse, nicht viele Dirigenten schaffen das mit 34 Jahren.
Warum dann das Video mit Welpe? Da hatte ich wohl ein Vorurteil, immerhin war heute Wahltag in der Hansestadt. Please come back, Harry and Sandy.
Jörn Schmidt, 2. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Auf den Punkt 42: Einfach mal klatschen… Laeiszhalle, 30. Januar 2025