Lang Lang im pianistischen Rausch: Beethoven und Schubert treffen sich in Salzburg nahe an der Perfektion

Camerata Salzburg Konzertreihe 2019, Lang Lang, Manfred Honeck, Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 20. August 2019

Foto © SF / Marco Borrelli
Camerata Salzburg Konzertreihe 2019, Lang Lang, Manfred Honeck, Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 20. August 2019

Lang Lang, Klavier
Camerata Salzburg
Manfred Honeck, Musikalische Leitung

  • Franz Schubert, Ouvertüre zum Melodram Die Zauberharfe, D644
  • Ludwig van Beethoven, Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur, op. 19
  • Franz Schubert, Symphonie Nr. 8 C-Dur, D944

von Raphael Eckardt

Mit Lang Lang war bei den diesjährigen Salzburger Festspielen ein Pianist zu Gast, der nicht nur aufgrund seines enormen technischen Spektrums völlig zu Recht als größter Klaviervirtuose unserer Zeit gilt. Nun gut: Der Pianist, dessen Namen allenfalls die meisten Leute nennen, wenn sie nach dem größten Pianisten der Gegenwart gefragt werden. Aber Lang Lang ist mehr als dieser herausragende Musikvirtuose, er ist Vorbild einer Musikergeneration eines riesigen Landes, für aufstrebende chinesische Pianisten wie etwa Yundi Li sicherlich allenfalls mitverantwortlich, schickt Klavierbotschafter durch sein Land,  und wenn die dann alle einmal zusammen spielen, dann sitzen da an 777 Klavieren gut 1500 Pianisten und spielen mit gut 3000 Händen Schuberts ersten Militärmarsch, wie ihn nicht einmal Beethoven gewaltiger hätte komponieren können.

Und Lang Lang und Beethoven ist seit jeher eine gute Kombination: Kaum ein Pianist unserer Zeit mag die teilweise oft im Verborgenen liegenden, beinahe kryptisch anmutenden Klangdetails des Bonner Komponisten mit derartiger Leichtigkeit ans Tageslicht hervorbringen wie das Lang Lang seit Jahren gelingt. Dass auch beim diesjährigen Festspielkonzert der Camerata Salzburg unter Manfred Honeck ein echter Beethoven-Klassiker, nämlich dessen 2. Klavierkonzert, auf dem Programm stand, sorgt da für ordentlich knisternde Vorfreude beim nicht immer einfachen Salzburger Festspielpublikum.

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Zunächst aber besticht an diesem Abend vor allem Manfred Honeck mit unglaublich souveräner Leichtigkeit: Selten hat man Schuberts Ouvertüre zur Zauberharfe (D644) so feinfühlig und seelenreich hören dürfen wie an diesem Abend: Famos akzentuierte Fortissimoakkorde wechseln sich da beinahe spielerisch tänzelnd mit sanft dahingleitenden Legatopassagen in intensiven Pianoklängen ab. Hier und da blitzen silber-funkelnde Tautropfen auf einer wunderbar farbenreichen und kräftigen Blumenwiese hervor, mit nahezu meditativer Ruhe gelingt es Honeck dieses oftmals zu Unrecht so unterschätzte Orchester zu einer Einheit zu formen, die immer wieder für mystisch anmutende Klänge sorgt. Zauberhaft!

Bei Ludwig van Beethovens B-Dur Klavierkonzert zeigt sich dann nicht nur Manfred Honeck mit seiner Camerata Salzburg in Hochform: Lang Langs dunkle Winkel sind zu Beginn ein akustisches Puzzlespiel pianistischer Hochkunst. Da wähnt man sich in einem Spiegellabyrinth, das das musikalische Antlitz Beethovens in immer neuen Perspektiven und Dimensionen auf stetig neu erscheinende Wände projiziert. Im ersten Satz teilweise noch leicht gehalten, spielt sich Lang Lang über ein feinfühlig akzentuiertes Adagio vor allem im Finalsatz in einen regelrecht pianistischen Rausch: Sanft dahingleitende Achtelgirlanden schwingen sich immer wieder in schwindelerregende Höhen auf – Pianissimo – Fortissimo!

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Das Spiel mit den Gegensätzen beherrscht Lang Lang wie kaum ein anderer dieser Zeit. Auf herrlich detailreiche Legatoornamentik folgt bestimmtes Marcato, auf dezent hervorgehobene Staccati ein leicht-sanfter Wechsel in ruhigere Sphären. Dass auch Honecks Darbietung von außergewöhnlicher Raffinesse ist, verkommt da unglücklicherweise fast zur Nebensache: Da liegt ein Zauber in der Luft, den man auch auf diesem Niveau nur ganz selten verspüren darf. Mein Herren, da ziehe man den Hut!

Schuberts Große C-Dur-Symphonie (D944) sorgt anschließend für ein furioses Finale dieses so entdeckungsreichen musikalischen Abends. Das liegt einmal mehr daran, dass Honeck das schwere Kunststück gelingt, diese oftmals zum oberflächlichen Dahingleiten verleitende Musik mit einer Tiefe zu versehen, die einen förmlich vom Stuhl zu hauen vermag. Da hat jede noch so nebensächlich erscheinende Begleitfigur ihre Daseinsberechtigung, elegant gelingt das Verschmelzen von melodischen Elementen mit seichtem Fließen herrlicher Legatoketten. Oh Salzburg, da kann man einmal mehr nur staunend seine tiefste Anerkennung aussprechen. Bravo!

Raphael Eckardt, 21. August 2019, für
klassik-begeistert.de

 

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