Didar Sarsembayev (Jago), Leisa Martínez Santana (Emilia), Virginia Tomarchio (Desdemona), Amilcar Moret Gonzales (Othello), Filippo Valmorbida (Cassio), Hannah Sofo (Bianca) (Foto RW)
Mit großer innerer Körperspannung flog Virginia Tomarchio wie eine Feder auf ihre Partner zu und hielt die Spannung mit Eleganz auch in der getragenen Höhe. Vor allem vermochte sie mit ihrem perfekten klassischem Bewegungsrepertoire bereits im ersten Akt zu fesseln, daneben überzeugten Amilcar Moret Gonzales und Tomarchio noch vor der Pause mit einem rührenden Liebes-Pas de deux.
Othello 2 nach William Shakespeare
Theater Kiel, Opernhaus, 2. April 2023
von Dr. Ralf Wegner
Mit Amilcar Moret Gonzales stand ein erfahrener Othello-Darsteller auf der Bühne des Kieler Opernhauses, hatte er doch noch 2016 als Othello bei Neumeier in Hamburg getanzt. Wie in Hamburg mit Hélène Bouchet stand ihm jetzt in Kiel mit der 27jährigen italienischen Tänzerin Virginia Tomarchio eine kongeniale Desdemona zur Verfügung. Mit ihren langen Extremitäten zeigte sie schöne Port de bras und einen bewunderungswürdigen sog. Standspagat. Mit großer innerer Körperspannung flog sie wie eine Feder auf ihre Partner zu und hielt die Spannung mit Eleganz auch in der getragenen Höhe. Vor allem vermochte sie mit ihrem perfekten klassischem Bewegungsrepertoire bereits im ersten Akt zu fesseln, daneben überzeugten Gonzales und Tomarchio noch vor der Pause mit einem rührenden Liebes-Pas de deux.
Idee und Choreographie flossen aus der Feder des Tänzers des Othello, Amilcar Moret Gonzales. Er wollte Shakespeares Vorlage nicht im Venedig des beginnenden 16. Jahrhunderts angesiedelt wissen, sondern in der Jetztzeit. Othello wäre ein erfolgreicher Geschäftsmann, Desdemona eine Tochter aus reichem Hause, Jago, Cassio sowie Bianca seien in Othellos Firma angestellt.
Das funktionierte, aber nicht wegen der Choreographie, der Bühne (Eva Adler) oder der Kostüme (Angelo Alberto), schon gar nicht wegen der Videoeinspielungen (Frank Böttcher und Julian Jetter), sondern wegen der genialen Vorlage Shakespeares für ein mit Intrigen durchsetztes Eifersuchtsdrama. Keine Art der Interpretation kann dieses Stück zerstören.
Und insoweit können u.a. ein choreographierter Betriebsausflug von Kiel nach Paris oder Othellos Aufenthalt in einem gemischten Dampfbad mit dem Drama kompatibel sein. Warum allerdings ein heutiger Othello und eine heutige Desdemona wie Romeo und Julia im alten Verona heimlich von einem Prister ohne Zeugen und staatliche Beurkundung getraut werden können, bedürfte einer Erklärung.
Vor allem im ersten Teil fiel auf, dass die Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles häufig nur kurze Sequenzen tanzten. Als Zuschauendem blieb einem kaum Zeit, sich in die Schrittfolgen zu vertiefen und deren Sinn zu verstehen bzw. zu hinterfragen. Selbst Jago wurde choreographisch immer nur kurz bedacht. Dabei hätte der Tänzer Didar Sarsembayev, diesen Eindruck vermittelte er in den wenigen ihm zugedachten tänzerischen Phasen, sicher mehr von seinem Können zeigen können. Gleiches gilt für Leisa Martínez Santana, der als Emilia allenfalls eine Art Zubringerrolle zukam. Dass Filippo Valmorbida als Cassio eher blass blieb, lag sicher nicht an ihm, sondern an der undankbaren Rolle als Naivling. Hannah Sofo und Alexey Irmatov überzeugten mit ihren kurzen Auftritten als Bianca und Priester.
Insgesamt war es eine sehenswerte Aufführung, die vom Kieler Publikum langanhaltend bejubelt wurde. Solch eine Aufführung lässt sich auch gut von Hamburg aus aufsuchen. Der Zug fährt vom Hauptbahnhof bis Kiel nur etwas länger als eine Stunde. Wir starteten am Hauptbahnhof um 15:43 und waren kurz vor 17 Uhr in Kiel. Vom Bahnhof zum Operhaus ist es nur 1 km Fußweg. Das Ballett begann um 18 Uhr und endete kurz vor 20 Uhr. Die Regionalzüge fuhren selbst am Sonntag fast jede halbe Stunde. Kurz nach 21:30 Uhr waren wir wieder am Hamburger Hauptbahnhof. Und ab Anfang Mai wird die Fahrt nichts mehr kosten, sofern man ein HVV-Abo besitzt.
Dr. Ralf Wegner, 3. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Der kleine Prinz, Ballett von Bryan Arias Oper Leipzig, 04. März 2023, Premiere