BENEFIZKONZERT: DAS ENSEMBLE MRIYA – DER TRAUM DER UKRAINE
Das Orchester aus geflüchteten Musikerinnen debütiert
Laeiszhalle Hamburg Foto: © Thies Rätzke
von Harald Nicolas Stazol
Wenn es dieser Klangkörper, das hier welturaufführende “Ensemble Mriya“, nicht zu Weltruhm schafft, will ich fortan Nepomuk heißen.
Es sind alles Frauen. Ja, wie konnte man denn nur so dumm sein? Natürlich sind es alles Frauen im Orchester, und eine Fee nach der anderen löst sich aus den StreicherInnen und wird zur Solistin.
Bach 1041, das Konzert für Violine, und man verzeihe mir, welche der Grazien nun nach vorne getreten ist, um diesem Benefizabend, kaum besucht, man muss es sagen, in der Laiszhalle Hamburg eine überragende Note zu geben – vor lauter Kunstfertigkeit bleibt es unübersichtlich … bis Kateryna Titova sich an den Flügel setzt, Netherlands Symphony Orchestra, Moscow Symphony Orchestra (!!!), Prager Symphoniker, etc. etc. pp. , “in einem Akt der Solidarität”, wie es von der Bühne heißt — und dann haut die junge Dame einen Chopin in die Tasten, dass man wieder an die ukrainische Flugabwehr glaubt.
“Sie alle haben Sorgen um ihre Familien”, wird gesagt, und langsam sehe ich das Ganze als eine Art Privatkonzert, als hätte ich als Oligarch Stazolyev mal eben die Laeiszhalle gemietet, um BWV 1041 zu hören, das Konzert für Violine, Streicher und Basso Continuo, a-Moll.
”Es ist unfassbar” rufe ich ganz außer Atem in der Pause meinen besten Mann, Sir Gregory an, “und eine hübscher als die andere” – wenn man so etwas denn überhaupt noch sagen darf. Sitze ich doch in erster Reihe und könnte, hielte ich meinen Daumen ausgestreckt nach vorn, gerade die Taille der Solistin bedecken, Varvara Vasylieva, während die Konzertmeisterin, Hanna Tsurkan, energisch durchgreift, aber Freiheiten lässt.
Das beginnt schon mit – ich wiederhole mich – Edward Elgar, seiner Serenade für Streichorchester e-Moll, op. 20, da fasst die Resolute das Wogen der Streicher – und es ist mit dem Glase zu bemerken, dass sie alle, alle Damen, alle Frauen, alle Mädchen stets Blickkontakt halten, wohl der Umstand, der diesem Klanggewölbe beachtliche Balance schenkt.
Zu meine äußersten Erstaunen dirigiert Daria Tarasova das Orchester mit hocherhobenem Bogen, vor ihren Saitenflügen bei Myroslaw Skoryk Karpatská, einer Rhapsodie für Violine und Streicher, die einen Applaus hervorruft, der geschlagene drei Minuten anhält. Es geht also auch ohne Männer. Halt! Der Kontrabassist ist ein Mann. Der Kontrabassist ist fast immer ein Mann.
Man mag sich kaum ausmalen, über welche Zufälle und welche Organisation hier ein kleines Kammerorchester aus tapferen Frauen zusammenfindet, die ja alle Reisende sind. Dies ist ihr Debüt.
Und wir waren dabei.
Harald Nicolas Stazol, 21. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
BENEFIZKONZERT FÜR DIE UKRAINE, Elbphilharmonie, 11. April 2022
Benefizkonzert für die Ukraine im Michel, St. Michaelis, 19. März 2022
BESETZUNG
Ensemble Mriya
Hanna Tsurkan Violine
Varvara Vasylieva Violine
Daria Tarasova Violine
Kateryna Suprun Viola
Kateryna Titova Klavier
Roman Ohem Moderation
PROGRAMM
Edward Elgar
Serenade für Streichorchester e-Moll op. 20
Johann Sebastian Bach
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo a-Moll BWV 1041
Myroslaw Skoryk
Huzulen-Triptychon
Yuriy Shevchenko
Buvay mi Zdorova (Batiars Lied)
Aleksandr Gonobolin
Betrachtung für Violine und Orchester
– Pause –
Domenico Scarlatti
Sonate d-Moll K 213
Frédéric Chopin
Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23
Valse e-Moll op. posth. BI 56
Johann Sebastian Bach
Largo aus Konzert für Cembalo, Streicher und Basso Continuo f-Moll BWV 1056 / Bearbeitung für Klavier solo
Myroslaw Skoryk
Karpatská Rapsodie für Violine und Streicher
Yevhen Stankovych
Berglegende
Fast eine Serenade
Viktor Rekalo
Plive Kacha po Tisini / Bearbeitung von einem Volkslied für Streicher
Yuriy Shevchenko
Sche / Bearbeitung der Ukrainischen Nationalhymne für Streichorchester