Foto © Westermann, Staatsoper Hamburg –
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Von der Pressekonferenz am Mittwochvormittag in den Werkstätten der Hamburgischen Staatsoper: Auf den Punkt 47.
Im Vorfeld der Bundestagswahl hatte Wolfgang Kubicki der Kieler Kollegin Susanne Gaschke in einem Interview für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) seinen halben Weinkeller angeboten. Als Wetteinsatz für den Fall, dass die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag verpasst. Darauf komme ich später zurück, jetzt geht es erstmal um das Programm der Hamburgischen Staatsoper für die kommende Spielzeit 2025/2026.
von Jörn Schmidt
Während Demis Volpi, der Intendant des Hamburg Ballett, sich bereits in der laufenden Saison warmlaufen konnte, stehen jetzt die Nachfolger von Kent Nagano und Georges Delnon in den Startlöchern.
Omer Meir Wellber als designierter Generalmusikdirektor der Staatsoper Hamburg und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Tobias Kratzer als designierter Intendant der Staatsoper Hamburg.
Die beiden haben Großes vor. Man möchte, so war zu hören, an die Goldene Zeit der Staatsoper Hamburg anknüpfen. Gemeint ist die erste Amtszeit des Schweizer Komponisten Rolf Liebermann (1959 – 1973).
Ich habe wenig Zweifel, dass das künstlerisch gelingen wird. Wellber und Kratzer wollen neue Wege gehen. Kratzer hielt dafür eine griffige, aber auch verharmlosende Formel bereit: „Alles, was Oper kann.“ Wenn Sie die beiden großartigen Künstler nicht so genau kennen, dann muss ich Sie warnen.

Stellen Sie sich vor, Sie mögen Beethovens 3. Klavierkonzert. Vielleicht haben Sie Ihre Partnerin zu dieser Musik kennengelernt. Da kommt es gut, dass dieses Werk gleich beim 1. Philharmonischen Konzert am 14. und 15. September 2025 auf dem Programm steht.
Es dirigiert Omer Meir Wellber, das bürgt für höchste künstlerische Qualität. Aber ich muss Sie warnen. Gucken Sie besser ein zweites Mal hin, bevor Sie Karten kaufen. Denn es gibt nur 2/3 Beethoven. Wie das? Nun, den 2. Satz, den hat der englische Pianist Stephen Hough überschrieben. 2/3 Beethoven und 1/3 Hough gibt es also fürs Geld.
Also zu 1/3 eine astreine Uraufführung. Das ist ohne Zweifel ein spannendes Experiment, vermutlich wird Ihnen das einen neuen Blick auf Beethoven ermöglichen. Wenn Sie anderer Meinung sind und meinen, das zerstört Ihren Beethoven wie auch die romantische Erinnerung an den Tag, als Sie Ihre Partnerin kennengelernt haben. Dann gibt’s ja noch 9 weitere Philharmonische Konzerte, denken Sie? Nun, schon am 26. und 27. Oktober steht das nächste Konzert an. Tschaikowsky 4 als Hauptwerk. Klingt gut? Ja, aber Sie bekommen eben nur ½ Tschaikowsky.

Denn Satz II & III sind erneut überschrieben. In diesem Fall von Aziza Sadikova, einer großartigen usbekisch-deutschen Komponistin. Wieder eine Uraufführung. Sie erkennen ein Muster? Genau, das setzt sich so fort. Für Details werfen Sie bitte gelegentlich einen Blick in das schön gemachte neue Spielzeit-Buch.
Für den Fall, dass Sie es klassisch mögen, wird Sie auch die Liste der Opern-Premieren enttäuschen. Kein Verdi & Wagner, kein Puccini & Strauss. Auch kein Mozart. Aber immerhin Ruslan und Ljudmila von Michail Iwanowitsch Glinka (9. November 2025) und Il barbiere di Siviglia von Gioachino Rossini (17. Mai 2026).
Und bevor ich jetzt von berufener Stelle korrigiert werde. Am 15. März 2026 gibt es eine Mozart-Premiere: Die große Stille. Das ist keine neu entdeckte Oper, sondern ein Musikprojekt von Omer Meir Wellber, Theaterregisseur Christoper Rüping und Dramaturg Malte Ubenauf mit Musiken von Mozart.

Zurück zum Rotwein. Falls Sie befürchten, Wolfgang Kubicki habe tatsächlich seinen halben Weinkeller verwettet. Denn bekanntlich hat die FDP den Wiedereinzug verpasst. Dann kann ich Sie beruhigen, im weiteren NZZ-Interview wurde der Wetteinsatz abgeschmolzen auf eine Kiste hervorragenden Rotweines.
Ich möchte den Einsatz weiter, auf eine symbolische Flasche hervorragenden Rotwein, reduzieren und Tobias Kratzer eine Wette vorschlagen. Meine These: In der Spielzeit 2025/2026 wird sich die Auslastung der Staatsoper Hamburg unterm Strich wenig bessern.
Denn was das ambitionierte Programm an neugierigen und aufgeschlossenen Zuschauern anlockt, wird das Kernpublikum abschrecken. Halten Sie dagegen, Herr Kratzer? Wird der Zuschauerschnitt merklich ansteigen?
Jörn Schmidt, 5. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Hamburgische Staatsoper: Aufbruch zu neuen Ufern, Spielzeit 2025 / 26 Hamburg, 5. März 2025
Ich fand Dr. Ralf Wegners These sehr schlüssig. Egal, was man an der Hamburgischen Staatsoper treibt, die Konkurrenz der Elphi sei zu groß. Sollte ich den werten Kollegen falsch zitieren, möge er bitte Einspruch erheben.
Jürgen Pathy